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Die Größe zählt beim Schleifen

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Die Größe zählt beim Schleifen

Die Größe zählt beim Schleifen
Bild 1: ISO-Standardformen
In diesem Jahr wurde die neue ISO 603 veröffentlicht – Dimensionen von Schleifkörpern – ein Dokument mit sechzehn Abschnitten und über 100 Seiten. Dieses Papier beschreibt den Hintergrund zu dieser Norm, die Herausforderungen bei ihrer Erstellung sowie die Erwartungen, die an dieses Werk geknüpft sind.

Der erste Eindruck des neuen Standards ISO 603 dürfte die Frage sein, warum es so vieler Seiten bedarf, um ein einfaches Produkt wie eine Schleifscheibe zu beschreiben.

Die allgemeine Wahrnehmung einer Schleifscheibe – zumindest für den Laien – ist die eines runden, abrasiven Körpers mit einem Loch in der Mitte, der etwa aus Sandstein oder Schmirgel besteht und als Schärfwerkzeug eingesetzt wird. Wer mit mechanischer Fertigung zu tun hat, kennt wahrscheinlich Standardprodukte, wie beispielsweise Schleifbockscheiben, Schneid- und Trennscheiben sowie Scheiben zum Werkzeugschleifen. Aber darüber hinaus gibt es doch wohl kaum andere Scheiben, oder? Nun, tatsächlich haben sich Schleifscheiben außerordentlich entwickelt, seit sie ursprünglich aus Sandstein gefertigt wurden. Die Entdeckung erheblich haltbarerer künstlicher Schleifmittel aus erschmolzenem Aluminiumoxid oder Siliziumkarbid sowie die Entwicklung moderner Bindungssysteme aus Glas, Kunstharz oder Gummi haben zu Präzisionsprodukten geführt, die heute in fast jedem Fertigungszweig Verwendung finden. Scheiben, die einst von Hand mit einigen wenigen Umdrehungen proMinute bewegt wurden, arbeiten heute mit Umfangsgeschwindigkeiten bis zu 450 km/h.
Warum brauchen wir Schleifscheiben?
Herkömmliche Materialbearbeitungstechniken wie Drehen, Fräsen und Umformen haben ihre Einsatzgrenzen bei gehärteten Materialien oder dort, wo sehr enge Maßtoleranzen einzuhalten sind oder eine hohe Oberflächengüte gefordert ist.
Wo brauchen wir Schleifscheiben?
Schleifwerkzeuge bearbeiten eine große Spannweite von Werkstoffen. Die Anwendungsfelder reichen vom Grobschleifen von Eisenguss bis zum Präzisionsschliff medizinischer Hohlnadeln, vom Trennen von Stahlbrammen bis zur Erzeugung von Spiegeloberflächen an Stahlrollen, vom Feinschleifen von Kugellagern bis zum Einbringen von Nuten in Spiralbohrer sowie vom Flachschleifen von Automobilkomponenten bis zum präzisen Profilieren von Turbinenschaufeln, ohne Schleifbrand zu erzeugen.
Schleifscheiben gibt es in mannigfaltigen Größen von den kleinen Schleifkörpern, die der Zahnarzt einsetzt, bis zu Werkzeugen mit 1400 mm Durchmesser, wie sie zur Bearbeitung von Schiffskurbelwellen verwendet werden. Das Breitenspektrum erstreckt sich von 0,1 mm zum Schlitzen von Füllfedern bis über 600 mm zum Spitzenlosschleifen roher Stahlstangen.
Unglücklicherweise haben die Fortschritte in der Schleiftechnik und die Notwendigkeit, Scheiben für bestimmte Maschinentypen zu entwickeln, zu einem Ausufern der Varianten an Größe, Form und Spezifikation geführt. Erst in den letzten Jahren haben Maschinenhersteller und Schleifmittelproduzenten die Zusammenarbeit aufgenommen, um einer weiteren Vervielfachung entgegenzuwirken und eine Standardisierung der Schleifscheibendimensionen zu fördern.
Formen von Schleifscheiben
Der erste Schritt zur Rationalisierung von Schleifmitteln war die Einigung auf ISO-Standardformen. Die Zeichnung rechts gibt Auskunft über die verfügbaren Standardformen. Ergänzend können Schleifscheiben mit einer von 14 definierten Randformen oder vom Anwender definierten Profil geliefert werden.
Warum standardisierte Dimensionen?
