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Die Zukunft der verlängerten Werkbank

Deutsche Lohnfertiger im internationalen Vergleich
Die Zukunft der verlängerten Werkbank

Gerade in der produzierenden Industrie wandern seit Jahren Arbeitsplätze in Billiglohnländer ab. Werden sich die Lohnfertiger des Maschinen- und Anlagenbaus diesem Trend ebenfalls beugen müssen? Wie stark wird das Label „made in Germany“ auf lange Sicht sein – auch und insbesondere vor dem Hintergrund der Konkurrenz aufstrebender Volkswirtschaften wie etwa China?

Um die gegenwärtige Situation und zukünftige Entwicklungen einschätzen zu können, lohnt sich ein näherer Blick darauf, wie sich der Markt für Lohnfertiger in den vergangenen 20 Jahren entwickelt hat. Lohnfertiger sind spezialisierte Industrieunternehmen, die entweder aus Handwerksbetrieben hervorgegangen sind oder von Maschinenbauern ausgegründet wurden. Noch bis in die 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts hatte sich gerade der deutsche Maschinen- und Anlagenbau durch eine extrem hohe Fertigungstiefe ausgezeichnet. Auch wenn das viel zitierte Beispiel der selbst gefertigten Schraube eher ein Klischee ist, so fand der weit überwiegende Teil der Wertschöpfung lange Jahre in den eigenen Werkhallen statt.

