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„Chinesische Firmen streben langfristige Kooperationen an“

Qin Ke, General Secretary, CDMIA (China Die & Mould Industry Association)
„Chinesische Firmen streben langfristige Kooperationen an“

„Chinesische Firmen streben langfristige Kooperationen an“
Qin Ke, General Secretary, CDMIA: „Chinesische Unternehmen streben zumeist nach langfristigen Kooperationen. Diese sind nur möglich, wenn die Absichten beider Seiten klar sind und zusammenpassen.“ Bild: CDMIA
In den vergangenen drei Jahrzehnten hat sich die chinesische Industrie nicht nur zu einem der größten Hersteller, sondern auch zu einem der größten Abnehmer von Werkzeugen und Formen entwickelt. Wohin die technologische Entwicklung geht und welche Marktpotenziale sich für deutsche Unternehmen eröffnen, erläutert die Generalsekretärin des chinesischen Formenbauer-Verbandes CDMIA, Qin Ke.

Das Interview führte: Dr. Frank-Michael Kieß

mav: Im Rahmen der Initiative „Made in China 2025“ hat das Land diverse Schlüsselprojekte für die Fertigungsindustrie definiert. Welche Direktiven lassen sich für den Werkzeug- und Formenbau ableiten?

Qin: Der Werkzeug- und Formenbau spielt insbesondere im Rahmen der Stärkung des Industrial Engineering eine zentrale Rolle. Beispiele, wie sich „Made in China 2025“ in konkreten Projekten und Vorhaben niederschlägt, sind: hochpräzise Folgeverbundwerkzeuge für Großserien im Automobilbau und der Elektronikindustrie, einstufiges Formen mit Druckgießformen aus Aluminium-Magnesium-Legierungen unter anderem für Autotüren, Stoßdämpferbrücken und andere Strukturbauteile oder Squeeze Casting Formen für Strukturbauteile wie Spurstangenhebel und Achsschenkel. Durch diese hier nur in Auszügen genannte Arbeit im Zusammenhang mit „Made in China 2025“ gewinnt auch der Werkzeug- und Formenbau an Effizienz, Präzision und Komplexität.

Wie entwickelt sich der chinesische Werkzeug- und Formenbaumarkt?

Qin: In den vergangenen 30 Jahren hat sich China nicht nur zu einem der größten Hersteller, sondern auch zu einem der größten Abnehmer von Werkzeugen und Formen entwickelt. Inzwischen sind wir in der Lage, alle Typen von Werkzeugen und Formen auch selbst herzustellen. Chinas Formenverbrauch hatte zuletzt ein Volumen von 230 Milliarden RMB (36,3 Milliarden US-Dollar). In China hergestellte Werkzeuge und Formen erfüllen die Grundbedürfnisse der heimischen Fertigungsindustrie. Darüber hinaus ist China ein internationaler Zulieferer geworden. Zollstatistiken zufolge, betrug 2017 das Gesamtvolumen chinesischer Exporte von Werkzeugen und Formen 5,248 Milliarden US-Dollar, 10,96 Prozent mehr als im Vorjahr. Importe lagen bei 2,046 Milliarden US-Dollar und sind im Vorjahresvergleich um 17,6 Prozent gesunken. Im Hinblick auf die reine Größe, steht der chinesische Markt an Position 1 im internationalen Vergleich und ist eine kostenattraktive Quelle für internationale Einkäufer.

Welche Trends beobachten Sie?

Qin: Wir sehen einen anhaltenden Trend in der Industrie hin zu Großserien, hoher Präzision, Leistung und Effizienz im Formenbau sowie zur Integration. Ein beträchtlicher Teil der Werkzeug- und Formenbauer in China ist bereits über das Fertigen nach Zeichnung hinausgewachsen und dabei, sich stärker in die Auslegung und Konstruktion sowie die Teilefertigung selbst bei seinen Abnehmern zu integrieren. Dieser Trend wird sich fortsetzen und in größerer Breite durchsetzen.

Was sind die Treiber dieser Entwicklung?

Qin: Großen Einfluss hat die dramatische Veränderung des Produktionsmodells, von Discrete Manufacturing hin zur Zentralisierung, von kundenspezifischer Fertigung zur Großserie mit deutlicher Teileorientierung und Standardisierung. Verfeinerung, Automation, Informationstechnologie, Integration, Vernetzung und intelligente Fertigung beschleunigen die Verbesserung der Qualität sowie die Steigerung der Effizienz und bringen das gewünschte Upgrade auf technologischer Seite mit sich. Wachsende Bedeutung haben auch die Entwicklungen in der additiven Fertigung und in der Lasertechnologie

Wie bewerten Sie die Chancen deutscher Werkzeug- und Formenbauer auf dem chinesischen Markt?

