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Die Hydraulik bekommt Konkurrenz

Elektromechanische Spannelemente verlassen ihre Nische
Die Hydraulik bekommt Konkurrenz

Geht es um die Werkstück- oder Werkzeugspannung, sind hydraulische Systeme die unangefochtenen Platzhirsche – noch. Denn neben den klassischen Faktoren wie Baugröße, Kosten und Leistungsvermögen rücken Aspekte wie Energieeffizienz, Lebenszykluskosten und Ansteuerbarkeit immer mehr in den Fokus der Anwender. Genau hier können die elektromechanischen Spannsysteme ihre Vorteile ausspielen und werden so zu einer ernst zu nehmenden Konkurrenz.

„Durch steigende Energiekosten und klare politische Bestimmungen für den CO2-Ausstoß gewinnt die Energieeffizienz von Werkzeugmaschinen mehr und mehr an Bedeutung für Hersteller und Betreiber. Um die Energieeffizienz steigern zu können, müssen sich Industrieunternehmen zunächst intensiv mit dem Energieverbrauch ihrer Produktionsprozesse beschäftigen“, erklärt Lucas Wintjes, Leiter Vertrieb und Branchenmanagement Fabrikautomation der Bosch Rexroth AG.

Die Bosch Rexroth AG, Komplettanbieter von Elektrik, Hydraulik, Mechanik und Pneumatik, verfolgt den Weg, über Software-Tools alle Wechselwirkungen zu erfassen. Im Anschluss kann der Anwender mit der Systematik 4EE (for Energy Efficiency) die Energieeffizienz über den gesamten Lebenszyklus deutlich steigern.
Andere Ansätze zielen darauf ab, die energiefressende Hydraulik der Werkzeugmaschine komplett abzuschaffen und vollständig auf die effizienteren elektromechanischen Systeme zu setzen. In diesem Zug werden die Elektro-Spanner eine unverzichtbare Komponente werden.
Die Hydraulik hat einen klaren Nachteil: Die Pumpe
Aber wer sind die großen Energieverbraucher und Kostentreiber in den Hydraulikanlagen? Ganz klar an Nummer 1 steht hier die Pumpe. Der Druck innerhalb der verschiedenen Hydraulikanlagen kann zwar stark variieren: Niederdruck 30 bis 50 bar, Mitteldruck bis 250 bar und Hochdruck bis 500 oder 1000 bar; permanent bereitgestellt werden muss er aber auf jeden Fall. Um die Verluste innerhalb der Anlage zu kompensieren, muss die Pumpe durchgehend in Betrieb gehalten werden und dies egal ob die angesteuerten Komponenten Arbeit verrichten oder nicht.
Die ölhaltige Hydraulikflüssigkeit muss zudem aufwändig gereinigt werden, dies treibt die Betriebskosten noch weiter nach oben. Zudem besteht permanent die Gefahr von Leckagen, die neben den kostspieligen Stillstandzeiten auch eine regelmäßige Maschinenreinigung notwendig machen. In den meisten Betrieben geht zudem immer mehr Fachwissen rund um die Hydraulik verloren. So können die Anlagen zum Teil nicht mehr richtig gewartet werden, und im Störungsfall ist eine schnelle Ursachenanalyse meist nicht mehr möglich.
Hydraulikfreie Maschinen für energieeffizientere Strategien
Das Thema Energieeffizienz rückt auch bei den Maschinenanwendern mehr und mehr in den Vordergrund. So werden zunehmend energiesparsamere Maschinen geordert. Dies geschieht auch im Zuge der Diskussion um eine ressourcenschonendere Produktion wie etwa im Automobilbau, da hier konsequenterweise auch effizientere Fertigungsstrategien benötigt werden. Hier kann die hydraulikfreie Maschine eine zentrale Rolle einnehmen. Denn bis zu zwölf Prozent des gesamten Energiebedarfs einer Maschine entfallen allein auf die Hydraulik. Die Verwendung elektromechanischer Aktuatoren senkt hier demnach den Energieverbrauch nachhaltig.
