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Roboter kratzt am Werkzeugmaschinen-Thron

Wo liegen die Grenzen der Sechsachser in der spanenden Fertigung?
Roboter kratzt am Werkzeugmaschinen-Thron

Wird der Sechsachs-Roboter die CNC-Werkzeugmaschine in manchen Bereichen überflüssig machen? Oder wird er mit der CNC-Werkzeugmaschine vollkommen verschmelzen? Die mav-Schwesterzeitschrift Automationspraxis hat sich unter den Robotik-Experten umgehört.

Autor: Armin Barnitzke

Neben dem automatischen Be- und Entladen von CNC-Werkzeugmaschinen wird der Roboter, ausgestattet mit einem Fräs- oder Bohrwerkzeug, verstärkt als flexible Alternative zur Werkzeugmaschine auch zur CNC-Bearbeitung eingesetzt. „Denn moderne Robotersysteme sind hinsichtlich Steifigkeit und Bahngenauigkeit stark verbessert worden, wodurch man Probleme wie Vibrationen, Rattern und Bahnabweichungen besser in den Griff bekommt“, berichtet Dr. Michael Klos, General Manager Sales & Automotive Robotics Division bei Yaskawa Europe.
Auch andere Experten bestätigen diesen Trend: „Wir haben 2012 zahlreiche Roboter für das Bearbeiten verkauft, sowohl fürs Entgraten und Polieren als auch fürs Fräsen und Bohren“, sagt Andreas Schuhbauer, Key Technology Manager Werkzeugmaschinen bei Kuka Roboter.
Einen Schub erhält das Ganze nicht zuletzt durch den Trend zum Leichtbau mit Kohlenfaserverbundstoffen (CFK). „Unser Bearbeitungsroboter RX 170 hsm ist bereits seit einiger Zeit bei führenden Automobil- und Luftfahrtunternehmen erfolgreich in der CFK-Bearbeitung im Einsatz“, betont Manfred Hübschmann, Geschäftsführer bei Stäubli Robotics.
„Für das Bearbeiten von CFK ist der Roboter eben sehr gut geeignet“, ergänzt Schuhbauer. Zum einen seien die geforderten Schnittkräfte hier in einem Bereich, in dem der Roboter konkurrenzfähige Bearbeitungszeiten erzielen könne, zum anderen seien CFK-Bauteile häufig sehr groß, was dem Roboter durch sein gutes Verhältnis Preis/Arbeitsraum entgegen komme. „Gerade bei der Bearbeitung von großen CFK-Bauteilen können Roboter auf Verfahr- und Portalachsen sehr große und sehr teure Sondermaschinen ersetzen“, bestätigt Jürgen Barth, Key Account Manager Werkzeugmaschinen bei Fanuc.
Dabei sind solche Fräsroboter aber längst nicht auf die Bearbeitung von Leichtbauwerkstoffen beschränkt. „Roboter eignen sich für das Fräsen, Entgraten, Bohren von Holz-, Styropor-, Kunststoff- und Aluminium-Bauteilen“, ergänzt Klos. Auch das Einfräsen von Taschen/Ausschnitten in Stahlrohre habe man schon sehr erfolgreich durchgeführt.
„In der Metallzerspanung werden Roboter hauptsächlich für das Entgraten eingesetzt“, ergänzt Barth. Das beschränke sich aber nicht nur auf feine Grate: „Ein Fanuc-Systemhaus hat eine Entgratanlage für große Stahlgussteile realisiert. Dabei werden modifizierte Werkzeugmaschinenspindeln mit 70 Kilowatt Leistung am Roboterflansch eingesetzt, um Angüsse zu trennen und grobe Gussgrate über Schleifen und Fräsen zu entfernen.“ Weitere Lösungen gebe es auch beim Entgraten von Großverzahnungen für Windkraftanlagen, so Barth.