Qin: Über die vergangenen 10 Jahren schwanken die jährlichen Importe von Werkzeugen und Formen um die 2 bis 2,5 Milliarden US-Dollar. Die Importe entsprechen inzwischen weniger als 10 Prozent des Formenverbrauchs in China. Wenn wir uns die Werte im Speziellen für den Handel mit Deutschland anschauen, war 2015 das Jahr mit dem deutlich höchsten Importvolumen. Seitdem sind die Werte wieder auf vorherige Größenordnung gefallen und haben sich in 2016 und 2017 stabilisiert, auf zuletzt 285 Millionen US-Dollar (siehe Grafik Seite 29).

Welche Produkte sind gefragt?

Qin: Es werden zumeist hochpräzise und hocheffiziente Werkzeuge und Formen aus Deutschland importiert, mit deutlichem Schwerpunkt auf Stanzformen für automatisierte Linien im Automobilbau, Druckgussformen und Präzisionsformen für die Elektronikindustrie. Importe gehen vor allem in die Regionen Jiangsu, Zhejiang und Schanghai. Die Nachfrage war über die letzten zwei Jahre stabil. Die Region ist und bleibt ein Powerhouse für den internationalen Handel mit Werkzeugen und Formen – auch ein Grund dafür, weshalb das Jahrestreffen unseres Verbandes und die damit einhergehende Fachmesse DMC in Schanghai stattfinden.

Sollten deutsche Formenbauer Produktionsstätten in China etablieren? Worauf sollten Sie dabei achten?

Qin: Deutsche Werkzeuge und Formen genießen einen ausgezeichneten Ruf weltweit, insbesondere für ihre Zuverlässigkeit. Deshalb sind deutsche Produkte oft die erste Wahl chinesischer Einkäufer. Das ändert nichts daran, dass Kosteneffizienz das bestimmende Prinzip für viele chinesische Unternehmen ist. Vor diesem Hintergrund ist es sehr wichtig für deutsche Werkzeug- und Formenbauer, sich auf verschiedenen Ebenen aktiv auf dem chinesischen Markt zu etablieren. Wo es um High-End-Werkzeuge und Formen geht, kann man einzelne Formen exportieren, zielt man jedoch auf wettbewerbsintensivere, aufgrund ihrer Größe jedoch höchst attraktive Marktsegmente, empfiehlt es sich, Partnerschaften in China aufzubauen – zum Beispiel Konstruktion in Deutschland, Fertigung in China. Mit zunehmenden Marktanteilen wird auch die Ansiedlung von Produktionsanlagen sinnvoll. Warum es wichtig ist, nicht beim Status Quo zu bleiben, zeigt die globale Einkaufsstrategie von Werkzeugen und Formen für die Automobilindustrie. So führt Bosch eine jährliche Evaluation
der wettbewerbsintensiven Marktsegmente in den führenden Herstellerländern des Werkzeug- und Formenbaus durch. Die Karten werden also potenziell neu gemischt.

Welche Empfehlungen können Sie geben?

Qin: Deutschen Werkzeug- und Formenbauern, die Interesse an einem aktiven Engagement im chinesischen Markt haben, empfehlen wir, bei der Partnersuche möglichst unvoreingenommen und sensibel aufzunehmen, was die chinesischen Unternehmen wollen und was sie bereit sind zu geben. Chinesische Unternehmen streben zumeist nach langfristigen Kooperationen. Diese sind nur möglich, wenn die Absichten beider Seiten klar sind und zusammenpassen.

Wie bewerten Sie das technologische Niveau der Werkzeug- und Formenbau-Branche in China aktuell, und im Vergleich zu Deutschland?

Qin: Das Output des chinesischen Werkzeug- und Forenbaus entspricht ungefähr einem Drittel des globalen Gesamtoutputs der Industrie, technologisch gibt es jedoch noch eine deutliche Lücke im Vergleich zum Stand der Industrie in Deutschland. Die größten Probleme liegen in unausgereiften Konstruktionen und Fertigungsprozessen, der niedrigen Auslastung der Anlagen, langen Produktionszeiten, schwacher Kontrolle des Projektmanagements und der Integration, um nur einige Themen zu nennen. Einige führende chinesische Werkzeug- und Formenbauer haben bereits die Fähigkeit im Wettbewerb mit internationalen Formenbauern zu bestehen. Deutsche Formen und Werkzeuge stehen hingegen am hochwertigen Ende der Wertschöpfungskette, und das spiegelt sich in den Importzahlen wider.

Sind chinesische Anbieter für deutsche Kunden interessant?

Qin: Wir sehen eine deutliche Komplementarität zwischen China und den wichtigsten formenbauenden Nationen. Dies drückt sich insbesondere im Kostendruck für Halbzeuge und Formteile aus. Die Kosten für deren Herstellung sind in den meisten entwickelten Industrienationen für die Kunden nicht akzeptabel. Kosteneffiziente Formen oder Formteile spielen daher eine große Rolle im Export. Außerdem haben chinesische Hersteller bei der Herstellung von Autoteilen (mit hoher Bandbreite und großem Marktvolumen), im Bereich Weiße Ware und bei der Herstellung von Formen für die Elektronikindustrie ein gutes Leistungsniveau erreicht.

