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Feinstdrehen statt Schleifen

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Feinstdrehen statt Schleifen

Fertigungsfachleuten älteren Jahrgangs sind die bis etwa 1966 in Ostdeutschland gebauten Drehmaschinen mit der Bezeichnung „Rasender Magdeburger“ sicher ein Begriff. Nach der Wende wurde der volkseigene Betrieb privatisiert und neu strukturiert. Das nunmehr als HEID MAGDEBURG Werkzeugmaschinen GmbH firmierende Unternehmen hat sich jetzt auf die Herstellung von CNC-Drehmaschinen, Drehzentren und Drehzellen sowie Sondermaschinen spezialisiert. Ein wichtiger Abnehmer dieser High-Tech-Maschinen ist die Automobil-Industrie. Für FORD entwickelte HEID MAGDEBURG eine CNC-gesteuerte Präzisions-Drehzelle zur Fertigung von Achsschenkeln. Zum Einsatz kommen hierbei unterschiedliche Sandvik-Werkzeuge.

FORD hat bei der Werkzeugmaschinenfabrik HEID MAGDEBURG zehn hochmoderne Drehzellen für die Endbearbeitung „feinstdrehen statt schleifen“ bestellt. Es werden jeweils zwei CNC-Drehmaschinen vom Typ M 160 gegenüberstehend aufgestellt und mit einem Roboter be- und entladen.

