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„Fanuc Japan verstärkt den Fokus auf Deutschland!“

Interview: Ralf Winkelmann und Matthias Fritz, Geschäftsführer, Fanuc Deutschland
„Fanuc Japan verstärkt den Fokus auf Deutschland!“

Welche Impulse sie als neue Fanuc Deutschland Geschäftsführer setzen wollen und welche Rolle die offene IoT-Plattform Field dabei spielt, das verraten Ralf Winkelmann und Matthias Fritz im Interview. Das Interview führten: Armin Barnitzke und Holger Röhr

mav: Herr Winkelmann, Herr Fritz: Sie beide bilden seit Herbst 2016 zusammen mit dem Europa-Präsidenten Shinichi Tanzawa die neue Fanuc Deutschland Geschäftsführung. Warum ein Dreigestirn?

Winkelmann: Mit Blick auf unsere ehrgeizigen Wachstumsziele und die steigende Bedeutung von Fanuc Deutschland im weltweiten Fanuc Verbund haben wir ganz einfach die Notwendigkeit gesehen, die vielfältigen Aufgaben zu verteilen und so mehr zu fokussieren. Daher haben wir nun einen Geschäftsführer im Bereich Technik, Herrn Fritz, und einen Geschäftsführer im Bereich Vertrieb, mich. Letztlich war es für uns auch ein gemeinsames Commitment, dass wir als operative Führungsköpfe das Frontend nach außen bilden.
Fritz: Ralf Winkelmann und ich kennen uns sehr gut und arbeiten seit Jahren eng zusammen. Daher ist eine gemeinsame Geschäftsführung sehr fruchtbar, weil wir beide einen Sparringspartner haben. Der Austausch gibt uns Gelegenheit, Entscheidungen zu reflektieren, und bringt uns auf neue Gedanken, die man als Einzelkämpfer vielleicht übersehen hätte.
Und wie ist die Rolle von Shinichi Tanzawa?
Winkelmann: Shinichi Tanzawa als Europa-Präsident ist zugleich Sprecher der Geschäftsleitung. Das ist bei japanischen Unternehmen durchaus üblich. Herr Tanzawa lässt uns natürlich die operativen Freiheiten, die es braucht, um das Geschäft voran zu treiben. Zugleich haben wir einen großen Vorteil: Wir haben als Fanuc Deutschland mit Herrn Tanzawa ein weiteres Sprachrohr auf höchster Ebene – was uns sehr hilft.
Stärkt ein Japaner in der Geschäftsführung auch den Kontakt ins japanische Headquarter?
Winkelmann: Ja. Den Transparenz-Gedanken unserer Zentrale in Japan – Tomei – leben wir in der deutschen Geschäftsführung ganz stark. Wir sind daher sehr intensiv im Kontakt mit Luxemburg, aber eben auch direkt mit Japan. Das ist ein großer Fortschritt im Vergleich zur Vergangenheit. Dadurch können wir offene Fragen viel schneller umsetzen und klären.
Fritz: Das ist auch deshalb besonders wichtig, weil unsere Zentrale in Japan den Fokus auf Europa verstärken will: Wir haben hier viele Schlüsselkunden. Deren Maschinen gehen zwar in die ganze Welt, aber die Entwicklung läuft hier. Das hat man in Japan erkannt. Deutschland soll daher ein Stück weit Entwicklungsstandort werden.
Wie gehen Sie das konkret an?
Fritz: Eine starke Intensivierung der Kontakte nach Japan ist für mich persönlich ein ganz wichtiges Thema – nicht nur auf der Management-, sondern auch auf der Technikebene. Daher setzen wir konsequent auf Austausch und Kommunikation und nutzen viel mehr die Möglichkeiten moderner Technologien. Wir haben wöchentliche Videokonferenzen direkt mit dem Entwicklungslabor im Headquarter. Da können unsere Applikations-Teams die Bedürfnisse der deutschen Kunden direkt in den Entwicklungsprozess einfließen lassen. Und wenn man virtuell quasi am selben Tisch sitzt, ist dieser Effekt nicht zu unterschätzen.
Inwiefern?
