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„Die Performance steckt im Paket“

Gerd Kußmaul, Senior Produktmanager Drehen, Walter AG
„Die Performance steckt im Paket“

Wodurch zeichnet sich die Leistung einer Wendeschneidplatte beim Drehen und Stechen hauptsächlich aus? Ist es das Hartmetallsubstrat, die Beschichtung oder die Geometrie? Gerd Kußmaul, Senior Produktmanager Drehen bei der Walter AG, sagt im Interview mit der mav: „Es kommt auf das Gesamtpaket an. Nur wenn alle Faktoren auf den Anwendungsfall zugeschnitten sind, läuft eine Wendeschneidplatte zur Höchstform auf.“

mav: Herr Kußmaul, was verlangen die Zerspanungsbetriebe heute von einer Hartmetall-Wendeschneidplatte?

Kußmaul: Wir sehen im Grunde zwei verschiedene Tendenzen. Es gibt Zerspanungsbetriebe, die hohe Stückzahlen bearbeiten und unter einem gewaltigen Kostendruck stehen, etwa im Automotive-Bereich. Bei dieser Anwendergruppe kommt es auf maximale Zerspanungsleistungen an. Demzufolge sind spezialisierte, auf die Aufgaben zugeschnittene Wendeschneidplatten gefragt. Daneben gibt es auch Zerspaner mit geringen Stückzahlen, ab Losgröße 1. Diese Gruppe bevorzugt häufig ein kleines, universell einsetzbares Sortiment an Wendeschneidplatten, das sich für viele Anwendungen eignet. Spezialisierung einerseits, Universalität andererseits, das ist der Spagat, den die Werkzeug- respektive Schneidstoffentwicklung heute berücksichtigen muss.
mav: Und wie wird dies bei Walter umgesetzt?
Kußmaul: Wir haben mit Tigertec Silver eine Technologie-Plattform entwickelt, die sich exakt auf verschiedene Anforderungen anpassen lässt. Die technologische Basis bleibt immer dieselbe. Ihre Hauptmerkmale sind eine Vorzugsorientierung des Aluminiumoxids der Beschichtung – dadurch erreichen wir eine überdurchschnittliche Verschleißfestigkeit. Eine besondere Nachbehandlung der Oberfläche sorgt anschließend für sehr gute Reibungs- und Zähigkeitswerte. Neben diesen Hauptmerkmalen sind eine Reihe von Stellschrauben entscheidend, mit denen wir die Wendeschneidplatten auf die einzelnen Anwendungsbereiche abstimmen.
mav: Und welche Stellschrauben sind das ganz konkret?
Kußmaul: Eine wichtige ist die Variation des Beschichtungsaufbaus. Ziel dabei ist es, den Wendeschneidplatten die besten Schnitteigenschaften für ihre vorgesehenen Aufgaben zu verleihen. Bei Tigertec Silver haben wir insgesamt etwa 10 Varianten mit unterschiedlichem Beschichtungsaufbau. In Verbindung mit verschiedenen optimierten Substraten sind so mehr als 90 Kombinationen möglich. Ein gutes Beispiel ist unsere neue Sorte WPP05S. Diese ist insbesondere für sehr hohe Schnittgeschwindigkeiten in der Massenfertigung geeignet. Die Beschichtung ist überdurchschnittlich dick, der Aluminiumoxid-Anteil ist um 150 Prozent höher als bei universellen Sorten. Dieser Umstand schützt das Substrat wirksam gegen die Wärmeentwicklung bei großen Spänen und hohen Schnittgeschwindigkeiten. Kolkverschleiß und plastische Deformationen reduzieren sich. Bei unseren Gusssorten ist das ähnlich, WKK10S hat eine dickere Aluminiumoxid-Schicht als WKK20S, auch hier gibt es Unterschiede beim Substrat. Das sind Dinge, die der Kunde nicht sieht. Er bezieht Tigertec Silver – das hört sich nach einem einheitlichen Produkt an. Dennoch kann er sich jederzeit sicher sein, dass er einen für seinen speziellen Einsatzfall optimierten Schneidstoff erhält. Und das mit der am besten funktionierenden Kombination aus Substrat, Beschichtung und Nachbehandlung.
