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Design macht Funktionalität fühlbar

Shooting Star: Dominic Schindler Creations eröffnet neue Wege im Maschinenbau
Design macht Funktionalität fühlbar

Nahe Bregenz, zwischen See und Alpen, ist eine Designschmiede angesiedelt, die das Look & Feel von Industriemaschinen in den vergangenen Jahren nicht wenig beeinflusst hat. Steht man vor der verspiegelten, Code-gesicherten Eintrittstür, dann wird einem schnell bewusst, dass hier nicht nur Produktkosmetik betrieben wird, sondern dass in punkto Funktionalität und Innovation Visionen real werden. Der kreative Kopf dahinter heißt Dominic Schindler.

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Als Paradiesvogel der Szene wird Schindler vielfach noch wahrgenommen. Emotionalität prägt seine ganz eigene Herangehensweise an die Tools der industriellen Fertigung. Mit dem Design von Luxusyachten hat er seine ersten Sporen verdient, bevor er mit der Präsentation des „New DMG Design“ in 2007 die oftmals dröge Zerspanungswelt aufmischte. Großzügige Scheiben, abgerundete Gehäusepartien, Kunststoffmaterialien, klare Farbcodes oder schwenkbare Bedienpanels waren Elemente, die in dieser Konsequenz im Maschinenbau neu waren. Wer jetzt, einige Jahre später, über eine große Maschinenbaumesse geht, der bemerkt schnell, dass Schindler jede Menge kreativen Potenzials in der Branche freigesetzt hat – und natürlich auch etliche Nachahmer gefunden hat.