Doch um international wettbewerbsfähig zu bleiben, haben sich die Hersteller strategisch neu ausgerichtet. Mehr und mehr konzentrierte man sich auf das Engineering und die Projektumsetzung und hält heute nur noch diejenigen Fertigungs- und Montagekompetenzen im Unternehmen, mit denen man sich von Wettbewerbern abheben kann. Alle übrigen Funktionen und Fertigungstechnologien wurden nach und nach ausgelagert. Im Blickfeld standen dabei vor allem solche Maschinen und Bearbeitungszentren, die sich mit den eigenen Aufträgen nicht wirtschaftlich auslasten ließen, so zum Beispiel der Bereich der Laserschneidetechnik.
Aus Sicht der Maschinen- und Anlagenbauer fungieren die ausgegründeten Lohnfertiger wie eine externe Kostenstelle. Darüber hinaus profitieren die Auftraggeber aber auch technologisch. Durch die Konzentration auf einzelne Fertigungstechnologien haben sich die Zulieferer ein tiefes Knowhow erworben. In vielen Fällen erlaubt ihnen dieses Wissen, selbst kleinste Losgrößen wirtschaftlich zu fertigen. Eine Kompetenz, die ihnen gerade auch im internationalen Wettbewerb einen Vorsprung von mehreren Jahren einbringt.
Gewachsene Partnerschaften
Zusätzlich zu den Faktoren Technologiekompetenz und Wirtschaftlichkeit schätzen Maschinen- und Anlagenbauer aber auch die räumliche Nähe zu ihren Lohnfertigern. Mehr denn ja sehen sich die Hersteller erst durch den engen regionalen Verbund in der Lage, die Durchlaufzeiten ihrer Projekte in einem marktverträglichen Rahmen zu halten. Angesichts der weiter zunehmenden Komplexität der zu fertigenden Investitionsgüter stellt die Einhaltung der Liefertermine eine immer größere Herausforderung dar.
Ungeachtet dieser Zeitvorteile, beschränkt sich der Mehrwert regional aufgestellter Zuliefernetzwerke jedoch keineswegs nur auf rein logistische Fragen. Mindestens genauso wichtig ist die größere kulturelle Nähe. Gerade in der Investitionsgüterindustrie geht es fortgesetzt darum, gemeinsam mit den Zulieferern nach neuen Lösungen zu suchen. Spricht der Partner in der verlängerten Werkbank die gleiche Sprache und teilt er die Mentalität seiner Auftraggeber, kommen die Verantwortlichen bedeutend einfacher zu den gewünschten Ergebnissen. Dank der Nähe zu ihren Auftraggebern, bringen deutsche Lohnfertiger daher beste Voraussetzungen mit, um das geforderte Innovationstempo weiter mitgehen zu können.
Konzentration von Spezialanbietern
Dies bestätigt auch Prof. Günther Schuh, der das Forschungsinstitut für Rationalisierung (FIR) an der RWTH Aachen leitet. Ende 2014 hob er auf den Impulstagen für Einzelfertiger in Bonn hervor, dass einer der wichtigsten Standortfaktoren hierzulande in der hohen Konzentra- tion von Spezialanbietern liegt, die nicht nur innovationsstark, sondern auch kooperationsfähig sind. Für nahezu jedes technische Problem gebe es in der DACH-Region Spezialisten, die in der Lage seien, sich zu schlagkräftigen Projektbündnissen zusammenzuschließen, erläuterte Prof. Schuh.
Eine vergleichbare Dichte an kooperierenden Lösungsanbietern sei weder in Asien noch in Nordamerika zu finden. Diese in der Welt einmalige Grundfähigkeit sollten gerade die Unternehmen des Sondermaschinen- und Anlagenbaus noch konsequenter nutzen als bisher, regte der Direktor des FIR an. Wenn die Hidden Champions der hiesigen Exportindustrie ihr ohnehin schon hohes Maß an Arbeitsteilung weiter ausbauen, könnten sie ihre Wettbewerbsfähigkeit auch im anbrechenden Industrie 4.0-Zeitalter weiter steigern.
Auftragslage
Blicken wir abschließend auch noch einmal auf die Nachfrageseite. Auch an dieser Stelle darf optimistisch in die Zukunft geblickt werden. Die Wirtschaftskrisen der vergangenen Jahre und die damit verbundenen zahlreichen Tiefschläge haben die deutschen Unternehmen und hier besonders die Einzelfertiger verhältnismäßig unbeschadet überstanden. Zwar standen auch hierzulande einige Betriebe zeitweise stark unter Druck, jedoch ist Deutschland insgesamt gestärkt wie kaum ein anderes Land aus der Finanz- und Wirtschaftskrise hervorgegangen.
Als Exportnation profitiert Deutschland vom weltweiten Ruf deutscher Produkte. Nach wie vor steht das Label „made in Germany“ für Top-Qualität. Solange diese auf dem Markt nachgefragt wird, solange werden auch Lohn- und Preisdumping-Szenarien im gehobenen Preissegment keine gravierende Rolle spielen. Wichtig wird bleiben, dass sich die deutschen Lohnfertiger mit ihrer Ausrichtung klar von den Wettbewerbern aus Billiglohnländern abheben und sich gegenüber der in den Markt drängenden Konkurrenz behaupten. Dazu gehört neben tiefgreifendem Knowhow auch ein hoher Spezialisierungsgrad, Zuverlässigkeit und Geschwindigkeit.
Gerade der deutsche Maschinen- und Anlagenbau steht für eine hohe Innovationskraft, die mit jedem Auftrag immer wieder neu unter Beweis zu stellen ist. Hersteller und Lohnfertiger sind hier gleichermaßen gefordert. Letztere müssen das Tempo der Auftraggeber mitgehen und ihre Fertigungskompetenzen permanent weiterentwickeln. In diesem Sinne wächst die Lohnfertiger-Branche mit den Herausforderungen der Hersteller und kann – sofern sie mit ihrem Innovationstempo Schritt halten kann – optimistisch auf eine ebenso erfolgversprechende spannende Zukunft blicken.
ife Institut für Einzelfertiger GmbH www.ife-institut-einzelfertiger.de

Institut für Einzelfertiger
Das Institut für Einzelfertiger (IfE) richtet sich mit seinem Selbst- verständnis und seinen Dienstleistungen an Einzelfertiger. Also Auftragsfertiger, die für ihre Kunden spezielle Sonderanfertigungen, in Losgröße 1, 2, Kleinserien oder Varianten, realisieren. Hierfür bietet das IfE in zahlreichen Kompetenzfeldern Unterstützung.

Der Autor

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Manfred Deues, Vorstand der ams Solution AG und Mitglied im Management Board des Instituts für Einzelfertiger.
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