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Interview Andreas Haimer, Geschäftsführer der Haimer GmbH

Interview Andreas Haimer, Geschäftsführer der Haimer GmbH
„Jetzt müssen die Prozesse optimiert werden“

„Jetzt müssen die Prozesse optimiert werden“
Andreas Haimer, Geschäftsführer der Haimer GmbH. Bild: Haimer
Für Andreas Haimer sind Digitalisierung und Automatisierung weiterhin die Trends 2021. Welche Effizienzsprünge damit im Bereich des Werkzeugmanagements gemacht werden können, darüber sprach die mav mit dem Geschäftsführer der Haimer GmbH. Das Interview führte: Frederick Rindle

mav: Wie haben sich die Geschäftszahlen der Haimer Group 2020 entwickelt?

Haimer: Wir hatten mit dem Wandel in der Automobilindustrie und der Corona-Krise zu kämpfen. Aus unserer Sicht wäre es allerdings auch ohne Covid-19 zu einem Rückgang in der Werkzeugbranche gekommen. In harten Zahlen ausgedrückt, betrug der Rückgang bei Auftragseingang und Umsatz rund 20 Prozent. Die Zahlen bei den Verschleißprodukten sind mittlerweile wieder besser. Bei den Investitionsgütern gestaltet es sich aber nach wie vor zäher. Wollen wir hoffen, dass durch das Ende des Lockdowns im Frühjahr auch die Absätze in unseren Zielbranchen wieder steigen.

Konnten Sie in der Absatzentwicklung regionale Unterschiede ausmachen?

Haimer: Definitiv, unsere Umsätze in China übertrafen 2020 sogar das Vorjahresniveau. Die USA hingegen sind schon immer ein stark Aerospace-lastiger Markt. Da die zivile Luftfahrt momentan am Boden liegt, haben wir somit auch in den USA mit starken Rückgängen zu kämpfen.

Wie läuft das Geschäft in Ihren europäischen Niederlassungen?

Haimer: Die Umsätze in West- und Südeuropa sind deutlicher zurückgegangen als in Osteuropa oder auch in Deutschland.

Gibt es bei Ihnen Branchen oder Bereiche, deren Entwicklung Sie überrascht hat?

Haimer: Ja, der gesamte Bereich der Mikrozerspanung läuft bei uns gut. Wir konnten hier 2020 gleich bei mehreren Großprojekten mit unseren Lösungen punkten. In der Elektronikfertigung herrscht momentan eine durchweg positive Grundstimmung. Gleiches gilt aus unserer Sicht für gewisse Bereiche des Formenbaus und der Medizintechnik.

Haben Sie für die Elektronikfertigung spezielle Lösungen im Programm?

Haimer: Unsere hochpräzisen Werkzeugaufnahmen für kleinere Schnittstellen sind in der Elektronikfertigung besonders gefragt. Ebenso setzen die Mikrozerspaner auch sehr gerne unsere hochautomatisierte Schrumpfmaschinentechnologie ein. In Kombination mit unseren Ultra-PrecisionSchrumpffuttern sind sie damit in der Lage, μm-genau und prozesssicher zu fertigen. Einige Kunden wollen aber in Richtung Effizienz noch mehr und setzen auf unsere vollvernetzten Lösungen für die Werkzeugvoreinstellung.

Wie sehen diese Lösungen aus?

Haimer: Unsere Werkzeugvoreinstellgeräte können bereits im Einstiegsbereich mit der Werkzeugmaschine kommunizieren und die Werkzeugdaten über verschiedene Wege übermitteln. Die vollautomatischen Geräte vermessen die Werkzeuge ohne manuellen Eingriff prozesssicher und senden die Messwerte direkt an die Steuerung. Das ist zum einen schneller. Zum anderen werden so auch manuelle Eingabefehler, die im schlimmsten Fall zu teuren Spindelschäden führen können, ausgeschlossen. Wir haben mit Haimer Microset viele Lösungen für die Werkzeugvoreinstellung im Angebot, mit denen man den Prozess auch schrittweise digitalisieren oder automatisieren kann.

Als letzten Schritt bietet ein professionelles Tool Management System noch mehr Vorteile: Durch einen Soll-/Ist-Abgleich der Einsatzzeiten können die Werkzeuge bis zu ihrem optimalen Standzeitende eingesetzt werden. Das sorgt für eine höhere Bauteilqualität bei gleichzeitig niedrigeren Werkzeugkosten. Kleine Investitionen in die Werkzeugvoreinstellung und das Werkzeugmanagement ermöglichen für die gesamte spanende Industrie große Effizienzsteigerungen.

Wie hoch schätzen Sie das Potenzial zur Effizienzsteigerung ein?

Haimer: Allein durch die Anbindung eines Voreinstellgerätes an den Maschinenpark zur Übermittlung der Werkzeugdaten lässt sich die Effizienz aller angeschlossenen Werkzeugmaschinen steigern. Außerdem können so die Rüstzeiten reduziert werden. Zusätzlich wird etwaiger Spindelschäden aufgrund von Kollisionen vorgebeugt. Je nach Größe der Fertigung sprechen wir schnell über eine Ersparnis im sechsstelligen Euro-Bereich.