Fritz: Das ist für alle Beteiligten ein ganz anderes Feeling in der Zusammenarbeit. Letztlich versetzt uns das in die Lage, zusammen mit unseren deutschen Kunden bestimmte Themen und Technologien konkret anzupacken. Denn damit bringen wir die deutschen Kunden viel näher ans Produkt, weil wir in Japan mehr Kundenverständnis schaffen, wie ein Produkt für den deutschen Markt in Zukunft aussehen muss.
Planen Sie dann auch ein eigenes Entwicklungszentrum in Neuhausen?
Fritz: Das sehe ich eher als langfristigen Prozess. Ich bin ein Freund von organischem Wachstum: Wir starten daher das eigene Entwicklungszentrum zunächst in einem überschaubaren Rahmen. Das Ganze soll dann über die nächsten 3 bis 5 Jahre allmählich wachsen. Und wenn wir die Entwicklungsarbeit weiter so intensivieren wie wir das angefangen haben, werden wir in ein paar Jahren ganz anders dastehen.
Winkelmann: Und das ist keine reine Zukunftsmusik. Wir bieten den Kunden heute bereits eine ganze Menge an Technikleistungen an. Wir haben 100 Leute im Service und fast 100 Leute im Applikations-Support. Diese Manpower steht Maschinenbauern zur Verfügung, um Sachen zu entwickeln und auszuprobieren. Das müssen wir den Kunden noch viel klarer machen. Ein Meilenstein ist hier sicher unsere neue Akademie, in der wir ein Technologiecenter integriert haben, in dem wir auf einer Fläche von 1000 Quadratmetern alle Produktbereiche bespielen können. So können wir mit dem Kunden zusammen Prozesslösungen erarbeiten. Mit dem Technikum können wir zudem unsere technologischen Möglichkeiten demonstrieren, beispielsweise welche komplexen Teile wir mit unserer Robodrill inzwischen herstellen können.
Fritz: Das geht sogar so weit, dass wir eine Seriensicherheit nachweisen können. Wir haben von allen Maschinen Varianten vor Ort, so dass wir Teile im Technologiecenter jederzeit sofort auf die Maschine bringen und testen können. Darüber hinaus bauen wir einen Klimaraum für die Robocut Maschinen – schließlich können wir mit der Robocut bis aufs Mü genau produzieren. Solche Genauigkeiten wollen wir mit der entsprechenden Messmaschine nachweisen können, ohne dass das Klima eine Rolle spielt.
Welche Ziele haben Sie sich im Vertrieb gesetzt?
Winkelmann: Eins ist klar: Wir wollen noch näher an den Kunden ran. Das Ganze hat mit dem Merger der drei Einzelgesellschaften zur Fanuc Deutschland GmbH begonnen. Diesen Gedanken führen wir nun konsequent fort. Wir passen daher die Vertriebsorganisation an: Um verstärkt dort präsent zu sein, wo die Kunden sind, und dort die richtige Kompetenz vor Ort zu gewährleisten, restrukturieren wir den Vertrieb in regionale Teams. Wir werden den Vertrieb sicher auch personell aufstocken. Das machen wir aber gezielt Schritt für Schritt und nicht mit der Gießkanne.
Apropos Merger – ist dieser schon abgeschlossen?
Winkelmann: Merger einer solchen Größenordnung gehen nicht von heute auf morgen über die Bühne, da sind wir keine Ausnahme. Wir sind jetzt im dritten Jahr und noch lange nicht am Ende. Aber wir sind auf einem guten Weg, insbesondere hier in Neuhausen. Dabei haben wir auch festgestellt, dass der Informationsaustausch über die einzelnen Produktlinien hinweg ein absoluter Beschleuniger sein kann – gerade beim technischen Support.
Fritz: Letztlich muss auch die technische Integration noch weiter voranschreiten. Für erste Systemhäuser ist es bereits selbstverständlich, eine Robodrill und einen Roboter zu integrieren und als Paket zu verkaufen. Aber das ist ein erster Schritt und noch nicht in allen Köpfen verankert – hier ist also noch viel Potenzial vorhanden. Diese Synergien werden wir daher technisch ausbauen.
Wie?
