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„Jetzt auch Fräsen mit Ultrasonic“

Benedikt Brocks, Vertriebsleiter Ultrasonic, Sauer GmbH
„Jetzt auch Fräsen mit Ultrasonic“

Die von der Sauer GmbH, einem Unternehmen der DMG Mori Gruppe, entwickelte Ultrasonic-Technologie erweitert die Standards für die wirtschaftliche Herstellung komplexer Bauteilgeometrien in anspruchsvollen Hightech-Materialien wie Keramik, Glas, Hartmetall oder Composites. Welche Fortschritte in der Entwicklung neuer Technologievarianten damit verbunden sind, erläutert Vertriebsleiter Benedikt Brocks.

mav: Mit der Ultrasonic-Technologie hat DMG Mori vor allem im klassischen Werkzeug- und Formenbau, in der Schmuck-, Uhren- und Optikindustrie, in der Dentaltechnik und in der Feinmechanik bereits große Erfolge gefeiert. Wo sehen Sie weiteres Potenzial für die Zukunft?

Brocks: Ausgehend davon, dass wir mit der Technologie höchst anspruchsvolle Materialien bearbeiten können, eröffnen sich für zahlreiche Branchen ganz neue Möglichkeiten. Immer ausgehend von einer Reduktion der Bearbeitungskräfte, sind wir in der Lage, die vom Kunden gewünschten Ansprüche an die Bearbeitung ihrer Bauteile zu steuern. Hierzu gehören vor allem nennenswerte Produktivitätssteigerungen, die durch höhere Vorschübe oder Zustellungen erreicht werden können. Aber auch längere Werkzeugstandzeiten, bessere Oberflächenqualitäten sowie enge Geometrietoleranzen stehen hier im Fokus. Dies sind Vorteile, die die Anwender bei der Herstellung verschleißfreier Keramikbauteile in der Textil- und Pumpenindustrie ebenso schätzen, wie bei der Bearbeitung hochfester Legierungen im Maschinen- und Anlagenbau oder von Werkstoffkombinationen in der Luftfahrt- und Automobilindustrie.
mav: Die Anforderungen an Bauteile und Bearbeitung unterscheiden sich in solchen Branchen von denen in der Feinmechanik. Wie hat DMG Mori die Technologie an die neuen Rahmenbedingungen angepasst?
Brocks: Wir haben die Weiterentwicklung unseres Verfahrens konsequent am Markt ausgerichtet. Ultrasonic 2nd Generation ist das Resultat dieser Arbeit. Wir decken damit auch das Applikationsfeld der ultraschallüberlagerten Fräs- und Bohrbearbeitung von schwer zu zerspanenden, metallischen Materialien sowie Faserverbundwerkstoffen ab.
mav: Wie sieht diese Weiterentwicklung genau aus?
Brocks: Dank der flexiblen Integration des innovativen Ultrasonic-HSK-Aktorsystems in nahezu alle 5-Achs-Fräsmaschinen von DMG Mori bieten wir für alle Bauteilgrößen die maßgeschneiderte Maschinenlösung. Dabei kombinieren wir intelligent das ultraschallunterstützte Schleifen mit dem konventionellen (HSC-)Fräsen. Diese Technologieintegration erlaubt es dem Anwender, ein konkurrenzlos großes Materialspektrum auf nur einer Maschine präzise und wirtschaftlich bearbeiten zu können. Ultrasonic 2nd Generation erweitert darüber hinaus den Einsatz der Ultraschallunterstützung auf Anwendungen mit definierter Schneide und damit insbesondere auf die Fräs- und Bohrbearbeitung von Superlegierungen auf Nickel- oder Titan-Basis und Werkstoffen wie Magnesium, Wolfram und auch Composites. Ultrasonic Milling ist hier eine sehr attraktive Alternative zu herkömmlichen Fertigungslösungen.
mav: Was unterscheidet Ultrasonic Milling von der klassischen Ultraschallbearbeitung?
Brocks: Im Mittelpunkt steht ein spezieller Milling-Aktor. Wir haben hier die Zahl der Piezoelemente – sie erzeugen die hochfrequente Schwingung – erhöht und die Geometrieauslegung FEM-optimiert. Dadurch erreichen wir 6-fach größere Amplituden bei einer gleichzeitig um 15 Prozent gesteigerten Steifigkeit der Werkzeugaufnahme. Somit profitieren die Anwender von den Benefits der Ultrasonic-Bearbeitung nun auch bei anspruchsvollen und leistungsstarken Fräsbearbeitungen mit Werkzeugdurchmessern bis zu 12 Millimeter.