Limitierender Faktor beim Fräsen mit dem Roboter sei letztlich die Steifigkeit der Kinematik, erklärt Schuhbauer. „Kann man langsam genug fräsen, oder benötigt man geringe Genauigkeiten, dann können mit dem Roboter auch Aufgaben in Stahl erledigt werden.“ Um die Steifigkeit der Mechanik zu verbessern, arbeite man mit Entwicklungspartnern an neuen Technologien, die Schritt für Schritt auf den Markt kommen werden.
Hard- und Software verbessert
Aber nicht nur bei der Hardware rüsten die Roboterhersteller auf, auch softwareseitig haben quasi alle Anbieter Tools für Offline-Programmierung, Einbindung in die CAD/CAM-Kette oder G-Code-Übersetzer im Portfolio. Im massiven direkten Wettbewerb sehen die Experten die klassischen CNC-Bearbeitungszentren und die Bearbeitungsroboter aber trotzdem nicht.
„Der Roboter kann die Werkzeugmaschine nur in Teilbereichen ablösen“, sagt Barth. Denn durch den seriellen Aufbau der Roboterkinematik vervielfache sich die Bearbeitungsungenauigkeit beim Roboter. „Je größer der Roboter, desto ungenauer wird er. Diese Ungenauigkeit kann nur sehr aufwändig mit überlagerten Messsystemen kompensiert werden.“
Zudem: Bei einem roboterbasierten Bearbeitungszentrum werden außer dem Roboter auch eine Bearbeitungsspindel, ein Werkzeugmagazin, eine Kühlmittelanlage, ein Späneförderer sowie eine Einhausung benötigt. „Kalkuliert man dann das Gesamtsystem, stellt sich schnell wieder die Kostenfrage“, weiß Barth, der bei Fanuc auf Roboterkompetenz ebenso zurückgreifen kann wie auf CNC-Knowhow und einen eigenen Werkzeugmaschinenbau (Robodrill).
Das sehen die anderen Experten ähnlich. Klos: „Der 6-Achs-Roboter wird aufgrund seiner Kinematik niemals die Steifigkeit von CNC-Werkzeugmaschinen erreichen.“ Daher werde er vor allem Anwendungsbereiche erobern, die eine besondere Flexibilität im Materialfluss und Variantenvielfalt oder einfach auch nur geringen Platzbedarf erfordern.
Auch Hübschmann sieht vor allem Chancen, wenn hohe Flexibilität gefordert ist: „Die hochpräzise spangebende Bearbeitung von Metallteilen in großen Stückzahlen wird weiterhin eine Domäne der Werkzeugmaschine bleiben. Geht es hingegen um die Bearbeitung von sehr großen Teilen oder um Kleinserien mit vielen Varianten, ist in vielen Fällen der Roboter erste Wahl.“
Nur circa zwei Prozent der Werkzeugmaschinen könnte der Roboter ersetzen, schätzt man bei Kuka. Bei fast 400 000 weltweit verkauften Werkzeugmaschinen wären das rund 8000 Stück. „Viel wichtiger als die Frage nach dem Ersetzen von Werkzeugmaschinen ist für uns daher die Ergänzung der Werkzeugmaschine“, betont Schuhbauer.
Die Maschine erledigt dann die genauen Aufgaben mit hohem Qualitätsanspruch, und der Roboter übernimmt im Nachgang Aufgaben mit niedrigeren Anforderungen (wie Entgraten, Bürsten oder das Abfräsen von Spannbratzen) und reduziert so die Spindellaufzeit der Werkzeugmaschine.
Produktiver Verbund zeigt Erfolge
„Einen solchen produktiven Verbund praktizieren wir bereits in der eigenen Fertigung in Augsburg. Hier be- und entlädt ein Kuka Roboter das Bearbeitungszentrum und führt in den Nebenzeiten einfache, aber wertschöpfende Arbeiten wie Entgraten, Bürsten und Bohren durch“, so Schuhbauer. In Augsburg sieht man daher Roboter und Maschine als hybrides Bearbeitungszentrum immer mehr zusammenwachsen.
