Startseite » Steuern, Antreiben »

Maschinen führen – mit Schaltgetriebe und Automatik

Europäischer CNC-Führerschein soll Teil der Berufsausbildung werden
Maschinen führen – mit Schaltgetriebe und Automatik

Autor: Autor:

Der Fachkräftemangel in den MINT- Fächern ist hinlänglich bekannt. Besonders eklatant manifestiert er sich jedoch in den nicht akademischen fertigungsorientierten Technikfächern wie Facharbeiter, Meister und Techniker. Dem steht eine Qualifizierung gegenüber, die oft nur abstraktes Wissen vermittelt, das nicht nahe genug an der betrieblichen Praxis liegt. „Es herrscht offensichtlich auch ein Qualifizierungsmangel, der am Beispiel der für Deutschland unverzichtbaren CNC-Technik deutlich wird“, bemerkt Siegfried Keller, der mit der 1986 gegründeten Firma CNC Keller Pionierarbeit in Sachen CNC-Schulungssoftware geleistet hat.

Die Ergebnisse der Worldskills, den Berufsweltmeisterschaften, dokumentieren dies seit Jahrzehnten: Die Medaillen räumen (außer den ostasiatischen Ländern) eher die Vertreter aus Österreich und der Schweiz ab, wo ebenfalls das Duale Ausbildungssystem gilt. Die deutschen Teilnehmer haben noch nie eine Medaille gewonnen. Aber woran liegt das? Einen Grund sieht Keller darin, dass in diesen Ländern die CNC-Praxis eine viel größere Rolle spielt. Dort findet die Abschlussprüfung eines CNC-Zerspanungsmechanikers immer an der CNC-Maschine statt – anders als in Deutschland.
Die große Anzahl der jährlich zu prüfenden Auszubildenden macht es aus finanziellen wie organisatorischen Gründen schwer, die Prüfung in Deutschland an der CNC-Maschine durchzuführen. Verpflichtend ist lediglich eine theoretische Prüfung auf dem Papier durch Ausfüllen von Lückentexten. „Man stelle sich vor, der Kfz-Führerschein könnte allein durch das Beantworten von Fragen erworben werden“, kritisiert Keller. Auch werde die Prüfung mit der Theoriesprache PAL keiner realen CNC-Steuerung hundertprozentig gerecht, und länderübergreifende Qualifizierungsstandards gebe es nicht.
Abhilfe soll der Europäische CNC-Führerschein schaffen, der unter der Federführung von Keller in Kooperation mit europäischen Partnern entwickelt wurde und seit rund vier Jahren von der Dekra vermarktet wird. „Die so wichtige CNC-Technik ist eine logische Ausweitung unserer Kompetenzen“, begründet Hubertus Möhrer, der die damalige Dekra-Entscheidung initiiert hat.
Prüfung am Arbeitsplatz
Bisher konnte der Schein nur erworben werden, wenn man bei Dekra einen mehrwöchigen CNC-Kurs gebucht hatte – inzwischen haben diesen rund 500 Arbeitssuchende mit Erfolg absolviert. Seit Herbst 2014 können jetzt auch Auszubildende zu einem besonders attraktiven Preis den Europäischen CNC-Führerschein am Ende ihrer Ausbildungszeit erwerben – und zwar an ihrem Arbeitsplatz und an der CNC-Maschine, die sie kennen.
Gefordert wird eine Doppelqualifikation: Der Prüfling muss sowohl das konventionelle Programmieren mit den Steuerungsfunktionen (für einfache Werkstücke) als auch das Programmieren komplexer Werkstücke mit CAD/CAM (erlernt z. B. mit Symplus, dem Qualifizierungs-Konzept von CNC Keller) in Kombination mit den Original-Steuerungssimulatoren beherrschen. Für Klaus Reckermann, Geschäftsführer von CNC Keller, drängt sich eine Analogie zum Kfz-Führerschein auf: „Vergleicht man das mühsame Programmieren mit G- und M-Funktionen an der CNC-Steuerung mit dem Schaltgetriebe, so entspricht das anschauliche und leichte Programmieren mit CAD/CAM dem Automatikgetriebe.“