mav: Wie können Sie die Verbesserungen beziffern?
Brocks: Bei Fräsanwendungen in Titanlegierungen haben wir um bis zu 30 Prozent reduzierte Prozesskräfte erreicht. Vorschübe können in Stahl verdoppelt, bei anderen Materialien, wie zum Beispiel Magnesium, zum Teil verfünffacht werden. Darüber hinaus sind die Oberflächen besser. Einen besonderen Effekt hat die Ultrasonic auf den Spanbruch sowie das Ablaufen der Späne am Werkzeug. Die Späne brechen kürzer und der Werkzeugverschleiß nimmt signifikant ab. Damit ist die Technologie für nahezu alle zukunftsorientierten Zielmärkte mit Hightech-Produkten interessant.
mav: Zum Beispiel…?
Brocks: Nehmen wir den Automobilbau: Zylinderkopfgehäuse und Getriebewellen lassen sich hier effizient bearbeiten, weil die Technologie besonders im Bereich des Tieflochbohrens die genannten Vorteile ausspielt. Die Bohrungen verlaufen weniger bis gar nicht. Die optimale Spanbildung und der Spänetransport reduzieren die Gefahr von Riefen an der Bohrungswand als auch gefährliche Spanklemmer. Im Bereich Aerospace ist es vor allem der deutlich reduzierte Werkzeugverschleiß, mit dem wir bereits Prozesse zur Bearbeitung von verschiedensten hochbelasteten Triebwerkskomponenten aus Inconel zur Zufriedenheit der Kunden optimiert haben.
mav: Advanced Materials sind auch in der Medizintechnik allgegenwärtig. Kann somit auch die Fertigung von Hüftprothesen oder Kniegelenken optimiert werden?
Brocks: Dies ist einer unser angestammten Märkte. Hervorzuheben ist die Bearbeitung von keramischen Implantaten – angefangen bei Zahnersatz bis hin zu Gelenkimplantaten. Zusätzlich wird die Milling-Komponente der Ultrasonic 2nd Generation ein großes Potenzial erschließen. Hier bieten sich neue Einsatzmöglichkeiten bei der Bearbeitung von Knochenplatten sowie bei Implantaten sowohl aus Titan als auch aus hochfesten Legierungen. Die Bearbeitung erfolgt kühler und damit schonender in Bezug auf Spannungen im Bauteil.
mav: Wie sieht es mit Faserverbundwerkstoffen aus?
Brocks: Die wirtschaftliche Bearbeitung von Faserverbundwerkstoffen ist ein bedeutendes Thema in der Entwicklung unseres Angebots. Die flexible Integration des Ultrasonic-HSK-Aktorsystems in Bearbeitungszentren der Evo-Serie und Monoblock- sowie Duoblock-Baureihen bietet hierbei ein beachtliches Bauteilspektrum. Mit Blick auf längere Komponenten aus Faserverbundwerkstoffen hat Sauer das Maschinenportfolio um die Ultrasonic 260 Composites und 360 Composites erweitert, wo wir im Fall des größeren Modells eine Arbeitsraumgröße von 3600 mal 1100 mal 900 Millimeter anbieten – ausreichend Platz für Karosserieelemente im Automobilbau oder große Rotorblattsegmente in der Luftfahrt.
mav: Diese beiden Maschinen basieren auf der DMF-Baureihe. Was macht sie zu speziellen Composite-Modellen?
Brocks: Das steife und thermosymmetrische Maschinenkonzept der Fahrständermodelle bildet eine ebenso perfekte Grundlage für die hochgenaue Ultrasonic-Bearbeitung wie der integrierte Technologierahmen, der Gantry-Antrieb und die Kombination aus A-Achse und B-Achs-Schwenkkopf für die dynamische 5-Achs-Simultanbearbeitung. Darauf aufbauend verfügen die Ultrasonic 260 Composite und Ultrasonic 360 Composite über eine speziell angepasste Composite Frässpindel mit Dauerfettschmierung, das heißt ohne das Risiko einer Öl- und Fettkontamination der empfindlichen