Umgekehrt hat Schindler Zug um Zug weitere Protagonisten des Maschinenbaus als Kunden gewinnen können. Inzwischen gehören über 40 Mitarbeiter zu seinem Team, die Drehtische, Schraubstöcke, Sägeautomaten, Schleifmaschinen und die Bedienplattformen dafür gestalten. Aber nicht nur das: Die Designschmiede agiert strategisch in den Bereichen Industrial Design, Interaction Design sowie Service Design und arbeitet demnach in viele Richtungen, seien es innovative Mobilitätskonzepte, Energieanlagen oder Wohnentwürfe. So vielgestaltig die Projekte sein mögen, immer haben sie eins gemeinsam: Sie sind kreativ, global ausgerichtet – und sie haben immer die Nutzererfahrung im Blick.
„Wir gestalten Produkterlebnisse“
Experience Design nennt das Schindler und betont: „Wir gestalten Produkterlebnisse.“ Optik und Haptik sind für ihn kein schmückendes Beiwerk, sondern zentrale Designelemente, die keinesfalls nur im Rechner entstehen. Ein großes Arsenal von Musterteilen – etwa Metallflächen unterschiedlicher Farbe und Textur oder neue Kunststoffmaterialien – steht in der „Materialbücherei“ zum Anschauen, Greifen und Fühlen bereit. „Die Haptik wird immer wichtiger“, so Schindler. „Auf dem Foto bemerken Sie das nicht, aber sobald Sie eine Maschine bedienen, dann spüren Sie es.“ So werden selbst beim Design von Herstellerlogos unzählige Varianten durchgespielt und verglichen, bis die Entscheidung für einen Entwurf fällt. Dass solche Gestaltungselemente nicht nur im Showroom Sinn machen, sondern auch in der Fertigung, haben Großfirmen wie Volkswagen offenbar erkannt. Für das Kompetenzzentrum Schweißtechnik in Braunschweig hat Schindler ein modulares Produktionskonzept entwickelt, das inzwischen 1:1 umgesetzt worden ist.
Indes ist es doch die Bedienphilosophie, die die Nutzererfahrung am stärksten beeinflusst. Was andere Designer explizit ausklammern, gehört für Dominic Schindler Creations zum elementaren Bestandteil des Industriedesigns. Gemeint ist Interaction Design. Nirgends wird der Nutzen deutlicher als bei der neuen Celos-Bedienoberfläche für die DMG Mori-Maschinen, die auf der vergangenen EMO so wirkungsvoll in Szene gesetzt wurde. Celos überrascht dabei nicht nur mit einer neuen Optik, sondern setzt zudem auf zusätzliche Funktionen sowie eine grundlegend neue Bedienlogik – eine Bedienlogik, die gewissermaßen die Vision einer vernetzten Fertigung der Zukunft vorweg nimmt.
„Rationale und gefühlte Funktion ergänzen sich“
Bei Interaction Design, wie auch in allen anderen Designdisziplinen, gehe es stets darum, Funktionalitäten so in ein Gesamtpaket zu integrieren, dass die Bedienbarkeit von Maschinen beispielsweise durch perfektionierte Ergonomie, neue grafische Elemente und über die Gestensteuerung im Bereich der Steuerung einfacher und für den Bediener nachvollziehbarer wird, erläutert Schindler. In solchen Punkten sieht er auch genau den Nutzwert eines Designers im Zusammenspiel mit dem Ingenieur. „Ein Ingenieur analysiert technische Möglichkeiten, und überlegt dann, wie er daraus ein Produkt machen kann, das dem Kunden gefällt. Bei Dominic Schindler Creations fragt man sich umgekehrt: Was will der Kunde? Und daraufhin sucht man anschließend nach Möglichkeiten, wie sich diese Kundenforderung marktgerecht umsetzen lässt.“ Dieser Unterschied zwischen rationeller und gefühlter Funktion müsse aber keinen Gegensatz bedeuten – viel eher sei es eine Ergänzung, wie er an einem ganz praktischen Beispiel erläutert: „Der Ingenieur sieht in seiner Konstruktion etwa einen bestimmten Winkel vor, damit die Späne besser abfließen. Unsere Aufgabe besteht dann darin, kreative Wege zu finden, diese technische Anforderung so umzusetzen, dass es mit dem ganzheitlichen Design einer Maschine perfekt harmoniert.“
Doch wie kommt man überhaupt dem auf die Spur, was der Kunde wirklich will, was sich gut anfühlt für ihn? Schindlers Antwort darauf lautet Service-Design. Es steht für ihn am Anfang einer jeden Produktentwicklung. Worum es dabei geht, veranschaulicht er am Beispiel einer privaten Krankenhausgruppe. „Die haben ihre neuesten Krankenhäuser von tollen Architekten gestalten lassen. Und die Besucher waren auch alle begeistert. Aber die Patienten fühlten sich trotzdem nicht wohler als bisher. Also hat man sich in die Rolle der Patienten begeben – und dabei festgestellt, dass diese einen Großteil ihrer Zeit im Bett liegen und an eine weiße Decke starren. Eine schöne Gestaltung der Lobby bringt da gar nichts.“
Auf das Design von Maschinen übertragen bedeutet dies, dass man sich zu allererst einmal selbst als Bediener an die Maschine stellt und mit den Anwendern redet. Und das nicht nur im eigenen Kulturkreis. In der globalisierten Wirtschaft ist es eine wichtige Frage, ob eine Designidee auch global funktionieren kann. Schindler erinnert an den Fall der Spielkonsolen Microsoft Xbox und Sony Playstation. „Beide sind etwa zeitgleich auf den Markt gekommen und waren auch funktional vergleichbar. Die Xbox hat sich in den USA blendend verkauft, in Japan gar nicht. Bei der Playstation war es genau umgekehrt. Und warum? Die Xbox war dick und massig gestaltet und kam damit den Qualitätsvorstellungen der Amerikaner entgegen, während die kleine und feine Playstation nach japanischer Vorstellung als qualitativ hochwertig empfunden wurde.“