Die Voraussetzung für die Zulassung zur praktischen Prüfung ist, dass der in Symplus enthaltene Theorie-Test mit guten Ergebnissen bestanden wurde. Kern der CNC-Prüfung ist dann die praktische Dreh- oder Fräsbearbeitung der Werkstücke an der CNC-Maschine (siehe Zeichnungen). Zunächst wird die Primärkontur mittels konventioneller Programmierung an der Steuerung erzeugt. Dann wird umgespannt, und es folgt der zweite Übungsteil, der ohne CAD/CAM-Programmierung nicht machbar wäre. Für beide Teilaufgaben ist je eine Stunde veranschlagt.
Zertifikat als Motivationsspritze
Im November 2014 wurde das Konzept erstmals für Auszubildende in die Praxis umgesetzt: Vier angehende Zerspaner von Schaeffler in Wuppertal haben die Prüfung mit Auszeichnung bestanden – unter der Aufsicht eines Dekra-Sachverständigen. „Der Europäische CNC-Führerschein ist eine Belohnung für gute Leistungen und schafft eine zusätzliche Motivation für die angehenden Facharbeiter“, freut sich Ausbildungsleiter Rüdiger Dittmann. „Für uns als Ausbildungsbetrieb ist das ein Mehrwert. Wir werden dieses Highlight auch weiteren Auszubildenden anbieten.“
Auch das unweit gelegene Berufskolleg Hückeswagen (BKH) hat entschieden, den Europäischen CNC-Führerschein ab diesem Jahr zum verpflichtenden Bestandteil der CNC-Qualifizierung in Kooperation mit den beteiligten Firmen zu machen. „Der Schein ist nicht nur praxis-, sondern auch zukunftsorientiert, indem er die herkömmliche CNC-Programmierung wie auch die CAD/CAM-Anwendung beinhaltet“, findet Schulleiter Dr. Manfred Schinner. Letztere spiele in den meisten Ausbildungsbetrieben bisher noch keine so große Rolle, werde aber künftig von enormer Bedeutung sein.
Keller hofft nun auf eine Vielzahl weiterer Betriebe und Berufsschulen, für die das Thema interessant sein könnte. So hat Klaus Liffers vom Berufsbildungszentrum Grevenbroich im Rhein-Kreis Neuss bereits signalisiert, seine Schüler auf dieses Zertifikat vorbereiten zu wollen. „Mit Interesse hatten wir schon vor über einem Jahr vom CNC-Führerschein erfahren und mit Dekra telefoniert, haben aber gehört, dass es kein Angebot für Auszubildende zum Erwerb des CNC-Führerscheins gibt“, so Liffers. Nun habe man von Kellers Engagement beim BKH und einigen Details zur Vorbereitung auf diesen Führerschein, jetzt auch für Auszubildende, gehört. „Die gute Ausstattung unserer Schule mit Symplus Drehen und Fräsen 6.0, Drehmaschine mit angetriebenen Werkzeugen und C-Achse mit Shopturn, Fräsmaschine mit 3 plus 2 Achsen mit Shopmill bietet unseres Erachtens gute Voraussetzungen für die Vorbereitung von Schülern auf dieses Zertifikat.“
Sollte sich der CNC-Führerschein schließlich – in Ergänzung zum Standard PAL – als zusätzlicher Standard für leistungsorientierte Praxis an CNC-Maschinen in Deutschland entwickeln, dürfte für Siegfried Keller ein langjährig gehegter Traum in Erfüllung gehen.
CNC Keller GmbH www.cnc-keller.de
Dekra Akademie GmbH www.dekra-akademie.de

Knackige Prüfungsaufgaben

Aktuelle Ausgabe
Titelbild mav Innovation in der spanenden Fertigung 2
Ausgabe
2.2024
LESEN
ABO
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Trends

Aktuelle Entwicklungen in der spanenden Fertigung

Alle Webinare & Webcasts

Webinare aller unserer Industrieseiten

Alle Whitepaper

Whitepaper aller unserer Industrieseiten


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de