Winkelmann: In dem wir beispielsweise dafür sorgen, dass man Fanuc Produkte noch einfacher plug and play vernetzen kann. Dadurch können wir unseren CNC- und Maschinen-Kunden einen Mehrwert durch den Einsatz eines Roboters bieten. Europa kann in der Fertigung im weltweiten Wettbewerb nur durch einen Vorteil in Sachen Effizienz und Produktivität bestehen. Und das bekommt man nur mit Automatisierung hin.
Welche anderen technischen Vorteile wollen Sie in den Vordergrund rücken?
Fritz: Wir müssen dem Kunden auf dem Shopfloor einen konkreten Mehrwert bieten. Das Thema TCO – also Total Cost of Ownership – müssen wir daher stärker in den Vordergrund rücken, denn das ist unsere große Stärke. In Sachen Reparaturkosten beispielsweise sind wir über 10 Jahre betrachtet ganz vorn. Und der größte finanzielle Nachteil für den Kunden entsteht ja nicht durch die Reparatur, sondern durch den Ausfall der Maschinen. Hier kommen neue Technologien wie IoT und künstliche Intelligenz ins Spiel. Mit unserem Field System folgen wir daher dem Ansatz, die Verlässlichkeit unserer Systeme mit dem Vorteil von KI zu verknüpfen, um Trends zu erkennen und so eine Predictive Maintenance anbieten zu können.
Was genau steckt hinter Field?
Winkelmann: Die Idee ist, den Gedanken des IoT in die Produktion zu bringen. Field hilft uns, Daten besser zu analysieren, um so dem Kunden eine ausfallfreie Produktion zu ermöglichen. Das Besondere: Field ist eine offene Plattform, die Fanuc Produkte aber auch Drittprodukte zusammenführt. Auf der Messe Jimtof haben wir das bereits gezeigt, in dem wir nicht nur Fanuc Maschinen, sondern auch Maschinen von Wettbewerbern in das Field-System integriert haben.
Fritz: Mit dieser Offenheit grenzen wir uns ganz bewusst von Marktbegleitern ab. Wir legen die Schnittstellen offen. Jeder kann also dafür Schnittstellen schreiben und sich so in das System einklinken. Auf Basis der Plattform stellen wir dann konkrete Angebote zur Verfügung. Ein Beispiel ist unser Service Zero Downtime (ZDT), mit dem wir Kunden helfen, ihre Produktion ohne Unterbrechungen zu betreiben.
Welche Rolle spielt die künstliche Intelligenz dabei?
Fritz: Ohne Intelligenz ist das Ganze natürlich erstmal nur ein riesiges Datengrab. Das System muss auf Basis der gesammelten Daten in der Lage sein, Schlussfolgerungen zu ziehen – auch solche, die man aufgrund der sonst üblichen Wenn-Dann-Abfolgen gar nicht bemerken würde.
Aber rücken die Kunden ihre Daten freiwillig raus?
Winkelmann: Natürlich gibt es gerade in Deutschland eine Angst im Umgang mit Daten. Man scheut oft vor einer Nutzung von Daten zurück und sieht erstmal den kritischen Aspekt dabei. Wir wollen helfen, diese Angst zu überwinden. Denn das Thema Smart Data würde Deutschland – global betrachtet – voran bringen.
Fritz: Für Kunden, die in Sachen Daten noch zweifeln, haben wir daher bewusst zwei Varianten im Angebot: Eine Cloud-Lösung und eine On-Premise-Lösung. Wenn jemand tatsächlich Bedenken bezüglich der Sicherheit hat, kann er die Daten bei sich behalten.
Wollen Sie mit Field auch Geld verdienen oder ist das nur ein nettes Add-on für Ihre Roboter und CNC-Steuerungen?
Winkelmann: Kostenlos können wir das Ganze nicht anbieten. Da steckt schließlich eine Menge Arbeit und Investment drin, was unseren Kunden schlussendlich einen Mehrwert generiert. Natürlich wollen und müssen wir damit auch Geld verdienen, zumal sich die Geschäftsmodelle ändern: Mit dem reinen Komponentenverkauf kommt man in Zukunft nicht weiter, man muss daher auch andere Business-Modelle ins Spiel bringen. Field ist eines dieser Modelle – besser gesagt die Applikationen, die auf Field laufen.