Werkstücke. Ihre Drehzahl liegt bei 18 000, optional sind sogar 35 000 Umdrehungen pro Minute verfügbar. Ein gewichtsoptimiertes Vorrichtungskonzept für die vergleichsweise leichten Bauteile erlaubt dank Vakuumspannung und drehbarer Vorrichtung eine einfache und ergonomische Beladung. Ein Hochleistungsabsaugkonzept mit integrierter Feinstaubüberwachung und Wärmerückführung und explosionssicherer Filteranlage rundet das Composite-Paket zukunftsweisend zum zunehmend wichtigeren Schutz des Werkers ab. Das ganzheitliche Prozess-Knowhow erstreckt sich zudem auf ein optimal ausgelegtes Werkzeugkonzept.
mav: Wo liegen die konkreten Vorteile gegenüber konventioneller Bearbeitung?
Brocks: Die konventionelle Bearbeitung dieser Werkstoffe ist schwierig, weil sie delaminieren können. Neben Risiken für die Festigkeit verursachen insbesondere Faserausrisse an den Kanten Nacharbeit, ehe die Oberflächen versiegelt und lackiert werden können. Die Ultrasonic-Technologie löst das Delaminationsrisiko, da sie durch ihre zusätzliche Wirkkomponente die Fasern effizienter und sauberer trennt. Der Prozess wird sicher und eröffnet zusätzliche Leistungsreserven, um zum Teil mit doppelten Vorschüben bei gleichzeitig reduziertem Werkzeugverschleiß zu produzieren. Dies ermöglicht ein Besäumen, Bohren sowie Schäften der hochwertigen Compisite-Komponenten – in optimaler Kantenqualität, ganz ohne Faserausriss oder Delamination. Die Ultraschallfräsbearbeitung erzielt also scharfe, nacharbeitsfreie Kanten und garantiert ein sauberes Freilegen der Laminatschichten bei gleichzeitig perfekten Oberflächen.
mav: Wenn zunehmend CFK und GFK in der Luftfahrt oder auch der Windenergie eingesetzt werden, wächst auch der Bedarf an Lösungen für die Instandsetzung und Reparatur. Wie reagieren Sie darauf?
Brocks: Oftmals sind es große Bauteile, wie Flugzeugstrukturbauteile, die aus Composite-Werkstoffen gefertigt werden. Da beispielsweise die stationäre Reparatur im Hangar sehr aufwändig ist, kommen hier künftig auch mobile Bearbeitungslösungen ins Spiel. Mit dem Mobileblock haben wir eine adäquate Antwort darauf entwickelt. Diese mobile 5-Achs-Fräseinheit ermöglicht erstmalig das strukturierte Abarbeiten der eigentlichen Reparaturaufgabe in wenigen Minuten bei 100 Prozent gleichbleibender Qualität, Präzision und Wiederholgenauigkeit. Dank der 5-Achs-Kinematik mit integrierter Dreh- und Schwenkachse sind anspruchsvolle Bearbeitungen im Winkel von plus/minus 95 Grad möglich. Durch seine Leichtbauweise kann der Mobileblock einfach und flexibel über bis zu 16 Vakuumsaugfüße – jeder einzelne erzeugt eine Ansaugkraft von 256 Newton – lokal an der zu reparierenden Stelle angedockt werden.
DMG Mori Aktiengesellschaft www.dmgmori.com EMO Halle 4 Stand B02/D01

Prinzip der Ultrasonic-Bearbeitung

Das Bearbeitungsprinzip der Ultrasonic-Maschinen beruht darauf, dass die Werkzeugrotation gezielt mit einer zusätzlichen Oszillation in longitudinaler Richtung kinematisch überlagert wird. Dies bietet eine effiziente zusätzliche Wirkkomponente für den Materialabtrag, den Spanbruch als auch den Spantransport. Diese reduzieren die vorherrschenden Prozesskräfte um bis zu 40 Prozent gegenüber konventionellen Bearbeitungsverfahren und ermöglichen eine maßhaltige Fertigung von dünnwandigen Strukturen, Bohrungen als auch wirtschaftliche Schruppbearbeitung bei gleichzeitig längeren Werkzeugstandzeiten. In Abhängigkeit von der Materialbeschaffenheit lassen sich zudem exzellente Oberflächengüten von bis zu kleiner Ra 0,1 μm erzielen.
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