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Randschichthärten unter Gas

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Randschichthärten unter Gas

Bei hochwertigen Bauteilen werden zunehmend solche Werkstoffeigenschaften wie Zähigkeit, Härte und Dauerfestigkeit gefordert. Um diese zu erzielen, eignet sich das induktive Randschichthärten besonders gut. Kommen die Bauteile während der Wärmebehandlung jedoch mit dem Sauerstoff der Luft bzw. der Luftfeuchtigkeit in Kontakt, so bilden sich Oxidationsschichten und Zunder. Inertgase können Oxidationsreaktionen minimieren und somit die Wirtschaftlichkeit dieses Verfahrens wesentlich steigern.

Dipl.-Ing. (FH) Detlev Bartknecht, Product & Application Manager Induktionserwärmung Fritz Düsseldorf GmbH

Die induktive Wärmebehandlung eignet sich besonders zum Randschichthärten von Teilen aus preiswertem Vergütungsstahl. Sie erhöht den Verschleißschutz und die Strukturfestigkeit der Bauteiloberfläche. Aufgrund des hohen Automatisierungsgrades und der flexiblen Arbeitsweise wird das Verfahren bevorzugt bei der Produktion großer Serien angewendet. Weitere Vorteile liegen in der Möglichkeit der örtlich begrenzten Erwärmung und dem damit verbundenen geringen Verzug, in der guten Reproduzierbarkeit der Härteergebnisse sowie in der Umwelt- und Bedienerfreundlichkeit. Außerdem ist das induktive Härten im Vergleich zu anderen Härteverfahren in vielen Fällen das wirtschaftlichste, in manchen Fällen das technisch einzig mögliche Verfahren.
Inertgase – Schutzhülle für das Bauteil
Üblicherweise erfolgt die induktive Erwärmung an Luft. In Verbindung mit dem atmosphärischen Luftsauerstoff entstehen Randoxidation und Zunder. Oftmals wird somit eine aufwendige Nachbearbeitung der Funktionsflächen notwendig (siehe Abb. 1 und 2).
Schutz- und Reaktionsgase schützen die Metalloberfläche vor unerwünschten Veränderungen oder beeinflussen gezielt die Oberflächeneigenschaften. Inertgase, wie zum Beispiel Stickstoff, Argon oder Helium können den Luftsauerstoff jedoch nicht völlig ausschalten. Restsauerstoff und Sauerstoffverbindungen wie CO2 oder H2O können sich immer noch qualitativ nachteilig auswirken. Aus diesem Grunde werden zur Wärmebehandlung bevorzugt Gase mit chemisch reduzierenden (also Oxid rückbildenden) Komponenten verwendet (siehe Tabelle).
Das Tempron®-Verfahren
Vorgenannte Nachteile können durch das Tempron®-Verfahren deutlich reduziert werden. Dieses Wärmebehandlungsverfahren wurde von der Westfalen AG, Münster, entwickelt in Kooperation mit der Fa. Fritz Düsseldorf GmbH, Freiburg, die die Anlagen zum zunderfreien induktiven Randschichthärten von Massenteilen gebaut hat
Vorrangiges Ziel des Tempron®-Verfahrens ist es, Oberflächenoxidation und Zunderentwicklung durch die Verdrängung des Luftsauerstoffs bzw. des gasförmigen Wasserdampfes an der Oberfläche des Bauteils während der Aufheiz- und der Abschreckphase zu verhindern. Dazu wurde eine Schalttellerhärtemaschine mit einer „gasdichten“ Kammer ausgerüstet. Diese ist sowohl zur Teileerwärmung als auch zum Abschrecken erforderlich. Bei der vorliegenden Konstruktion handelt es sich um getrennt ablaufende Prozesse.
Die Kammer ist mit einem Schaltteller zur Aufnahme der zu behandelnden Bauteile kombiniert. Der hochgezogene Rand des Drehtellers sorgt für ein konstantes Niveau des eingesetzten Abschreckmittels (Wasser oder Polymerlösung). Das untere offene Kammerende wird nach Art einer Tauchglocke abgedichtet. Ein über Druck und Menge geregeltes Düsensystem bläst das Schutzgas vor Beginn des Arbeitsprozesses in die Kammer ein, und das Schutzgas verdrängt den Luftsauerstoff (Spülphase). Innerhalb von ca. 1 min (bei einem Kammervolumen von ca. 80 l) sinkt der Sauerstoffgehalt auf unter 1000 ppm (0,1%). Hat ein Werkstück innerhalb der Kammer seine Erwärmungsposition erreicht, fährt der speziell für diese Aufgabe entwickelte Linearinduktor über die Werkstückoberfläche und bringt diese unter Werkstückrotation auf Härtetemperatur. Das Abschrecken erfolgt innerhalb von ca. 1 s in der nachfolgenden Station (Dauerbrause).
