Startseite » Fertigung »

Japaner arbeiten an der Zukunft der Fertigung

Prozessintegration und Digitalisierung prägen die Tokioter Leitmesse Jimtof
Japaner arbeiten an der Zukunft der Fertigung

In kaum einem anderen Land ist die Begeisterung für Produktionstechnik und Automation so groß wie in Japan. Wer sich also für State-of-the-art-Technologie im Werkzeugmaschinenbereich interessiert, wird auf der Tokioter Leitmesse Jimtof (Japan International, Machine Tool Fair) fündig. Auch heuer brannten die Hersteller dort ein Feuerwerk an technologischen Innovationen ab, wobei diesmal Prozessintegration und Digitalisierung im Fokus standen. Autor: Dr. Frank-Michael Kieß

„The Future starts here“ lautete das ambitionierte Messe-Motto der Jimtof, die vom 17. – 22. November 2016 auf dem futuristischen Messegelände Tokyo Big Sight stattfand. Neue Horizonte für die Fertigungstechnik wolle man eröffnen, erklärte Yoshimaro Hanaki, Chairman des Branchenverbands JMTBA (Japan Machine Tool Manufacturers‘ Association), zum Messestart. Entsprechend groß war das Interesse, wie die Rekordzahl von Besuchern und Ausstellern dokumentiert (siehe auch S. 32).

