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Drehen von rostbeständigen Stählen leichtgemacht

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Drehen von rostbeständigen Stählen leichtgemacht

Der Werkstofftrend zu den schwer zerspanbaren, rostbeständigen Stählen hat in den 90er Jahren stark zugenommen. Mindestens ein Viertel der zu zerspanenden Stähle sind bereits rostbeständige Stähle. Firmen, mit anfallenden rostbeständigen Spänen von 30 Tonnen pro Monat, sind keine Seltenheit mehr. Aufklebeneigung, Kaltverfestigung sowie die teure, umweltfeindliche Nassbearbeitung gehören zum Alltag. Böhlerrit hat es mit einer neuen Drehsorten- und Geometrieentwicklung speziell für austenitische rostbeständige Stähle geschafft, die Zerspanung beim Drehen einfacher und wirtschaftlicher zu gestalten.

Autor: Georg Melcher Böhlerit GmbH, Kapfenberg

Die vier wesentlichen Herausforderungen bei der Zerspanung sind die Legierungselemente Cr (Chrom), Ni (Nickel), Mo (Molybdän) und C (Kohlenstoff).
Cr-Chrom:
Chrom ist ein Karbid-Bildner, seine Karbide steigern Schnitthaltigkeit und Verschleißfestigkeit von Stahl. Steigender Chromgehalt erhöht die Zunderbeständigkeit, während für die Korrosionsbeständigkeit von Stählen ein Mindestgehalt von 13% Chrom erforderlich ist.
Ni-Nickel:
Nickel ist kein Karbid-Bildner und hat daher nicht einen solchen negativen Einfluss auf die Zerspanbarkeit wie Chrom, jedoch erhöht Nickel die Aufklebeneigung durch Reduzierung der Festigkeit vom Stahl. Nickel verleiht bei mehr als 7% Gehalt in Verbindung mit hoch Cr-haltigen, chemisch beständigen Stählen eine Austenit-Struktur, bis weit unter Raumtemperatur.
Mo-Molybdän:
Molybdän ist ein starker Karbid-Bildner, welcher die Härtbarkeit vom Stahl verbessert und das Hartmetall bei der Zerspanung verschleißen lässt.
C-Kohlenstoff:
Mit zunehmendem C-Gehalt steigt die Festigkeit, Härtbarkeit und Dehnung von Stahl, die Bearbeitbarkeit nimmt jedoch ab.
S-Schwefel:
Die Zähigkeit in Querrichtung wird durch Schwefel deutlich verringert und ist damit Balsam für die Zerspanung. Die Schmierwirkung auf die Werkzeugschneide verhindert die Reibung zwischen Werkstück und Werkzeug und erhöht damit die Standzeiten. Ebenfalls wird durch Schwefel das Spanbruchverhalten in Richtung kurze Späne wesentlich positiv beeinflusst.
Austenitische, nicht rostende Cr-Ni-Stähle
Diese Gruppe ist grundsätzlich schlecht zerspanbar mit einem Cr-Anteil von mindestens 17% und Ni von ca. 7%, sowie einen durchschnittlichen Kohlenstoffgehalt von 0,03% bis 0,08%. Diese Werkstoffgruppe neigt bei der Zerspanung zur Kaltverfestigung. Aufgrund der relativ geringen Festigkeit (500-700 N/mm² ) neigen diese Stähle zum Aufkleben. Typische Vertreter dieser Gruppe sind: (X5 CrNi 1810 oder Böhler-Bezeichnung A 500): Dieser Werkstoff deckt ca. 50% der Rostfrei-Anwendungen ab und ist grundsätzlich relativ einfach zerspanbar. (X6 CrNiMoTi 17-12-2 oder Böhler-Bezeichnung A 300): Dieser Werkstoff deckt ca. 25% der Rostfrei-Anwendungen ab und ist schwierig zerspanbar. Besonders, wenn er nicht geschwefelt ist, was die Stahl-Hersteller leider selten anführen.
Duplex-Stähle
(Nichtrostender, ferritsch-austenischer Stahl) Diese Werkstoffgruppe mit außerordentlich hohem Cr-Gehalt ( ca. 20 -30% sowie Ni um ca. 5%) und teilweise 50% höherer Zugfestigkeit als austenitisch-rostbeständige Stähle, sind sehr schlecht zerspanbar. Ein Vertreter dieser Gruppe ist z. B. 1.4462 (X2 CrNiMoN 22-5-3 oder Böhler-Bezeichnung A 903SC). Verwendung: Chemische Industrie, Ölfeld-Industrie.
Ferritische und mar- tensitische rostfreie Stähle
Diese Gruppe von Chromstählen ist prinzipiell gut zerspanbar.
Verwendung: Schiffs-, Maschinen- und Apparatebau, sowie Molkereien.
Die Standzeiten bei austenitisch, rostbeständigen Stählen werden neben den Cr, Ni-Anteilen ganz stark vom Schwefelgehalt bestimmt. Die Welt der Zerspanung verändert sich ab einem Schwefelgehalt von 0,015% positiv. Der Einfluss der unterschiedlichen Legierungszusammensetzungen, sowie ob Spurenelemente von Schwefel vorhanden sind, machen die Anforderungen an den Schneidstoff besonders anspruchsvoll.
Bei Werkstoffen mit höherem Schwefelgehalt von 0,015% – 0,038% setzen sich besonders zähe beschichtete Hartmetallsorten durch, während bei niedrigem Schwefelgehalt (0,002%) durch die höhere Härte des Werkstoffes eine höhere thermische Belastung auf das Werkzeug kommt und dadurch eine verschleißfestere Hartmetallsorte mit höherer Warmhärte wirtschaftlicher ist.