Nach meiner Einschätzung ist gerade jetzt der richtige Zeitpunkt, um in die Werkzeugvoreinstelltechnologie zu investieren und – wo noch nicht geschehen – step-by-step erste Schritte zur Automatisierung und Digitalisierung der Fertigung einzuleiten. Denn in ruhigeren Zeiten kann man seine Prozesse einmal grundlegend optimieren und seine Mitarbeiter bei den Veränderungen von Anfang an mitnehmen.

Betrifft das nur die Werkzeugvoreinstellung?

Haimer: Wir bieten noch viele weitere Lösungen an, mit denen man die Fertigung optimieren kann. Nehmen Sie zum Beispiel das modulare Wechselkopfsystem zum Fräsen und Drehen „Duo-Lock”, mit dem ich wertvolles Hartmetall und auch viel Zeit beim Werkzeugwechsel einsparen kann. Oder das Thema Wuchten: Mit fein gewuchteten Werkzeugen wird die Spindel geschont und die Werkzeuge können bei viel höheren Drehzahlen eingesetzt werden, was wiederum mehr Produktivität mit sich bringt. Nur durch stetige Investitionen und Prozessoptimierungen bleibt das Unternehmen international wettbewerbsfähig und das ist heute wichtiger denn je.

Wie kann man ein solches Optimierungsprojekt am besten beginnen?

Haimer: Indem man einen der zahlreichen Haimer-Experten direkt anspricht. Wir haben in allen Regionen unsere Spezialisten für das Werkzeugmanagement, die Werkzeugvoreinstelltechnik und die Zerspanungsoptimierung vor Ort. Unsere Experten analysieren die Prozesse beim Kunden und beraten ihn daraufhin individuell. Zusätzlich laden wir unsere Kunden auch zu uns nach Igenhausen ein. Hier am Stammsitz haben wir auf über 600 m2 ein komplett ausgestattetes Anwendungszentrum. Dort können wir die Vorteile einer vernetzten Fertigung anhand unseres Maschinenparks live zeigen und individuell auf die Kundenbedürfnisse eingehen.

Mit dem neuen Anwendungszentrum 360° können unsere Kunden genau das auch online erleben. Das heißt, die Kunden können sich virtuell prozessbezogene Lösungen ansehen und mit ihrem Haimer-Experten geführte Touren im digitalen Showroom durchführen.

Gibt es auch neue Produkte von Haimer?

Haimer: Wir versuchen jedes Jahr mindestens fünf neue Produkte und Lösungen im Markt zu etablieren und in den letzten 12 Monaten haben wir nicht an der Forschungs- und Entwicklungsarbeit gespart. Als Beispiele kann ich hier die vollautomatisierten Schrumpfgeräte der Reihe Power Clamp Nano NG i4.0, das erweiterte Programm an Ultra-Präzisionsschrumpffuttern und das vergrößerte Sortiment an Werkzeugaufnahmen mit Steilkegel und Plananlage nennen. Ebenso haben wir für unsere Fräswerkzeuge verschiedenste neue Geometrien und Varianten entwickelt. Den Haimer Mill gibt es zum Beispiel jetzt auch in kurzer und langer Ausführung. Insgesamt sind rund 500 neue Artikel zum Haimer-Programm hinzugekommen. Durch diese kontinuierliche Entwicklungsarbeit sehen wir uns mehr und mehr als Komplettanbieter.

Ebenso haben wir unser Serviceangebot Haimer Care erweitert und bieten vorteil- hafte Wartungsverträge für all unsere Gerätetypen an.

Wie hat sich die Nachfrage nach ihren digitalisierten Produkten entwickelt?

Haimer: Die Nachfrage nach unseren i4.0-Geräten in der Schrumpf-, Auswucht- und Voreinstelltechnik steigt kontinuierlich. Der Trend geht deutlich dahin, dass bei Investitionen noch weiter Richtung Vernetzung der Maschinen gedacht wird.

Wie Sie beschrieben haben, zieht in China die Konjunktur bereits wieder an. Spielen Sie mit dem Gedanken, in China zu produzieren?

Haimer: Wir produzieren zu 100 Prozent „Made in Germany“, und zwar an zwei deutschen Fertigungsstandorten. Es gibt keine Bestrebungen, eine Produktion in China oder im Ausland aufzubauen. Aber natürlich verfolgen wir permanent die Geschehnisse und sind auch offen für neue Partnerschaften und Akquisitionen. Mit Haimer Microset haben wir die erste Akquisition unserer Firmengeschichte sehr erfolgreich abgeschlossen und die Microset Geräte sind ein ganz wichtiges Produktstandbein bei uns geworden.

Derzeit erzielen wir noch mehr als 50 Prozent unseres Umsatzes in der EU. Sollten wir eines Tages nennenswerte Umsatzanteile von rund 30 Prozent in China oder in einem anderen Markt realisieren, dann werden wir uns fragen müssen, ob es Sinn macht, gewisse Produkte vor Ort zu produzieren.

Was erwarten Sie für 2021?

Haimer: Im Laufe des Jahres wird sich die Situation sicherlich wieder verbessern. In manchen Märkten und Branchen wird es aber vielleicht noch ein bis zwei Jahre dauern, bis wir wieder auf dem Niveau von 2018 sind. Grundsätzlich sind wir davon überzeugt, dass wir die Krise meistern werden. Wichtig ist, in Krisenzeiten nicht den Kopf in den Sand zu stecken. Man muss jetzt die Prozesse verbessern und weiter in zukunftsfähige Technologien investieren.

Haimer GmbH
www.haimer.de


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