Eine weitere wichtige Stellschraube ist die Geometrie, sowohl die Makro- als auch die Mikro-Geometrie. Die Schneidstoffentwicklung geht stets mit einer Geometrie-Entwicklung einher. Das ist schon deshalb wichtig, weil wir heute keine „Regel-Geometrien“ mehr haben, sondern 3D-Freiformflächen. Hinzu kommt: Andere Trends wie die Innenkühlung der Werkzeuge wirken sich zunehmend auch auf die Wendeschneidplatten-Entwicklung aus. Die Geometrien werden beispielsweise angepasst, damit der Kühlmittelstrahl die Schneide gezielt trifft. Beim Stechen haben wir das schon realisiert. Ähnliche Lösungen wird es über kurz oder lang auch beim ISO-Drehen geben. In der Summe kann man sagen, die Performance einer Wendeschneidplatte ist immer eine Kombination aus Substrat, Beschichtung und Geometrie. Alle Features müssen optimal miteinander harmonieren, um die besten Ergebnisse zu erzielen. Daran arbeiten wir ständig.
mav: Wie sieht denn nun die Schneidstoffsorten-Übersicht konkret aus: Welche Anwendungen werden bereits abgedeckt, welche sind noch zu erwarten?
Kußmaul: Wir decken die Stahl- und Gussbearbeitung komplett ab. Für Stahl gibt es die Sorten WPP10S, WPP20S, WPP30S und neu WPP05S für sehr hohe Schnittdaten. Für Guss stehen die Sorten WKK10S und WKK20S zur Verfügung. Für ISO-M-Werkstoffe die universelle WMP20S. Diese kann aber auch für Stahl verwendet werden. Alle verfügen über eine CVD-Beschichtung. Noch in diesem Jahr kommen mit WSM10S, WSM20S und WSM30S Sorten für das ISO-Drehen mit PVD-Al2O3-Beschichtung auf den Markt. Diese basieren auf einer weiteren besonderen Technologie aus unserer Entwicklungsabteilung. Wir sind Vorreiter bei der Abscheidung von Aluminiumoxid nach dem PVD-Verfahren. Wir bringen damit die PVD-Beschichtungstechnologie mit der Tigertec Silver-Technologie zusammen.
mav: Wo liegen die Einsatzbereiche der PVD-Variante?
Kussmaul: Wir haben PVD-Sorten ja bereits für das Stechen auf den Markt gebracht. Das ist eine Anwendung, bei der es auf Zähigkeit ankommt. Ähnliche Anforderungen gibt es auch beim ISO-Drehen. Analog dazu zielen die PVD-Schneidstoffe für das Drehen vor allem auf die ISO-S- und ISO-M-Zerspanung, auf schwierige Bearbeitungsbedingungen mit labilen, dünnwandigen Bauteilen oder unterbrochenen Schnitten. Da wir bei den typischen Werkstoffen wie Inconel, hochwarmfesten Nickel- und Cobalt-Basislegierungen extreme Temperaturentwicklungen an den Schneiden haben, zahlen sich die Vorteile unserer Technologie hier aus. Aufgrund niedriger Prozesstemperaturen bei der Herstellung erreichen wir sehr gute Zähigkeiten. Dank des Aluminiumoxids aber auch sehr gute Werte für die Warmverschleißfestigkeit. Im Prinzip profitieren alle Tigertec Silver-Schneidstoffe von einer sehr guten Kombination aus Verschleißfestigkeit und Zähigkeit – die Quintessenz der Technologie. Doch bei den PVD-Sorten steht die Zähigkeit noch mehr im Vordergrund. Der Praxisvorteil sind Standzeiten, die bei Werkstoffen wie Inconel oder austenitischen Stählen im Vergleich um bis zu Faktor 2 höher liegen als bei anderen PVD-Hartmetallschneidstoffen ohne Aluminiumoxid.
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