Die Metallurgen von Böhlerit haben sich diesen anspruchsvollen Aufgaben gestellt. Die bereits weit reichenden Erfahrungen der Gradientensinterung haben sich im eigenen Zerspanungslabor beim Standzeittest und beim Zähigkeitstest (Schlagtest) auf unterschiedlichen Cr-Ni-Stählen durchgesetzt.
Diese Produktionstechnologie vereinigt die Anforderung Zähigkeit kontra Verschleißfestigkeit bzw. Warmfestigkeit durch Zähigkeitssteigerung in der Randzone direkt an der Schneidkante, sowie die Warmfestigkeit im Kern. Auch in der Beschichtung kommt der Technologieschub von Böhlerit bei diesem neuen Produkt zum Tragen. Die fein abgestimmten MT-CVD-Schichten wurden besonders gegen die Aufklebeneigung der rostbeständigen Stähle entwickelt. Aus vielen Prototypenvarianten wurde die zähe LC 435D als der ideale Kompromiss gefunden. Aufgrund der hohen Wärmeentwicklung bei der Zerspanung von rostbeständigen Stählen, wird größtenteils nass zerspant.
Durch zukunftsweisende und innovative Wärmeableitflächen an den Wendeplattenauflageflächen (höhere Wärmeabfuhr durch das Werkzeug), ist diese neue Drehwendeplattengeneration auch für die Trockenbearbeitung von austenitisch, rostbeständigen Stählen geeignet. Selbst bei der Nassbearbeitung wird die Werkstückerwärmung durch die Wärmeableitflächen um ca. 5 – 10% reduziert.
Keine Kompromisse mussten bei der Spanleitstufenentwicklung für die rostfreien Materialien eingegangen werden. Um die Kaltverfestigung zu verhindern, wurden extrem positive Makrogeometrien (Spanwinkel fast wie bei Aluminium) und schnittige Mikrogeometrien entwickelt, welche durch die zähe Gradientensinterung vor Schneidkantenausbrüchen geschützt werden.
Mehr Schnittigkeit garantiert die neu entwickelte Mikrogeometrie vor allem im vorderen Schneidenbereich durch extrem positive schmale Schneidkantenfasen. Vom Eckenbereich zur Mitte der Wendeschneidplatte für etwas größere Spantiefen dreht die Mikrogeometrie stabilisierend, bleibt jedoch im positiven Bereich, um auch hier die Schnittigkeit zu erhalten.
Keine Kosten und Mühen wurden bei Böhlerit gescheut, um einen optimalen Spanbruch über eine breite Spanmatrix bei austenitisch, rostbeständigen Stählen ohne Kaltverfestigung zu garantieren, daher wurden vier schnittige Geometrien (BFMS, BMS, BMRS und BSMS) für die rostfreie Stahlbearbeitung aufgelegt.
Anwendungsbeispiele:
Erfahrungsgemäß liegen beim Werkstoff 1.4571 die Standzeiten bei 10 min mit Schnittparameter
vc = 150 bis maximal 180 m/min,
ap = 2 mm
f = 0,25 mm/U, sowie Nassbearbeitung.
Die neue LC 435D in der Wendeplattentype CNMG 120408-BMS erlaubt eine Steigerung der Schnittgeschwindigkeit auf vc= 200 m/min und erzielt bei gleicher Spantiefe (ap) und Vorschub (f) eine Standzeit von 13 min.
Ein klassisches Praxisbeispiel bei einem Armaturenhersteller ist die Bearbeitung von einem Gehäusestutzen aus dem Werkstoff 1.4571.
Schnittparameter mit Emulsion:
vc = 130 m/min
ap = 3,5 mm
f = 0,3 5 mm/U
Wendeplatte: DNMG 150608-BMS LC 435D;
Wettbewerber: Japanischer Hersteller;
Ausfallsursache: Ausbrüche und Verschleiß nach ca. 5 Minuten bei bisherigen Lieferanten;
Ergebnis: LC 435D
Nach 14,5 Minuten Standzeit eine Verschleißmarkenbreite von vb 0,12 mm und vb max. = 0,2 mm. Nur ein japanischer Mitbewerber hat die selbe Standzeit erreicht, jedoch mit einem Verschleiß Vb = 0,18 mm und Vb max = 0, 32 mm.
Hier hat sich das zähe LC 435D mit der schnittigen BMS-Geometrie durchgesetzt. LC 435D bietet bei diesem Anwendungsbeispiel noch Standzeitreserven von 30%, oder gleiche Standzeit bei noch wirtschaftlicheren höheren Schnittparametern.
Schlussbetrachtung
Die zähe LC 435D garantiert bei austenitisch, rostbeständigen Stählen hohe Bearbeitungssicherheit, Reduzierung der Aufklebeneigung, sowie durch die schnittigen Spanbrecher keine Kaltverfestigung mehr und damit eine sichere, einfache Bearbeitung.
Die erste Produktpräsentation der neuen LC 435D erfolgte mit einem breiten Programm auf der METAV 2000 Ende Juni in Düsseldorf. Ab September 2000 wird das Drehen von rostbeständigen Stählen von Böhlerit in Österreich leichter gemacht.
– mav 201
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