Verschiedenste Werkzeugmaschinenhersteller haben bereits auf diesen Trend reagiert und hydraulikfreie Konzepte vorgestellt. Der Göppinger Werkzeugmaschinenhersteller MAG etwa präsentierte bereits im letzten Jahr mit der Specht 600 E ein durchgängiges elektromechanisches Bearbeitungszentrum. Im Gegensatz zur Hydraulik, die quasi dauerhaft im Betrieb ist und Energie verbraucht, fließt beim E-Specht immer nur dann Strom, wenn die Aktuatoren betätigt werden. Das hieraus resultierende Energieeinsparpotenzial im Vergleich zu einem herkömmlichen Bearbeitungszentrum liegt bei gut 50 Prozent.
Eine ebenfalls hydraulikfreie Maschine hat der Werkzeugmaschinenhersteller J.G. Weisser Söhne aus St. Georgen im Schwarzwald im Portfolio. Die Vertor C-1 E-Maschine ist eine kompakte und modular aufgebaute, einspindlige Vertikal-Drehmaschine. Sie setzt ebenfalls konsequent auf elektrische Antriebe.
Ein weiteres Beispiel ist das als Weltneuheit auf der AMB 2010 präsentierte, komplett hydraulikfreie Bearbeitungszentrum G350 der Grob Werke. Sämtliche Achsen und Antriebe für Werkzeug- und Werkstückspannungen erfolgen durch Servomotoren mit Hochgenauigkeitsgetrieben.
Den Energieverbrauch von vier Haushalten sparen
Elektromechanische Spannelemente bieten weitergehend auch Vorteile, die hydraulische Komponenten nicht liefern können. „Hinter den elektrischen Spannmitteln verbirgt sich ein enormes Energieeinsparpotenzial. So lassen sich mit einem einzigen Elektrospannzylinder zum Beispiel pro Maschine bis zu 13 800 Kilowattstunden pro Jahr einsparen. Das entspricht dem Stromverbrauch von vier Kleinfamilienhaushalten“, sagt Mario Baur, Marketingleiter der Röhm GmbH.
„Den größten Nutzen für die Anwender sehe ich aber in den Möglichkeiten, die ein elektrisches Spannsystem im Vergleich zu hydraulischen bietet: So lassen sich Kräfte und Hübe über die Maschinensteuerung in sekundenschnelle an das zu bearbeitende Werkstück anpassen. Sogar während der Bearbeitung können Kräfte verändert werden. So spart man nicht nur wertvolle Zeit, sondern verbessert zusätzlich noch das Bearbeitungsergebnis. Generell bleibt zu sagen, dass es sich mit den elektrischen Spannmitteln ähnlich verhalten wird wie mit dem Elektroauto: Die Bedeutung wird mit steigenden Energiekosten stark zunehmen, die klassischen Spannmittel werden jedoch nicht schlagartig verschwinden. Deshalb ist es wichtig, die neuen Technologien voranzutreiben und parallel dazu die bestehenden weiter zu optimieren“, ergänzt Baur.
Der größte Vorteil elektromechanischer Spannelemente und auch der weiteren elektrisch angetriebenen Komponenten ist erst einmal, dass man auf die gesamte energieintensive Hydrauliktechnik verzichten kann.
In den Ruhezeiten völlig energieneutral
Zudem gibt es aber auch Argumente, die grundsätzlich für elektrisch angetriebene Maschinenkomponenten, in diesem Fall Spannelemente, sprechen. Um weiterhin in der Sparte Ressourcenschonung und Energieeffizienz zu bleiben, ist zu erwähnen, dass die Elektrospanner nur bei der Spannkraftverstellung Energie benötigen. In den Ruhezeiten verhalten die Spanner sich somit energieneutral. Die Spannkraft kann bei den elektromechanischen Varianten zudem viel sensibler eingestellt und auch noch während des Prozesses nachgestellt werden. Dies kommt insbesondere bei filigranen Bauteilen zum Tragen und eben auch, wenn sich die Bearbeitungsart verändert. So etwa wenn nach dem Schlichten noch geschruppt wird. Auch wird eine Spannkraft-Überwachung und eine Fehlerspeicherung erleichtert beziehungsweise erst ermöglicht.
