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60 Millionen Euro in die Zukunft investiert

Maschinen- und Anlagenbauer organisiert seine Großteile-Fertigung komplett neu
60 Millionen Euro in die Zukunft investiert

Die Reduzierung der Herstellkosten und Durchlaufzeiten sowie eine flexiblere Fertigung standen im Mittelpunkt der Modernisierungsoffensive 2020, mit der die SMS Group ihr Werk in Mönchengladbach fit für die Zukunft machte. Über einen Zeitraum von drei Jahren hat der Maschinen- und Anlagenbauer 15 Werkzeugmaschinen bei laufendem Betrieb ausgetauscht und die mechanische Fertigung nicht nur technologisch, sondern auch organisatorisch und prozesstechnisch neu aufgestellt.

Die 120 Meter lange, helle Fertigungsanlage ist der Blickfang in dem modernisierten Mönchengladbacher Werk der SMS Group. Das imposante Hochregallager sticht besonders hervor, es versorgt vier dahinter stehende Bearbeitungszentren vollautomatisch mit vorgespannten Werkstücken. Seit gut einem Jahr werden hier selbst größte Bauteile komplett bearbeitet. Das heißt: Die Bauteile verlassen das Hochregal erst, wenn sie fertig bearbeitet sind. Das Materiallager besitzt 35 Maschinen-Palettenplätze. Auf ihnen werden die Werkstücke zwischengelagert, bevor sie später automatisch den im Produktionsplan festgelegten Maschinen zugeführt werden. Insgesamt können in dem Hochregallager 120 Werkstücke mit einem Einzelgewicht von bis zu sieben Tonnen eingelagert werden.

Um einen reibungslosen Fertigungsablauf zu gewährleisten, spannen Mitarbeiter in Rüststationen, die zwischen den Bearbeitungszentren angeordnet sind, das angelieferte Rohmaterial auf Maschinenpaletten. Die jeweiligen Abläufe werden im Leitrechner dokumentiert. „Der Computer weiß dann: Das Material ist vorrätig, es ist aufgespannt, kann eingelagert und bearbeitet werden“, beschreibt Judith Schmitt, Leiterin Mechanische Fertigung, den Prozess.
Bevor die Anlage die aufgespannten Werkstücke zur Bearbeitung an die Maschinen transportiert, überprüft der Leitrechner, ob auch alle für den Bearbeitungsauftrag benötigten Werkzeuge vorhanden sind. Weil die Bearbeitungszentren (BAZ) sehr viel verschiedene Bearbeitungsvorgänge erledigen müssen, müssen die Werkzeuge allerdings oft gewechselt werden. „Jede Maschine hat ein Magazin mit bis zu 120 Werkzeugen. Aber diese reichen in der Regel nicht, so dass zwischendurch immer wieder fehlende Werkzeuge gegen nicht mehr benötigte ausgetauscht werden müssen“, sagt die Fertigungsleiterin. Die Werkzeugversorgung, die durch den Leitrechner gesteuert wird, läuft dabei Hauptzeitparallel: Ein Greifer nimmt das nicht mehr benötigte Werkzeug heraus und übergibt es an einen Shuttle, der dieses dann oberhalb der Bearbeitungslinie zur Werkzeugvoreinstellung transportiert und das neue Werkzeug mitbringt.
Ziel ist eine Komplettbearbeitung
Diese „BAZ-Linie“ ist ein wesentlicher Teil des Werkstattkonzepts 2020. Im Jahr 2010 gab die SMS-Geschäftsführung den Startschuss für die bislang größte Modernisierung in der Mönchengladbacher Firmengeschichte. Ziel des Projekts ist eine deutliche Steigerung der Eigenfertigung, eine höhere Produktivität, kürzere Durchlaufzeiten sowie eine deutlich verbesserte Fertigungsqualität. „Die Vision lautete, ein Werkstück in höchster Präzision auf einer Maschine komplett zu bearbeitet“, sagt Alexander Goebels, der als Leiter der Produktionsplanung zusammen mit seinen Kollegen das Projekt vorangetrieben hat. Optimierte Prozesse bei der Herstellung von unterschiedlichen Maschinenbauteilen einschließlich der Beschaffung, Fertigung und Montage sollen die Effizienz der Eigenproduktion deutlich steigern, so lautete die Vorgabe der Geschäftsleitung. „Basis für die Umsetzung des Modernisierungsprozesses waren die eigenen hohen Prüf- und Qualitätsstandards“, so Goebels. Im ersten Quartal 2015 wurde das Projekt abgeschlossen.