Vorausgegangen waren umfangreiche Untersuchungen und Zerspanungsversuche auf vorhandenen CNC-Drehmaschinen durch Herrn H-J Berger, Prozess Ingenieur Fertigungsplanung Achsen und Chassis Entwicklung bei Ford und Herrn Jürgen Friese, Sandvik Coromant. Aufgrund der positiven Ergebnisse erfolgte eine weitere Optimierung des Prozesses auf einer neuen CNC-Drehmaschine vom Typ M160 der Fa. HEID MAGDEBURG, welche bei Ford in Wülfrath inbetriebgenommen wurde.
µm-genaues Drehen in Schleifqualität
Diese besonders präzise hergestellten Drehmaschinen werden zur Fertigung von Achsschenkeln für verschiedene Pkw-Modelle eingesetzt, wobei Genauigkeiten im µm-Bereich sowie Oberflächengüten und Rundheiten in Schleifqualität erreicht werden. Das früher notwendige Fertigschleifen erübrigt sich dadurch.
Handhabung
Normalerweise werden die Drehzellen mit dem zugehörigen Roboter automatisch be- und entladen. Der Roboter entnimmt einer Palette einen Rohling und transportiert ihn zu der Bearbeitungsstelle einer der beiden gerade freien Werkzeugmaschinen.
Nach der spanabhebenden Bearbeitung des Werkstückes wird dieses innerhalb der Drehzelle in einer Meßeinrichtung geprüft, anschließend wieder der Maschine entnommen und in eine noch zu füllende Palette gelegt. Während des Meßvorganges bedient der Roboter die zweite Maschine. Bei Bedarf ist auch eine konventionelle Be- und Entladung möglich. In einem solchen Fall fährt das Beladeprisma nach oben. In dieser etwas erhöhten Lage kann das Werkstück bearbeitet werden.
Achsschenkel-Fertigung
Die Achsschenkel werden zwischen Spitzen bearbeitet Mit besonders hoher Genauigkeit und Prozeßsicherheit sind der Lagersitz und Simmeringsitz zu fertigen. So muß beispielsweise der Lagersitz eine Qualität nach IT 6 aufweisen, und es sind Toleranzen von +/- 8 µm einzuhalten. Der Simmeringsitz darf keinerlei Drehriefen haben, damit später nach Einbau des Achsschenkels in einen Pkw am Simmering kein Öl austritt.
Werkzeuge
Insgesamt stehen in einer Drehzelle 8 Werkzeuge zur Verfügung. Zum Vordrehen (Vorschruppen und Fertigschruppen) stehen 3 Werkzeuge, ein Haupt- und zwei Schwesterwerkzeuge, zur Verfügung. Sobald die Standzeit des Hauptwerkzeuges abgelaufen ist, wird ein Schwesterwerkzeug eingesetzt. Ist dann nach einiger Zeit auch bei diesem Werkzeug die Standzeit erreicht, kommt das zweite Schwesterwerkzeug zum Einsatz. Bei der hierbei verwendeten Schneidplatte handelt es sich um eine WNMG 080416 QM in der Sorte GC 4015 S. Für das Plandrehen (Planschruppen und Planschlichten) sind zwei Werkzeuge – ein Hauptwerkzeug und ein Schwesterwerkzeug – verfügbar. Der Schneidstoff ist hier derselbe wie beim Vordrehen.
Zwei Werkzeuge fürs Feinstdrehen
Für das Feinstdrehen statt Schleifen stehen auf dem Werkzeugträger 2 Werkzeuge (Hauptwerkzeug und ein Schwesterwerkzeug) bereit. Die Wendeplatte ist eine WNMG 080416 QM aus dem Schneidstoff CT5015 (Cermet) von Sandvik Coromant.
Einstechen des Simmeringsitzes
Ein weiterer Bearbeitungsvorgang ist das sogenannte Bramen (Einstechen) des Simmeringsitzes. Dieses Bearbeitungsverfahren wurde zwingend erforderlich, da die durch Feinstdrehen erzeugten Drehriefen vom Simmeringhersteller nicht akzeptiert wurden. Bei dem Bramwerkzeug wird eine T-Wendeplatte TCMW 16 T3 08 mit der Schneidkante parallel (rechtwinklig) zur Werkstückachse eingestellt und im Einstichverfahren eingesetzt. Diese geniale Idee wurde von dem Team H-J Berger, Ford, und Jürgen Friese, Sandvik Coromant, realisiert. Der Schneidstoff der Wendeschneidplatte ist ebenfalls ein Cermet von Coromant-CT525. Das Aufmaß für den Stechvorgang beträgt 0,05 mm, die Oberfläche ist absolut riefenfrei gefertigt.
Ursprünglich wurde zur Herstellung des Simmeringsitzes ein Rollierwerkzeug verwendet; diese Verfahren wurden wegen möglicher Materialüberlappung (Schuppenbildung) verworfen.
Schnittdaten
Beim Vordrehen (Schruppen) beträgt die Schnittgeschwindigkeit 180 m/min, beim Plandrehen (Planschruppen) 220 m/min und beim Schlichten 320 m/min. Die Vorschübe liegen beim Schruppen zwischen 0,45 und 0,65 mm/U, beim Schlichten sind es 0,2 mm/U. Die Durchlaufzeit eines Werkstücks beträgt nur 0,84 Minuten.
Werkzeugeinstellung
Die Werkzeuge werden anfangs mit einem Erfahrungswert eingestellt. Dieser gewährleistet, daß die Abmessungen des fertigen Werkstücks mit hoher Wahrscheinlichkeit in der Toleranzmitte liegen. Zur Sicherheit tritt dann noch ein Regelmechanismus in Kraft, um Abweichungen, z.B. infolge Werkzeugverschleiß, zu korrigieren.
Werkzeugwechsel
Das Auswechseln der Werkzeuge am Achtstellungsrevolver erfolgt manuell. Hydraulisch per Knopfdruck können die Coromant Capto-Köpfe sofort entnommen und neue Köpfe eingesetzt werden. Der Werkzeugwechsel geschieht in Sekundenbruchteilen. Mit einer Werkzeugbestückung werden normalerweise 350 Achsschenkel bearbeitet. Vor der Optimierung kam es vor, daß bereits nach 20 Werkstücken die Werkzeugschneiden ausbrachen.
Trockenbearbeitung
Ein Vorteil ist, daß die Bearbeitung der Achsschenkel trocken durchgeführt wird, also keine aufwendige und umweltbelastende Flüssigkeitskühlung notwendig ist. Die Späne werden einfach weggeblasen, und auch die Reinigung der Werkzeuge und Meßeinrichtung geschieht lediglich mit Druckluft.
Meßeinrichtung
Zur Einhaltung der Qualitätsanforderungen wird jedes bearbeitete Werkstück innerhalb der Drehzelle in einer Meßeinrichtung automatisch gemessen. Es findet somit eine 100%-Messung statt. Mit dem Meßvorgang gekoppelt ist ein Werkzeug-Überwachungsprogramm mit Bildschirmanzeige für jedes am Zerspanungsprozeß beteiligte Werkzeug. Liegen die Meßwerte außerhalb der zulässigen Toleranz, wird im Signalaustausch mit der Maschinensteuerung entweder eine automatische Korrektur der betreffenden Werkzeugposition oder ein Schwesterwerkzeug eingesetzt. Temperaturbedingte Maßabweichungen der Werkstücke werden in der Zelle ständig kontrolliert und mit einer speziellen Regelstrategie korrigiert.
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