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Ecodesign: Made in Brüssel

EU-Gesetze für energieeffiziente Werkzeugmaschinen, hilfreich oder hinderlich?
Ecodesign: Made in Brüssel

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Die EU unternahm erstmals 2005 Anstrengungen, den Energieverbrauch von Fahrzeugen und Geräten zu regeln. Sie erließ dazu die Richtlinie 2005/32/EG, die auch Energy-using Products (EuP) Richtlinie genannt wurde. Diese Richtlinie hatte zum Ziel, für eine Vielzahl von Konsumgütern den Energieverbrauch im Betriebs- und Ruhezustand zu erfassen und zu klassifizieren. Nicht alle diese Programme mündeten schließlich in eine Regulierung, bei einigen, z. B. bei Transformatoren (Ladegeräten), wurden die Bestrebungen durch die technischen Fortschritte überflüssig. Bekannt sind vor allem die Energieeffizienzklassen für Kühlschränke und Waschmaschinen sowie Fahrzeuge. Die Erfahrungen mit der EuP Direktive zeigten, dass am Ende der Untersuchungsphase nicht zwangsläufig eine Umsetzungsverordnung entstehen muss.

Im Jahre 2009 wurde diese Initiative durch die Ecodesign Richtlinie (2009/125/EC) abgelöst, in der erstmals die Werkzeugmaschinen mit eingeschlossen wurden. Die europäische Werkzeugmaschinenindustrie betrachtete die Ecodesign Initiative als eine strategische Aufgabe für eine nachhaltige Investition zur Verbesserung ihrer globalen Wettbewerbsfähigkeitsposition.
Im Gegensatz zu Massengütern wie Haushaltsgeräten, die in der Regel einen starren Betriebspunkt haben, oder Fahrzeugen, für die ein identischer Prüfzyklus definiert wurde, sind Werkzeugmaschinen sehr spezifisch in ihrer Auslegung und sehr vielfältig in der Anwendung. Aus diesem Grunde lancierte Cecimo eine Initiative zur Einführung einer Selbstregulierungsmaßnahme (SRM), um die Ziele zu einer höheren Energieeffizienz der Produktionsprozesse zu unterstützen.
Im Jahre 2015 sind mehr als 30 Produktgruppen in Bezug auf Regulierungen zur Energieeffizienz oder Ruhestromverbrauch in Kommissionen in Ausarbeitung. Die meisten von ihnen führten Vorschriften. Diese betreffen mit wenigen Ausnahmen ausschließlich Produkte in hohen Stückzahlen für den Konsumgütersektor (B2C). In der Ecodesign Richtlinie von 2009 sind nun erstmals neben den Konsumgütern auch Industriegüter aufgeführt.
Die eingehende Beschäftigung mit dem Werkzeugmaschinensektor im Rahmen der Kommissionsarbeit zeigte sehr rasch, dass die gewohnte Ecodesign Vorgehensweise (Definition eines Betriebspunkts oder eines festen Betriebszyklus) nicht zielführend war.
Charakteristik des Werkzeugmaschinensektors
Werkzeugmaschinen sind von der EU als eine Schlüsseltechnologie für den Werkplatz Europa eingestuft. Die EU unterstützt deshalb mit erheblichen Mitteln die Forschung auf diesem Sektor, wo die europäischen Anbieter eine globale technologische Führungsposition einnehmen. Man schätzt , dass über 80 % aller Innovationen in diesem Sektor aus Europa stammen. Europas Anteil an der globalen Werkzeugmaschinenproduktion beträgt über 40 %. Diese Produktionsleistung wird von 1500 Herstellern erbracht, die direkt 150 000 Mitarbeiter beschäftigen. Die agile und innovative mittelständig geprägte Struktur wird durch eine ausgebaute ebenfalls mittelständige Zulieferindustrie für Qualitätskomponenten ergänzt, welche über 500 000 Mitarbeiter hat.