„Wir setzen gezielt auf Internationalität“
Auch beim Maschinenbediener muss man im Blick haben, aus welchem Kulturkreis er stammt. „Werker in Europa agieren an der Maschine anders als Bediener in den USA und solche in Asien. Das hat viel auch mit Kompetenz und Eigenständigkeit der Mitarbeiter zu tun“, bemerkt Schindler. „Trotz allmählicher Angleichung gibt es demnach immer noch große kulturelle Unterschiede, die man beim Design im Blick haben muss.“ Deshalb arbeiten in seinem Team Mitarbeiter aus über 20 Nationen, und die Umgangssprache ist meist Englisch. „Wir holen absichtlich Leute aus unterschiedlichen Kulturen, die ganz andere Einflüsse einbringen.“
Auch deshalb hat Schindler eine zweite Niederlassung in Zürich gegründet. „Zürich hat nicht nur eine gute Verkehrsanbindung, sonder hat sich in den letzten Jahren zu einer sehr internationalen Stadt entwickelt. Viele Unternehmen machen ihre Entwicklungsabteilungen jetzt dort auf.“ Entsprechend ist die Anziehungskraft auf den kreativen Nachwuchs. Dessen ungeachtet bietet auch Bregenz unbestreitbare Standortvorteile. „Es ist ländlich, aber nicht provinziell“, so Schindler. „Wir haben die Berge, aber zugleich auch ein internationales Umfeld. Viele Firmen haben hier ihren Sitz. Die Kombination Zürich und Bregenz tut uns sehr gut.“
„Wir sind keine Autorendesigner“
Betrachtet man die konsistenten Designs von Dominic Schindler Creations, könnte man leicht auf den Gedanken kommen, Schindler wolle den Produkten nach Art eines Autorendesigners seinen Stempel aufdrücken. Dieser Annahme widerspricht er vehement: „Es geht einzig und allein um die beste Lösung für den Kunden. Wir wollen nicht dem Bediener vorgeben, was für ihn am besten ist. Sondern wir erarbeiten das gemeinsam mit unserem Auftraggeber.“ Entsprechend sieht er sich auch nicht in der Rolle eines Künstlers. „Wir lassen uns nicht per Lizenz zahlen und schreiben dem Auftraggeber dann vor, was er ändern darf und was nicht. Natürlich haben wir ein Interesse daran, dass das, wovon wir überzeugt sind, auch so umgesetzt wird. Aber nur deshalb, weil wir glauben, dass unsere Entwicklungen auch am Markt erfolgreich werden.“
Das Ganze funktioniert dann eben auch nur, wenn der Designer sehr frühzeitig in den Produktentwicklungsprozess involviert ist. „Wir sind nicht Form- und Farbgeber, sondern Entwicklungspartner mit emotionalem Hintergrund.“ Deshalb arbeitet sein Team auch meist unter starker Geheimhaltung. „Wir nutzen für das gesamte Büro ein Zutrittssystem und haben sehr hohe Datensicherheitsstandards. Denn bei uns laufen die Entwicklungen unserer Kunden für die nächsten drei bis fünf Jahre.“
Zwischen 600 und 650 Projekte bearbeitet die Designschmiede pro Jahr. Dabei wird in Teams gearbeitet, die für jeden Bereich ihre Expertise mitbringen. „Es sind Psychologen dabei“, erläutert Schindler, „Anthropologen, Ingenieure und natürlich auch klassische Designer aus unterschiedlichen Bereichen.“ Dabei steht das Team in kontinuierlichem Austausch mit dem Kunden – und ist von Anfang an im Entwicklungsprozess beteiligt. So können sich die Designer Gedanken machen, wie sie bestimmte Charakteristika, die die Maschine einmal haben wird, zum Ausdruck bringen können. „Bei anderen Herstellern ist die Konstruktion schon fertig, und der Designer macht nur noch die Hülle. Das ist nur Kosmetik, aber kein Design.“
„Design schafft Mehrwert“
Aber Design hin oder her, wird der Maschinenbauer alter Schule fragen, wird die neue Maschine denn dadurch auch produktiver? Ja, sagt Schindler, und er nennt Gründe. Etwa die Bedienung von Maschinen und Anlagen über zukunftsweisende Mensch/Maschine-Schnittstellen, mit denen das Arbeiten an Maschinen und in der Werkstatt gleichermaßen einfacher und schneller wird. Ein gutes Beispiel seien auch die neu gestalteten Drehtische für den Schweizer Hersteller Lehmann. „Die sehen nicht nur hochwertiger aus, sondern sind auch einfacher, kostengünstiger und mit höherer Qualität herstellbar.“
Doch welchen Stellenwert wird das Design im Zeitalter der mannlosen Fertigung letztlich haben? Maschinen und Roboter interessieren sich doch nicht für das Bediengefühl… Schindler widerspricht: „Erstens wird es nicht so schnell gehen, bis die Maschinen autonom sind. Ein Auto oder Flugzeug könnte sich auch schon lange autonom bewegen, und trotzdem sind Menschen involviert, aus unterschiedlichen Gründen. Zweitens verliert ein Produkt ja nicht seine Daseinsberechtigung, nach außen hin ehrlich zu sein, nur weil es autonom ist. Warum etwa wird ein Motor gestaltet, obwohl er doch immer unter einer Abdeckung verborgen bleibt? Weil man Gestaltung eben oft mit anderen Funktionen in Verbindung bringen kann. Design ist Funktion und Gestaltung in einem.“
Dominic Schindler Creations GmbH www.dominicschindler.com