„Auch Fanuc sieht die Werkzeugmaschine und den Roboter als automatisiertes System bereits als eine Einheit“, betont Barth. Daher treibe man die Integration von CNC-Steuerung und Roboter weiter voran: „So bieten wir für die CNC-Steuerungen der Serie 30-iB und für unsere Roboter eine Plug-and-Play-Lösung an. Dabei arbeiten die CNC-Steuerung und der Roboter Hand in Hand. Je nach Konfiguration kann der Roboter von der CNC-Steuerung aus bedient werden, was die Bedienung des Gesamtsystems Werkzeugmaschine mit Roboter vereinfacht und die Akzeptanz der Automation erhöht.“
Kuka wiederum ist eine enge strategische Partnerschaft mit Siemens eingegangen, um die Bedienung des Gesamtsystems zu vereinfachen. „Mit mx-Automation für Sinumerik Steuerungen ist es heute schon möglich, den Roboter über die gleichen Softwaretools zu projektieren, zu programmieren und zu bedienen, die auch für die Werkzeugmaschine genutzt werden. Integrator und Endnutzer müssten daher nur noch in einer Welt arbeiten“, so Schuhbauer.
Aber auch die anderen Hersteller sind nicht untätig: „Da viele Kunden die Bedienbarkeit des Roboters über das HMI der CNC-Steuerung wünschen, bieten wir Schnittstellenpakete wie unsere Motosync-Software an“, berichtet Klos. Was bei der öffentlichkeitswirksamen Kooperation von Kuka und Siemens oft vergessen wird: Schon zur Automatica 2010 hatte Yaskawa eine Kooperation mit Siemens präsentiert, um über Sinumerik auch den an der Maschine arbeitenden Motoman-Roboter zu steuern.
Stäubli hat mit Unival Drive ebenfalls eine Echtzeit-Schnittstelle zur Integration seiner Scara- und Sechsachs-Kinematiken in Fremdsteuerungen geschaffen. „OEM und Maschinenhersteller können unsere Roboter als Standardmaschinen für Handhabungsaufgaben einsetzen und dabei ihre Maschinensteuerung für Programmierung und Betrieb der Roboter nutzen“, so Hübschmann.
Steuerungen wachsen zusammen
Bearbeitungsmaschinen und Roboter wachsen also mehr und mehr zusammen. Werden Roboter- und CNC-Steuerung künftig sogar zu einer Einheitssteuerung verschmelzen? Eher nicht, sind sich die Experten einig. „Eine Robotersteuerung bleibt eine Robotersteuerung und eine CNC-Steuerung eine CNC-Steuerung“, stellt Hübschmann klar: Schließlich habe man enormen Aufwand investiert, um im Robotercontroller die vielfältigen Anforderungen vom Conveyor Tracking bis hin zum Echtzeitbetrieb mit kürzesten Regelintervallen erfüllen zu können. „Ließe sich das komplexe Anforderungsprofil einer Robotersteuerung mit einer CNC-Steuerung erfüllen, hätten wir uns diesen Aufwand gerne gespart.“
Klos bestätigt das: „Die Roboterhersteller haben in ihre Steuerung sehr viel Basis-Knowhow zur Regelung eines Roboterarms hineingesteckt. Daher favorisieren wir die Lösung einer offenen Robotersteuerung, auf der die Kernfunktionen der Roboteransteuerung verbleiben, die jedoch Programmierschnittstellen zu Einheitssteuerungen bereitstellt.“
Auch bei Fanuc gibt es weiter getrennte Produktlinien. Zwar basieren der Robotercontroller R-30iB und die CNC-Steuerung 30-iB auf identischen Bausteinen. „Auf absehbare Zeit werden der Roboter und die CNC-Steuerung aber ihre eigenen CPUs behalten“, so Barth. Jedoch würden diese in Bedienung und Programmierung immer enger zusammenwachsen. Schuhbauer kann dem nur beipflichten. „Wir möchten das Beste aus beiden Welten erhalten, gleichzeitig aber Integration und Bedienung so einfach wie möglich gestalten.“
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