Hauptkunden für europäische Werkzeugmaschinen sind der Fahrzeugsektor, die Hersteller von langlebigen Investitionsgütern, Präzisionskomponenten, konventionelle und erneuerbare Energieerzeugung, die Medizintechnik, der Schiff- und Flugzeugbau. 43 % der europäischen Produktion, die 22 Mrd. Euro im Jahr 2014 erreichte, wird in Länder außerhalb der EU exportiert.
Hoch kundenspezifische Lösungen
Im Gegensatz zu den aus Fernost stammenden Massenherstellern von einfachen Maschinen liegen die Stärken der Europäer in hoch kundenspezifischen Lösungen, die es den Kunden erlauben, unabhängig von Lohnkosten oder starren Arbeitszeitregulierungen global wettbewerbsfähig zu produzieren.
Der Energieverbrauch einer komplexen Werkzeugmaschine wird daher für den industriellen Einsatz von einer großen Vielfalt von Einflussparametern bestimmt, einen großen Raum nehmen dabei die Programmierung und die Fertigungsstrategie der Anwender ein. Teile, die auf Werkzeugmaschinen gefertigt werden, ermöglichen andererseits ebenfalls Energieeinsparungen in ihrem Endverwendungszweck. So kann im Flugzeugbau der Ersatz einer aus vielen Komponenten zusammengesetzten Aluminiumstruktur durch ein komplexes Bauteil aus Titan zu einer erheblichen Einsparung im Betrieb führen, welcher einen eventuell erhöhten Energieeinsatz bei der Fertigung mehr als wettmacht.
Werkzeugmaschinen produzieren Teile, die in einer Vielfalt von Anwendungen, auch im Konsumgütersektor, eingesetzt werden und dort zur Verbesserung der Energieeffizienz beitragen. Auch die zunehmende Komplexität der Teile, verursacht durch maximale Integration von Funktionalitäten in ein Bauteil zur Reduktion des Montageaufwands hat eine Auswirkung auf den Energieeinsatz der Werkzeugmaschine. Hinzu kommen noch erhöhte Anforderungen der Endkunden bezüglich Genauigkeit, Produktivität, Fertigungskonsistenz (Six Sigma) und Zuverlässigkeit.
Globale Wettbewerbsfähigkeit
Die Werkzeugmaschinenindustrie ist einer der weitestgehend globalisierten Märkte mit intensivem Wettbewerb der Cecimo-Mitglieder und ihren Hauptkonkurrenten in Japan, Taiwan, Korea und zunehmend in China, welche die EU-Initiative nicht unterstützen. Hier gilt es zu vermeiden, dass unilateral nicht kontrollierbare Handelsbarrieren errichtet werden. Diese sind technisch nicht zu kontrollieren und können sich mittelfristig als nachteilig für die in Präzision und Fertigungstechnologie führenden europäischen Anbieter erweisen.
Die Ecodesign Direktive kann in den Märkten außerhalb der EU nicht durchgesetzt warden. Eine spezielle Produktion für diese Märkte ist für die mittelständische europäische Industrie nicht wirtschaftlich.
Zudem muss eine EU spezifische Regulierung auch noch den strengen Anforderungen der WTO standhalten, da ultimativ die Regulierung auch auf alle importierten und in der EU in Verkehr gebrachten Werkzeugmaschinen Anwendung finden muss.
Industry Initiative
Bereits im Jahre 2009 erklärte die europäische Werkzeugmaschinenindustrie über ihren Branchenverband Cecimo die Bereitschaft, eine Selbstregulierungsmaßnahme (SRM) auszuarbeiten und einzuführen.
Cecimo ist der festen Auffassung, dass dieses SRM Vorgehen die beste Alternative zu einer starren Ecodesign-Regulierung ist. Im Gegensatz zum Konsumgütersektor sind Käufer und Verkäufer äußerst sachkundig, und damit fachlich bestens in der Lage, im nicht standardisierbaren Entscheidungsprozess die umweltpolitisch und wirtschaftliche optimale Lösung zu definieren.
Da der Sektor vor allem durch kleine und mittelständige Unternehmen geprägt ist, muss der organisatorische Aufwand für die Umsetzung einer Ecodesign-Regulierung klein gehalten werden:
Eine „one-size-fits-all“-Regulierung könnte nicht effizient genug und in einigen Fällen kontraproduktiv sein.
Die wirkliche Expertise über die Einführung und die Evaluation der Wirksamkeit von EnergieeffizienzMaßnahmen ist nur bei den Werkzeugmaschinenherstellern vorhanden.
Werkzeugmaschinen sind kapitalintensive Investitionsgüter. Produktinnovationen benötigen eine lange Zeit bis zur endgültigen Marktakzeptanz. Der Lebenszyklus einer Werkzugmaschine beträgt 10 Jahre für kleine Maschinen und bis zu 40 Jahre für Großmaschinen.
Deshalb vertritt Cecimo fest die Auffassung, dass seine Selbstregulierungsmaßnahme die beste Möglichkeit ist, die anspruchsvollen Zielsetzungen der europäischen Werkzeugmaschinenindustrie zur Verbesserung der Energieeffizienz umzusetzen. Fachleute sind am geeignetsten, um die erreichten Fortschritte zu identifizieren und zu dokumentieren. Cecimo ist der Auffassung, dass Energieeffizienz für Europa ein nachhaltiger Wettbewerbsvorteil ist.
Die Struktur der Selbstregulierung
Die vorgeschlagene Cecimo SRM-Struktur besteht aus 2 Elementen. Ein Element bildet die Selbstbeurteilung und -einschätzung der Energieeffizienz einer Werkzeugmaschine durch die Teilnehmer am SRM-Programm. Hinzu kommt als zweites Element die Sammlung und Dokumentation der energetischen Daten durch eine zentrale Stelle – nämlich SRM Administration. Das Cecimo SRM-Programm steht allen Produzenten aus dem EU-28 Markt und Importeuren offen.
Es bietet den Teilnehmern Lösungsansätze, die ihre Wettbewerbsfähigkeit und ihre unternehmerischen Freiräume nicht einschränken unter gleichzeitiger Respektierung der umweltpolitischen Zielsetzungen der EU.
Internationale Normung
Es ist Aufgabe einer internationalen Normung, zweckmäßige Standards zu definieren, die für alle Marktteilnehmer gleiche Rahmenbedingungen schaffen und bei den Endkunden Vertrauen in die nach diesen Normen hergestellten Produkte erzeugen.
Auf der Ebene ISO befasst sich das Technical Committee 39 mit der Normierung der energetischen Fragestellungen von Werkzeugmaschinen. Arbeiten an weiterführenden Normen auf ISO-Ebene sind in Gang. Obwohl der internationale (globale) Normungsprozess zügig voranschreitet, muss man davon ausgehen, dass er das Tempo der Ecodesign Direktive für Werkzeugmaschinen nicht halten kann.
Offene Punkte
Trotz allem Interesse von Cecimo zusammen mit der europäischen Werkzeugmaschinenindustrie sind einige kritische Elemente zu beachten, die außerhalb der Cecimo-Einflusssphäre liegen. Falls diese nicht bei der zukünftigen Umsetzung in nationales Recht berücksichtigt werden, könnten sich diese zu einem Hindernis für die Anstrengungen der Industrie zur Verbesserung der Energieeffizienz entwickeln:
Fehlende Akzeptanz/Anreize zum Einsatz energieeffizienterer Werkzeugmaschinen
Trittbrettfahrer, die sich der SRM nicht anschließen
Fehlende Marktüberwachungsmechanismen
Es ist daher eine breite Akzeptanz und Durchsetzung in allen 28 Staaten der europäischen Union nötig, um der Cecimo SRM zum Erfolg zu verhelfen und der europäischen Schlüsseltechnologie Werkzeugmaschinenindustrie nachhaltige globale Marktführerschaft zu sichern.

Hochtechnologie ist komplizierter als Leuchtmittel


Immer B2B-Lieferanten/Kundenbeziehung
Käufer / Verkäufer sind beide äußerst sachkundig bei der Evaluierung einer komplexen Maschineninvestition
Der Entscheidungsprozess ist nicht standardisierbar und berücksichtigt vielfältige Aspekte gemäß dem spezifischen Einsatzspektrum

SRM Struktur

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