Bei den Investitionskosten schlägt die Technologie allerdings noch mit den etwa doppelten Kosten im Vergleich zu hydraulischen Systemen zu Buche. Wobei mit einer raschen Amortisierung aufgrund des niedrigeren Energieverbrauchs zu rechnen ist. Auch sind die zum Teil größeren Baugruppen in der Entwicklung zu beachten.
90 Prozent der Energiekosten können eingespart werden
Konkret gibt es auf dem Markt schon zahlreiche erfolgreiche Produkte. Wie etwa den energieeffizienten Elektro-Spanner von Hainbuch. „Durch Einsparung von über 90 Prozent der Energiekosten zu einem hydraulischen System, amortisiert sich der Hainbuch Elektro-Spanner in weniger als zwei Jahren“, sagt Stefan Nitsche, Produktmanager bei Hainbuch. Der Spanner hat bereits erste Verbesserungen erfahren. So wurde eine Spannkraftmesssensorik integriert. Hierbei nehmen Federpakete die vom Verstellmotor eingeleitete Spannkraft in Zug- oder Druckrichtung auf und führen die resultierende Federwegänderung über ein Wegmesssystem in die Steuerung. Die Spannkraft wird fortlaufend parallel zur Hubposition gemessen und miteinander auf Veränderungen verglichen. Jede geringe Veränderung, wie etwa Fliehkräfte der Spannbacken, wird erkannt und durch den Regelprozess ausgeglichen.
Zur AMB 2012 präsentierte Röhm den Elektro-Hohlspanner EHS 67/68. Als großer Bruder des bewährten EHS 37/50 hat er nicht nur 30 mm mehr Durchgang, sondern ist mit 68 kN Zug-/Druckkraft auch deutlich stärker. Die Elektro-Spanner sind dabei echte Energiesparer: 13 800 kWh pro Jahr lassen sich im 3-Schicht-Betrieb einsparen, im Vergleich zu hydraulischen Systemen.
Aber nicht nur Energie, sondern auch Maschinenzeit lässt sich mit den Elektro-Spannern einsparen. Hub und Kraft des E-Spanners können über die Maschinensteuerung innerhalb von Sekunden optimal an das Werkstück angepasst werden. So reduzieren sich die Werkstückwechselzeiten auf ein Minimum. Wertvolle Sekunden addieren sich im Laufe eines Jahres zu mehreren Tagen. Auch bei der Wartung wird kräftig gespart. Die Steuerung des E-Spanners erkennt die Notwendigkeit zur Wartung vorbeugend und vermeidet somit teure Ausfallzeiten.
Neben den Einsparpotenzialen bietet der E-Spanner noch weitere Vorteile: Durch die sensible Regelung der Zug-/Druckkraft können auch empfindliche Werkstücke präzise bearbeitet werden. Da auch während der Rotation eine Kraftänderung möglich ist, kann beispielsweise für den Schlichtvorgang die Kraft reduziert werden, um Verformungen zu vermeiden. Zudem sind die thermischen Einflüsse auf die Spindel deutlich geringer als bei den hydraulischen Komponenten. Die Elektro-Voll- und Hohlspanner sind Bestandteil des Programms E-Quipment.
Gleiche Ausstattungsmerkmale wie bei der Hydraulik
Ohne Öl kommen auch die Elektro-Spannelemente der Laubacher Roemheld GmbH aus. Die ETEC-Produktreihe besteht aus Keilspannern, Schwenkspannern, Nullpunktspannsystemen, Maschinenschraubstöcken, Blockzylindern und Abstützelementen. Alle Systeme basieren auf gemeinsamen Grundmodulen und sind mit moderner Getriebemotorentechnologie ausgestattet. Sie verfügen über die gleichen Ausstattungsmerkmale wie ihre hydraulischen Geschwister – beispielsweise Positionskontrolle und Abfragemöglichkeiten für Spannkraft und Werkstückerkennung – und sind ebenso einfach in vorhandene Maschinen und Steuerungen integrierbar.
Darüber hinaus sind sie besonders leise und ohne Energiezufuhr eigensicher, so dass sie die Haltekraft auch nach einer Trennung vom Stromnetz unvermindert aufrechterhalten. Sie sind für den Einsatz an hydraulikfreien Maschinen und Arbeitsplätzen sowie unter Reinraumbedingungen gedacht. (fr)
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