Schleifwerkzeuge werden in Pressformen hergestellt, die einen erheblichen Anteil an den Herstellkosten der Scheiben haben. Mit Ausnahme der oben erwähnten Standardprodukte werden Schleifscheiben fast ausschließlich für die Maschine, auf der sie eingesetzt werden, und genau für einen bestimmten Anwendungsbereich konzipiert. Für größere Schleifmittelhersteller ist es nicht ungewöhnlich, wenn pro Jahr über 8 000 unterschiedliche Scheibengrößen bei durchschnittlichen Losgrößen von weniger als 10 gefertigt werden.
Wenn es nun gelingt, Schleifscheibendimensionen zu standardisieren, dann hätten Schleifmittelhersteller bessere Aussichten, die Scheiben genau in ihre endgültigen Dimensionen und Formen zu pressen. Dadurch würden weniger Werkzeuge zur Bearbeitung benötigt, teure Nacharbeit ließe sich reduzieren. In der Folge könnten Fertigungslosgrößen steigen und Rüstkosten reduziert werden. Aus diesen Gründen ist das Nutzenpotential einer solchen Standardisierung der Dimensionen enorm.
Eine weitere Hürde bei der Standardisierung von Geometrien besteht darin, dass in Europa vorwiegend metrisch gerechnet wird, in Großbritannien, den USA und Japan mit Zollmaßen. Bisher ist die Umstellung in Großbritannien auf das metrische System eher minimal.
Das metrische System
Japan hat die Umstellung auf das neue System vorgenommen und dabei Zollmaße auf die jeweils nächsten 5 mm gerundet. Da Schleifscheibenbreiten ohne hohe Werkzeug- oder Bearbeitungskosten angepasst werden können, wurde auch im Vereinigten Königreich das europäische System akzeptiert.
Bohrungsgrößen werden durch die Maschinenspindel oder einen Aufnahmeflansch bestimmt und erfordern deshalb ein genaues Einhalten enger Toleranzen. Die Möglichkeit zur Umstellung von Bohrungsmaßen haben somit Maschinenhersteller und Endanwender; die Initiative allerdings kommt von Schleifscheibenherstellern, die vereinbarte Standards veröffentlichen. Als guten Kompromiss hat die ISO-Arbeitsgruppe zunächst die gängigsten Maße zusammengefasst und dabei die Dimensionen sowohl im metrischen als auch im englischen System berücksichtigt.
Für die meisten Anwendungen ist der Außendurchmesser der Schleifscheiben unkritisch, so dass Scheiben mit metrischen und englischen Angaben auf der gleichen Maschine eingesetzt werden können. Großbritannien hat aufgrund der Bedenken bei den Formkosten für Scheiben mit Durchmessern von mehr als 300 mm das alte System beibehalten und wird weiterhin, wie auch die USA und Japan, die etwas größeren Scheiben produzieren. In den anderen europäischen Ländern werden die metrischen Maße beibehalten. Um Werkzeugkosten zu minimieren, werden metrische und englische Maße in den gleichen Pressformen produziert, erst die Nachbearbeitung differenziert zwischen den Maßsystemen.
Allerdings nimmt die Lebensdauer von Schleifwerkzeugen mit dem verschleißbaren Durchmesser und damit mit dem Außendurchmesser zu. Zahlreiche europäische Hersteller haben deshalb aus Wettbewerbsgründen ihre Scheibendurchmesser auf die Zollmaße angehoben, wenn dieses aufgrund der Gegebenheiten an der Maschine möglich war. Da in dieser Phase nicht sichergestellt werden kann, dass die Zollmaße auf allen Maschinen einsetzbar sind, wurde ein vorübergehender Kompromiss mit Durchmesserpaaren metrisch/englisch entwickelt (Bild 2).
Wie geht es weiter?
Die ISO-Arbeitsgruppe für Schleifscheiben und Schleifmittel ist sehr aktiv und wird weitreichend unterstützt. Die kürzliche Initiative der japanischen Kollegen, die Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe zu verstärken, wird ausdrücklich begrüßt. Dieses wird voraussichtlich andere Länder dazu bewegen, ebenfalls aktive Mitglieder zu werden. Der Schlüssel für einen wirklichen internationalen Standard liegt allerdings in der Hand der Maschinenhersteller. Dabei wird ein pragmatisches Herangehen der ISO-Arbeitsgruppe helfen, metrische und englische Dimensionen zur Koexistenz im Standard zu führen.
– mav 209
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