Als ein großer Trend kristallisierte sich einmal mehr die Prozessintegration heraus – besonders markant in der Kombination additiver und spanender Bearbeitungsverfahren. „Additive Technologien können nicht alle Bearbeitungsaufgaben abdecken“, so Hanaki. Deshalb biete ihre Kombination mit spanenden Verfahren große Chancen für die Werkzeugmaschinenindustrie.
Entsprechende Hybridmaschinen hatten bereits vor zwei Jahren in Tokio für Aufsehen gesorgt. Auf der Jimtof 2016 zeigte sich das Angebot deutlich erweitert. So stellte Mazak, 2014 noch mit seiner ersten Hybridmaschine Integrex i-400 AM am Start, diesmal gleich drei neue Varianten vor: Die Integrex i-200S AM vereint 5-Achs-Vertikalbearbeitung mit Multi-Laser Metal Deposition, einer neuen Variante des Laserauftragsschweißens. Diese nutzt einen rotierenden Auftragskopf, der mit mehreren Laserquellen bestückt ist, in deren Zentrum das Metallpulver eingebracht wird. Durch die gleichmäßigere Metallzufuhr sollen präzise Strukturen und komplexe Oberflächen erzielbar sein. Anwendungsfelder sind Aerospace-Teile sowie die Reparatur von Formen oder Turbinenschaufeln.
Ebenfalls neu ist die Variaxis j-600 AM, die die Metallabscheidung via Draht-Lichtbogenschweißen integriert. Im Vergleich zu Pulver-basierten Verfahren soll diese Technologie einen schnelleren Aufbau ermöglichen und eine wirtschaftliche Alternative zur Zerspanung von Gussteilen liefern. Damit nicht genug, zeigte Mazak mit der VC-500 AM eine weitere kompakte Hybridmaschine für 5-Achs-Bearbeitung und Laserauftragschweißen. Den Einfallsreichtum der Japaner in punkto Multitasking bewies schließlich die VTC-520/20 FSW (Friction Stir Welding), bei der allerdings keine additive Technologie, sondern das Rührreibschweißen integriert wurde.
Kooperation für additive Fertigung
Der große Wettbewerber DMG Mori hatte mit der Lasertec 65 3D sowie der Lasertec 4300 3D zwar keine Hybrid-Neuheiten am Start. Dafür nutzen die Deutsch-Japaner die Jimtof als Plattform, um einen Kooperationsvertrag mit dem deutschen Komponentenlieferanten Schaeffler fix zu machen. Ziel ist es, die additive Fertigung von Wälzlagern voranzutreiben. Auf Basis der Lasertec 65 3D will Schaeffler künftig Wälzlagerkomponenten als Prototypen sowie in kleinen Serien produzieren.
Ein Pionier der Hybridtechnik aus Lasersintern und Fräsbearbeitung ist Matsuura. Auf der Jimtof präsentierte der Hersteller die Lumex Avance-60, die gegenüber der existierenden Lumex Avance-25 einen größeren Bauraum und eine erhöhte Laserleistung bietet. So können auch größere Werkstücke hergestellt werden, was die Japaner am Beispiel eines 8-Zylinder-Motorblocks zeigten (siehe auch S. 28).
Das Prinzip „Done in one“ auf die Spitze trieb Okuma: Mit der MU-6300V Laser EX sowie der Multus U3000 Laser EX präsentierte der Hersteller zwei Maschinen, die Fräsen, Drehen, Schleifen, Laserauftragsschweißen und Hitzebehandlung vereinen. Das Härten auf der Maschine beseitigt laut Okuma einen Engpass in der Produktion. Es beschleunige den Prozess, erzeuge weniger Verzug und erhöhe den Durchsatz gewaltig.
Während die technologische Machbarkeit der Prozessintegration begeistert, stellt sich immer die Frage nach der Wirtschaftlichkeit. „Ein Nachteil der Hybridtechnik ist der höhere Anschaffungspreis im Vergleich zu traditionellen Maschinen“, gibt Mazak-Präsident Tomohisa Yamazaki zu bedenken. So gebe es sicher Produkte, die über konventionelle Zerspanung schneller und kostengünstiger herzustellen sind. Eine weitere Verbreitung der Hybridtechnologien hänge deshalb auch davon ab, wie schnell die Preise fallen. Viel Potenzial für die Zukunft sieht Yamazaki in der Energiebranche. Weitere große Anwendungsfelder seien Luftfahrt und Medizintechnik. Hier bestehe die Herausforderung darin, die entsprechenden Zulassungen zu erhalten.
Vernetzung im Blickpunkt
Das zweite Mega-Thema in Tokio war Industrie 4.0. – hier vorrangig unter dem Begriff IIoT (Industrial Ethernet of Things) propagiert. Viele große japanische Hersteller zeigten Lösungen, wie Maschinen in der Fertigung vernetzt werden können, um Betriebs- und Zustandsdaten zu überwachen. Stärker als hierzulande stand das in den USA entwickelte MT-Connect-Protokoll als Datenstandard im Blickpunkt. Nicht umsonst veranstaltete der US-Herstellerverband AMT auf der Jimtof ein MT-Connect-Seminar, an dem sich zahlreiche japanische Hersteller und Anwender beteiligten.