Haben Sie in Sachen Field bereits Kundenprojekte?
Fritz: Bei den großen Automobil-OEMs ist der Bedarf in jedem Fall da, gerade Predictive Maintenance ist hier ein großes Thema. Es gibt daher bereits einige ganz konkrete Projekte, aber viele Kunden sondieren noch: Wie sieht unsere IT-Infrastruktur aus? Welche Voraussetzungen brauchen wir? Daher starten wir meist zunächst mit Pilotzellen, mit denen der Kunde das Ganze testen kann, bevor es in die Fabrik ausgerollt wird.
Sie sind ja bekannt dafür, dass Sie Technologien im Stillen fertig entwickeln und erst dann an den Markt bringen. Wettbewerber wie Siemens und Kuka drehen allerdings schon eine ganze Weile öffentlichkeitswirksam am großen Industrie-4.0-Rad. Haben Sie da nicht Angst, in der öffentlichen Wahrnehmung an Boden zu verlieren?
Winkelmann: Mag schon sein. Aber uns geht es in erster Linie darum, den Kunden zuzuhören. So passen wir die Produkte den Bedingungen der Kunden an. Entsprechend bringen wir Field nun Stück für Stück an den Markt. Aber klar: Schon in der Vergangenheit hatten wir das ein oder andere spannende Feature nicht an die große Glocke gehängt. Ein Beispiel: Den sicheren Roboter mit DCS haben wir schon seit vielen Jahren und nun scheint es so, als würde die Technologie gerade in Europa neu erfunden. Daher arbeiten wir daran, unsere technologische Innovationskraft stärker in den Vordergrund zu stellen.
Welche Pläne haben Sie speziell im CNC-Umfeld?
Winkelmann: Global sind wir hier Weltmarktführer, in Europa haben wir großen Nachholbedarf. Der Ausbau dieses Marktanteils wird sicher eine unserer Kernaufgaben sein, auch wenn uns natürlich bewusst ist, dass dies im Heimatland des großen Wettbewerbers eine große Herausforderung ist. Wir haben seit einigen Jahren circa 10 Prozent Marktanteil, den wollen wir ausbauen und einen signifikanten Abstand zur 10 gewinnen. In den nächsten drei bis vier Jahren wollen wir auf 15 Prozent Marktanteil kommen.
Und wie steht es bei den Werkzeugmaschinen: Wollen Sie die Robodrill verstärkt vermarkten und das Konzept technologisch ausbauen, auch wenn Sie damit in Wettbewerb zu ihren CNC-Kunden treten?
Fritz: Technologisch hat sich Einiges getan. Wir sind seit vergangenem Jahr in der Lage, auf der Robodrill zum Beispiel Impeller zu produzieren. Hierfür benötigt man normalerweise eine Maschine, die fünfmal so viel kostet und viermal so groß ist. Technologisch bauen wir die Robodrill also definitiv aus, aber wir bleiben in unserer Marktnische.
Winkelmann: Denn wir wollen definitiv nicht in den Wettbewerb mit unseren CNC-Kunden einsteigen – deswegen bespielen wir explizit ein überschaubares Marktsegment, überschaubar hinsichtlich der Anforderungen aber auch hinsichtlich der Größe. Dieses Marktsegment wollen wir nicht verlassen – was aber natürlich nicht heißt, dass wir die Maschinen in diesem Segment nicht aktiv vermarkten und nicht kontinuierlich verbessern. Denn das Konzept der Robodrill als flexibles modulares System wird in der Fabrik der Zukunft eine immer größere Rolle spielen. Wenn man immer agiler fertigen will, und das kostengünstig bis zur Losgröße eins, braucht man kleine flexible Einheiten, die man modular anordnen kann – ein Credo, das die Robodrill erfüllt.
Was wird bei Fanuc auf der EMO im Vordergrund stehen?
Winkelmann: Field wird sicher eine wichtige Rolle spielen – sprich der Datenschirm, den wir über alle Maschinen spannen. Aber auch die neuen Maschinen-Produkte, wie die hoch genauen Robocut Maschinen – ebenso wie die neuen HMI für unsere Steuerungen. ■
Fanuc Deutschland GmbH www.fanuc.de
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