Für das Projekt hat die SMS Group 60 Millionen Euro bereitgestellt, davon flossen 36,5 Millionen Euro in die Modernisierung der Werkzeugmaschinen sowie Einbindung des Werks in das Organisations- und Automatisierungskonzept des Anlagenbauers, das dem Leitgedanken von Industrie 4.0 folgt. Entstanden ist ein leistungsfähiger Maschinenpark mit modernen CNC-Bearbeitungszentren sowie aktuellen 3D-CAM-Systemen, die für den schnellen CAD-Datenaustausch alle gängigen Formate verarbeiten können. Neben der Errichtung einer neuen Montagehalle mit einer Fläche von 4000 Quadratmeter und 180 Tonnen Krankapazität wurden 15 neue Werkzeugmaschinen im Bereich der bisherigen mechanischen Werkstatt installiert.
Dazu gehören neben der leitrechnergesteuerten BAZ-Bearbeitungsstraße eine Bohrwerkstraße für die Bearbeitung von kubischen Werkstücken mit bis 120 Tonnen Stückgewicht und Fünf-Achs-Dreh-/Fräszentren mit maximal möglichen Bearbeitungskapazitäten von bis zu 60 Tonnen Werkstückgewicht und 20 Meter Werkstücklänge. Der Maschinenpark ist mit nun über 30 Werkzeugmaschinen für die Bearbeitung von Bauteilen mit Gewichten von 100 Kilogramm bis 200 Tonnen ausgestattet.
Optimierte Produktionsabläufe
„Unter Modernisierung der Fertigung verstehen wir bei SMS mehr als nur die Errichtung neuer Gebäude und Hallen“, sagt Goebels. „Wer Hightech-Anlagen konstruiert und baut, muss ständig seine eigenen Produktionsabläufe analysieren und optimieren“, unterstreicht der Leiter der Produktionsplanung. Deshalb habe man sich die Prozesse angeschaut und diese konsequent effizienter gestaltet. Für die Planung der neuen Fertigung wurden 1500 Teile identifiziert, deren Wertschöpfung analysiert und nach modernsten Technologieaspekten modifiziert. Das Fertigungsspektrum der Werkstatt besteht heute vor allem aus Einzelteilen und Kleinserien bis zur Losgröße 10. Darunter befinden sich rotationssymmetrische Bauteile mit hohem Komplexitätsgrad sowie Bauteile mit winkligen und konisch zulaufenden Flächen sowie mit Bohrungen außen und innen. Diese Bauteile müssen mit Form- und Lagetoleranzen von wenigen hundertstel Millimeter gefertigt werden.
Die Maschinen wurden während des laufenden Betriebs ausgetauscht. „Das erforderte eine enge Abstimmung zwischen den Abteilungen des Unternehmens und den an der Modernisierung beteiligten Firmen“, erinnert sich Schmitt. Für die Mitarbeiter seien vor allem die Lärmbelastung – beim Abbau der alten Maschinen und beim Stemmen der Fundamente – sowie der Schmutz eine große Herausforderung gewesen. Von Anfang an sei aber klar gewesen, dass die Modernisierung der Maschinen nicht zu einem Abbau von Arbeitsplätzen führen würde. Trotzdem habe es Ängste gegeben. „Neue Steuerungen und ein neues Fertigungskonzept haben schon zu einer Verunsicherung geführt“, so die Fertigungsleiterin.