Meilensteine im Maschinendesign
  • 2007: Die Präsentation des „New DMG Design“ wird zum Highlight auf der EMO in Hannover.
  • 2010: Sicherheit war oberstes Ziel beim Design der Bandsägeautomaten Kasto Evo und Kasto Verto. Dazu wurden Eingriffe und bedienerrelevante Prozesse verbessert; auch die Optik kommuniziert diesen Innovationsschritt.
  • 2011: Mit dem neuen Ecoline-Design überträgt DMG Mori das Gestaltungskonzept seiner Premium-Maschinen auf die Einsteiger-Klasse.
  • 2011: Die neue Drehtisch-Generation EA-510 von Lehmann setzt nicht nur optisch Akzente, sondern bringt zugleich diverse funktionale Verbesserungen mit.
  • 2011/2012: Die neu gestalteten Tablettenpressen FE 35 und FE 55 von Fette zeigen sich konstruktionsoptimiert mit besserer Zugänglichkeit sowie einem innovativen Benutzerinterface.
  • 2012: Die Bystronic-Laserschneidanlage ByAutonom bietet großflächige Kunststoffteile statt Blechverhausung, eine ergonomische Formsprache und eine neue Bedienerschnittstelle.
  • 2013: Für die Produktion von Volkswagen entwickelt Schindler ein Designkonzept für modulare Produktionszellen.
  • 2013: Die neu designten NC-Spanner RKE und Schraubstöcke RB von Röhm bieten nicht nur technische Verbesserungen, sondern unterstreichen auch die Wertigkeit dieser Produktionsmittel.
  • 2013: Die Celos-Präsentation von DMG Mori-Maschinen wird zum Besuchermagneten auf der EMO Hannover.

Zur Person

Dominic Schindler stammt aus einer Familie, die Generationen von erfolgreichen Industriellen, Künstlern und Erfindern hervorgebracht hat. Seinem Urgroßvater verdankt Österreich unter anderem das erste elektrische Licht, sein Großvater entwickelte den Sonnenschutzfaktor „Piz Buin“. Er selbst wurde bereits während seines Studiums in Florenz von der Design-Legende Matteo Thun entdeckt und ins Team geholt. Danach absolvierte er sein Studium an der Parsons School of Design in New York und Paris sowie an der renommierten Harvard. Nach einem zweijährigen Zwischenstopp bei der Luxus-Yachtschmiede Wally Yachts, gründete er 2006 die Innovationsagentur Dominic Schindler Creations GmbH mit Standorten in der Bodenseeregion und am Zürichsee, mit der er bis heute zahlreiche Designpreise gewann.
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