„Der Schlüssel zu weiterer Verbreitung von IIoT ist offene Konnektivität“, stellt Yamazaki klar. „Wir glauben, dass MT Connect sich in den USA bereits durchgesetzt hat und sich auch in Japan verbreitet. Es ist quasi ein De-facto-Standard weltweit.“ Mazak selbst nutzt die Technik bereits in seiner US-Fertigung. „Auch unsere drei Fabriken in Japan rüsten wir derzeit auf MT-Konnektivität um“, so der Firmenchef.
Allerorten waren in Tokio Konnektor-Boxen zu sehen, die eine sichere Anbindung von Werkzeugmaschinen und Peripheriegeräten ans Internet ermöglichen. In Form der orangen Smartbox standen sie bei Mazak im Mittelpunkt einer vernetzten Fertigungslandschaft. Wie in einem großen Cockpit konnten Besucher beobachten, wie die Maschinen am Stand wie auch in den japanischen Fertigungsstätten des Herstellers aktiv überwacht wurden.
Makinos IIoT-Gateway trägt den Namen Pronetconnex und basiert auf der Connected Machines Solution des US-Netzwerkriesen Cisco. Die Lösung ist voll integriert in Makinos aktuelle Maschinensteuerungen, unterstützt den neuesten MT-Connect-Standard und erlaubt die sichere Anbindung von Maschinen, Robotern, zusätzlicher Sensorik etc. an lokale Netzwerke wie auch an Cloud-basierte Ressourcen. Maschinendaten können so von überall gesammelt und analysiert werden.
Okuma präsentierte die Netbox Suite. Ebenfalls basierend auf einem Cisco-Switch, integriert sie sich in die Maschinensteuerung und bringt auch ältere Maschinen sicher ins Netz. Außerdem zeigte das Unternehmen die Frucht einer Kooperation mit GE Digital: Die Integration von deren Predix-Plattform auf Okuma-Maschinen soll Anwender in die Lage versetzen, Prozesse vorausschauend zu managen und so eine neue Ebene der Produktivität zu erreichen.
Lange vor der Industrie-4.0-Debatte hatte Mitsubishi bereits ein eigenes Automations- und Digitalisierungskonzept namens E-Factory am Start. Auf der Jimtof zeigte der Hersteller, wie die Integration von Fertigungs- und Business-IT-Landschaft auf Basis von Mitsubishi-Komponenten gelingt.
Das Unternehmen hatte aber auch smarte Lösungen auf Steuerungsebene im Gepäck. Die neue schnelle C80 CNC/CPU lässt sich mit der SPS aus der iQ-R-Serie integrieren, was die Steuerung verschiedener Werkzeugmaschinen im Nanometerbereich ermöglicht. „Ein klarer Vorteil ist die Leistungssteigerung“, erläutert Key Account Manager Frederik Gesthuysen. „Da beide Geräte über einen Hochgeschwindigkeitsbus miteinander kommunizieren, können sie gemeinsam eine gesamte Produktionslinie koordinieren und steuern – von Werkzeugmaschinen und Robotern bis hin zu HMIs und Overhead Displays.“
Künstliche Intelligenz und Machine Learning
Ein umfassendes Digitalisierungskonzept durfte auch bei Fanuc nicht fehlen. Dabei ging der Hersteller einen Schritt weiter und zeigte Konzepte, wie sich die gewonnenen Produktionsdaten durch Techniken der künstlichen Intelligenz und des Machine Learning verwerten lassen. Auf der parallel zur Messe stattfindenden IMEC-Konferenz (International Machine Tool Engineers‘ Conference) erläuterte Hiroshi Noda, Vice General Manager FA Business Division bei Fanuc, dass die Speicherung und Analyse der Fertigungsdaten nahe an den Produktionssystemen (Edge) stattfinden sollte.
Als Lösung schlägt er das FIELD-Konzept (Fanuc Intelligent Edge Link and Drive system) vor. In der Fog – einer Analogie zur Cloud, allerdings diesseits der Internet-Verbindung angesiedelt – soll ein Netz von hochleistungsfähigen Rechnersystemen entstehen, in dem die Produktionsdaten konzentriert und in Echtzeit verarbeitet werden.
Als Partner hat man Firmen wie Cisco, Rockwell und Preferred Networks mit im Boot. Mit dem Grafikprozessorspezialisten Nvidia arbeitet man daran, GPU-Beschleuniger für die Verarbeitung von Fertigungsdaten zu nutzen. Auf Basis der gewonnenen Informationen sollen etwa Roboter voneinander lernen, wie sie Aufgaben schneller und effizienter ausführen können. ■
Unsere Webinar-Empfehlung
Aktuelle Ausgabe
Titelbild mav Innovation in der spanenden Fertigung 2
Ausgabe
2.2024
LESEN
ABO
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Trends

Aktuelle Entwicklungen in der spanenden Fertigung

Alle Webinare & Webcasts

Webinare aller unserer Industrieseiten

Alle Whitepaper

Whitepaper aller unserer Industrieseiten


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de