Während des gesamten Prozesses wird die Kammer mit Schutzgas gespült (Inertisierungsphase). Dazu sind nur geringe Schutzgasmengen erforderlich (in diesem Fall ca. 80 l/min). Um diese niedrig zu halten, sind die Ein- und Austrittsschleusen der unter geringem Überdruck stehenden Kammer mit laminar fließenden Flüssigkeitsvorhängen ausgestattet, die vom jeweiligen Abschreckmittel gebildet werden.
Die Anlage arbeitet vollautomatisch. Die Teilezufuhr erfolgt über ein Bunkermagazin. Vor dem Tunnel werden die Werkstücke auf Maßhaltigkeit kontrolliert.
Die Parameterkontrolle umfaßt bei diesem Verfahren:
n die ins Werkstück eingebrachte Heizenergie,
n Induktorkühlwassermenge und -druck,
n Abschreckmittelmenge und -druck (Hauptbrause und Nachkühlstation),
n Härtetemperatur,
n Werkstückrotation während der Erwärmungsphase,
n Luftsauerstoffgehalt in der Kammer.
Die Induktorzustellbewegung erfolgt über eine NC-Achse.
Die Fehlerbeseitigung wird durch ein Diagnosesystem in Klartext unterstützt. Das automatische Aussortieren der N.i.O-Teile erfolgt nach Austritt aus der Kammer.
Auswahl des Schutzgases
Wichtig für den Einsatz des Verfahrens ist die Auswahl des geeigneten Schutzgases. Kriterien hierfür sind:
• Verwendungszweck des Werkstücks und Werkstoff, Werkstückgeometrie und -aufnahmetechnik,
• Erwärmungszeit und -temperatur (Härtetechnik), Oberflächenqualität und Reibungseigenschaften,
• konstruktive Vorgaben (Dichtigkeit und Lage der Schutzkammer) und
• Invest- und Betriebs-, speziell Gaskosten.
Die Erfahrungen aus zahlreichen Versuchen und in Betrieb befindlichen Anlagen weisen Stickstoff als das in der Regel für das induktive Randschichthärten geeignete Schutzgas aus. Stickstoff ist leichter als Luft, preiswerter als Argon und Helium und geht bis ca. 1000 °C keine thermochemische Reaktion ein. Bei Temperaturen über 1000 °C (z.B. bei längeren Glühprozessen) können sich ungewünschte Nitride bilden. Formiergas (Gemisch aus Stickstoff und Wasserstoff) findet vor allem aus Sicherheitsgründen seltener Anwendung.
Argon ist schwerer als Luft und wird deshalb aus verfahrenstechnischen Gründen bei höher legierten Stählen mit längeren Aufheizphasen über 1000 °C eingesetzt. Helium, das sich flüchtig verhält, ist wiederum teurer als Argon, geht wie Argon unabhängig von der Temperatur keine thermochemische Reaktion ein, besitzt aber gegenüber Argon und Stickstoff die bessere Leitfähigkeit. Es wird daher häufig als Schutzgas für Lötaufgaben an hochpräzisen und hochbeanspruchten Bauteilen in der Luft- oder Raumfahrtindustrie eingesetzt.
Bauteile und Anlagenauslegung
Das induktive Randschichthärten unter Einsatz des Tempron®-Verfahrens ist wirtschaftlich besonders geeignet für zylindrische und rotationssymmetrische Teile wie z.B. Verzahnungen (Zahnstangen, Antriebwellen, Starterkränze), weich gelagerte Teile (Kugelzapfen, Hülsen, Gleitbuchsen), Werkstücke, bei denen Randentkohlung auf jeden Fall vermieden werden muß (Steuernocken, Wälzlage Achszapfen, Gelenkstücke) und Werkstücke, die in einen galvanischen oder thermochemischen Folgeprozeß kommen.
Bei nicht scharfkantigen Werkstücken mit begrenzten Härtezonen und relativ geringen Maßänderungen kann der induktiven Randschichthärtung auch ein induktiver Anlaß bzw. Entspannungsprozeß nachgeschaltet werden.
Für relativ kleine Werkstücke, die entweder im Gesamtflächenverfahren oder nur über eine geringe Länge im Vorschub gehärtet werden können, empfiehlt sich in der Serienfertigung der Einsatz einer Schalttellerhärtemaschine mit einer Schutzgaskammer.
Bei langen Werkstücken, die nur im Gesamtflächenverfahren mit horizontaler oder vertikaler Aufspannung gehärtet werden, sind abgewandelte Sonderlösungen sowohl in Bezug auf Aufnahmetechnik als auch auf Schutzgastunnelkonstruktion zu wählen.
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