Stellt China für deutsche Formenbauer aktuell eher eine Marktchance oder einen Wettbewerber dar?

Qin: Das Bevölkerungswachstum in China und die Diversifikation der Nachfrage sind die Basis eines starken Verbrauchermarktes. Die hohe Frequenz der Modellwechsel chinesischer Automobil- sowie Elektronikhersteller bringen dem Formenbauer immer neue Impulse und stetiges Wachstum. Der chinesische Markt schafft hier Chancen, auf die deutsche Formenbauer nicht verzichten sollten. Mit der Entwicklung des chinesischen Werkzeug- und Formenbaus geht auch Wettbewerb einher, allerdings bieten die Marktentwicklung und die steigenden Anforderungen auch attraktive Chancen für Partnerschaften. Wettbewerb zum einen, aber auch der Beitrag deutscher Formenbauer zum chinesischen Verbrauchermarkt zum anderen, sind wichtige Elemente für das Ökosystem der Fertigungsindustrie in China.

Welche Maschinen sind im Einsatz?

Qin: Chinesische Formenbauer erwerben CNC-Werkzeugmaschinen für Präzisionsbearbeitung. Diese stammen meist aus Deutschland und Japan, auch aus Italien und Spanien. Für die Halbfertigbearbeitung kommen hingegen vornehmlich heimische Maschinen und Modelle aus Taiwan zum Einsatz. Im Werkzeug- und Formenbau gibt es eine anhaltende Nachfrage nach High-End-Maschinen, inklusive der aus Deutschland. Insbesondere 5-Achs-Maschinen und HSC-Modelle sind gefragt. Für einige spezielle Anwendungen wird europäische Technologie bevorzugt. Dazu gehören zum Beispiel großformatige Maschinen mit integrierter Laseroberflächenbearbeitung. Ningbo Jingchao Mould Etching Co., Ltd. hat beispielsweise deutliche Investitionen in diesem Bereich getätigt. Mit zunehmender Automation der Bearbeitungseinheit und steigender Kostenakzeptanz rücken maschineninterne Automation sowie das automatisierte Verbinden von Maschinen zunehmend in den Fokus chinesischer Formenbauer.

Welche Rolle spielt Additive Manufacturing?

Qin: Die Anwendung additiver Methoden wirkt sich auf die gesamte Prozesskette aus. Einsatz finden sie direkt im Formenbau selbst, zum Beispiel als Rapid Moulding, oder im Formen-Prototypenbau, bei Thermoformwerkzeugen und Spritzgusswerkzeugen, im Sandguss oder beim Erodieren und in der Werkzeugreparatur. Den größten industriellen Wert sehen wir momentan in der additiven Herstellung von Formfunktionsteilen etwa mit konturnaher Kühlung, was zu besserer Qualität und Kostenkontrolle zum Beispiel bei dünnwandigen Teilen auf Kundenseite führt.

Auf welche Hersteller greift man dabei zurück?

Qin: GE, Autodesk, Siemens, GKN, Sandvik, Alcoa, GF, DMG Mori oder Sodick, um nur einige in China aktive international bekannte Unternehmen zu nennen, haben eigene interne Ökosysteme rund um das Thema additive Fertigung aufgebaut. Für Formenbauer ist ein möglichst komplettes Zuliefersystem besonders wichtig. Außerdem bevorzugen sie internationale Zulieferer. Im Spritzgussbereich hat Shenzhen Baoshan New Polytron Technologies Inc. eine hohe Anzahl europäischer Metalldrucker erworben. In einer CDMIA-Umfrage unter 100 Formenbauern in China sagten 20 Unternehmen aus, dass sie bereits in Anlagen für den industriellen 3D-Metalldruck investiert haben, 27 Unternehmen erwägen eine Anschaffung. Auf der DMC werden wir additive Fertigung für den Formenbau daher wieder mit einem besonderen Ausstellungsbereich fördern.

Lesen Sie mehr über die additive Fertigung auf additive.industrie.de


Organ der chinesischen Formenbauer

Die CDMIA (China Die & Mould Industry Association), der Verband der chinesischen Werkzeug- und Formenbauer, ist seit mehr als 30 Jahren aktiv und hat die Industrie aus den Kinderschuhen bis zur heutigen Reife begleitet und geformt. Die CDMIA ist Mitglied der asiatischen und weltweiten Formenbau-Verbände FADMA bzw. ISTMA. Seit Jahrzehnten organisiert sie zudem gemeinsam mit einem Partner die Die & Mould China – die Fachmesse
für den Werkzeug- und Formenbau, die zugleich auch Anlass für das Jahrestreffen der Verbandsmitglieder ist.

Die nächste DMC findet vom 5. bis 9. Juni 2018 in Schanghai statt
(www. dmcexpo.com/en).

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