Mitarbeiter auf die Veränderungen vorbereitet
Das Drehen und Fräsen in einer Aufspannung erforderte ein grundlegendes Umdenken bei den Mitarbeitern. „Früher haben wir entweder gedreht oder gefräst. Sowohl die NC-Programmierer als auch die Maschinenbediener mussten sich komplett umgewöhnen“, sagt Schmitt. Die Programmierer mussten plötzlich Fräsoperationen mit einplanen und wissen, welche Werkzeuge dazu verwendet werden. „Anfangs haben wir Teams aus Fräsern und Drehern gebildet, damit sie voneinander lernen. Um den Lernprozess zu beschleunigen, haben wir dann jedoch sehr schnell ein Konzept für eine Qualifizierung und die Zusammenarbeit aller Mitarbeiter in der Fertigung entwickelt“, beschreibt Schmitt die Herausforderung. Das Vorgehen habe sich dann bewährt. Um die Mitarbeiter auf die Veränderungen in den Fertigungsabläufen vorzubereiten, hat das Unternehmen jeweils ein Team mit vier Leuten gebildet. Einer aus jeder Gruppe sei mit zur Abnahme der Maschinen gefahren – als Multiplikator – und habe die Kollegen anschließend auf die Neuerungen einstimmen können. An den Schulungen beim Hersteller und im Unternehmen haben später alle aus dem Team teilgenommen, so dass die Inbetriebnahme der Maschine relativ reibungslos erfolgte. „Die meisten Maschinen waren nach drei Monaten voll im Betrieb“, sagt Schmitt.
Maschinen müssen ausgelastet werden
Der Produktionsprozess wurde zudem bezüglich der Maschinenauslastung optimiert: „Ähnliche Maschinen stehen möglichst zusammen“, sagt die Leiterin Mechanische Fertigung. Das konnte jedoch nicht immer realisiert werden, da die neue Fertigung in den bestehenden Hallen untergebracht werden musste. Bei der Planung stand eine möglichst hohe Flexibilität der Fertigung und eine Reduzierung der Durchlaufzeiten im Vordergrund. Da wir für verschiedene Unternehmensbereiche fertigen, müssen heute Teile für eine Strangpresse bearbeitet werden und morgen für ein Rohrpresswerk oder eine Gesenkschmiedeanlage, hinzu kommen Reparaturbauteile oder Ersatzteile, die immer wieder zwischengeschoben werden müssen.
Die Produktion wird standortübergreifend für beide Fertigungsstätten in Mönchengladbach und Hilchenbach zusammen geplant. Die Stückliste kommt aus dem SAP-System. Dort werden auch die Arbeitspläne erstellt und die Fertigungsaufträge. Wir haben dieses mit unserem Fertigungsplanungstool verknüpft. „Jedes Werk hat zwar seine Fertigungskompetenz. Im Tagesgeschäft steht aber die Auslastung der Maschinen im Vordergrund“, erläutert Schmitt. Der Fertigungsplaner sieht im System, wo noch Kapazitäten frei sind und kann Fertigungsaufträge auch auf ein anderes Werk verteilen, um Zeit zu sparen. Diese Flexibilität ermöglicht es dem Unternehmen nun auch, zusätzlich Aufträge von Fremdfirmen anzunehmen.
Gut ein halbes Jahr nach Abschluss des Werkstattkonzepts 2020 zeigen sich die ersten Ergebnisse, die durch die Einrichtung der Fertigungsinseln und die Komplettbearbeitung erzielt werden: Die Durchlaufzeiten bei der Bearbeitung der Komponenten sind um bis zu 30 Prozent geringer, Arbeitsabläufe besser synchronisiert und die Transport- und Liegezeiten deutlich kürzer. „Mit der Komplettbearbeitung haben wir nicht nur das mehrfache Springen von Maschine zu Maschine reduziert, sondern gleichzeitig auch den hohen Aufwand minimiert, der bei der vorherigen Fertigungsweise notwendig war, um den Fertigungsprozess qualitätssicher zu gestalten“, sagt Fertigungsleiterin Judith Schmitt.
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