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„Die besten Ideen entstehen meist ohne Zwang“

Andree Fees, Professor Siegfried Schmalzried und Ulrich Zierer, Zukunftsorientierte Zerspanung e.V.
„Die besten Ideen entstehen meist ohne Zwang“

Der Verein für Zukunftsorientierte Zerspanung e.V. hat sich zur Aufgabe gemacht, Unternehmen und Hochschulen mit dem Ziel zusammenzubringen: neue und richtige Trends in der Zerspanung zu erkennen und schnell darauf zu reagieren. Im Gespräch mit den Mitgliedern Andree Fees, Siegfried Schmalzried und Ulrich Zierer will die mav klären, ob das ein Verein überhaupt leisten kann. Das Interview führte: Frederick Rindle

mav: Rund 30 Unternehmen sind im Verein für Zukunftsorientierte Zerspanung e.V. Mitglied. Darunter findet man sowohl mittelständische Unternehmen, wie den MMS-Spezialisten HPM, bei dem Sie Herr Fees als Leiter FuE tätig sind, oder den Werkzeugspannsystemhersteller Bilz, dessen technischer Leiter Sie Herr Zierer sind, als auch weltweit agierende OEMs. Auf der Seite der Hochschulinstitute findet man eine ebenso beeindruckende Liste an innovativen Instituten. Welche Grundidee hat all diese Zerspanungsexperten in einen Verein gebracht?

Fees: Für einzelne Unternehmen wird es zunehmend unübersichtlicher, die neuen und richtigen Trends in der Zerspanungstechnik zu erkennen und schnell darauf zu reagieren. Unsere Mitglieder haben dies erkannt und haben den Verein gegründet, um sich mithilfe schlagkräftiger Kooperationen immer neuen Aufgaben zu stellen. Momentan beschäftigen wir uns zum Beispiel mit den Themen: Bearbeitung neuartiger hochfester Werkstoffe, wirtschaftliche Zerspanung von Faserverbundwerkstoffen, neue Technologien und Fertigungsverfahren (generative Fertigungsverfahren), Herausforderungen einer umfassenden Vernetzung (Industrie 4.0) und Einbindung der Fertigungsprozesse in die digitale Welt, globaler Wettbewerbs-und Innovationsdruck und vieles mehr. Unserem hohen Ausbildungsstand und den daraus folgenden technologischen Innovationen verdanken wir es, global als Vorreiter auf dem Gebiet der Zerspanungstechnologie zu gelten. Diesen Vorsprung können wir nur durch einen ständigen Lern- und Innovationsprozess verteidigen.
Herr Professor Schmalzried, Sie sind am Hochschulcampus Tuttlingen für den Bereich der Produktionstechnik zuständig. Welchen Stellenwert hat der Verein für ein forschendes Hochschulinstitut?
Schmalzried: Für uns als Hochschule sind die Themen Kooperation und Innovation ganz fest miteinander verknüpft. Von daher sind wir auch dem Verein Zukunftsorientierte Zerspanung beigetreten. Denn manchmal entsteht ein Innovationsfunken genau dann, wenn kein Zwang vorhanden ist. Diese Zwänge entstehen zum Beispiel auf der Forschungsseite oftmals durch die finanzielle Notwendigkeit, an geförderten Projekten teilzunehmen. Unter den Mitgliedern des Vereins wird hingegen der fachliche Austausch und das qualifizierte Gespräch gepflegt, dies führt oftmals zu den besten und am schnellsten umsetzbaren Innovationsideen. Denn der Kooperationspartner steht einem dann ja schon gegenüber.
Wie viele Projekte haben schon zwischen den Mitgliedern des Vereins stattgefunden?
Schmalzried: Öffentlich und damit zählbar, sind in der Regel ja nur die Projekte, die im Rahmen öffentlich geförderter Projekte stattfinden. Also die Kooperationen innerhalb des Vereins, bei denen das Zusammenspiel zwischen den wissenschaftlichen Institutionen und den passenden Firmen entscheidend für eine erfolgreiche Beantragung ist. Aber das ist lediglich die halbe Wahrheit, vielleicht sogar nur die Spitze des Eisbergs. Ich für meinen Bereich kann zum Beispiel sagen, dass vielmehr auch eine ganze Reihe an bilateralen Projekten entsteht, die sich einfach aus der Diskussion mit einem Vereinsmitglied ergeben, weil man sich inzwischen auch kennt und vertraut. Denn man weiß ja, wer was kann. Damit ist bei einer individuellen Problemstellung der erste Ansprechpartner bereits gesetzt.
Gibt es ein Projekt, auf das sie vielleicht auch mit etwas Stolz blicken?
Schmalzried: Ja, da fällt mir ein Projekt ein: Wir können aktuell die Genehmigung eines ZIM-Projektes verkünden. Die Idee hierzu ist bereits vor unserer Mitgliedschaft im Verein entstanden, jedoch erst durch den Verein haben sich die geeigneten Partner gefunden. Und plötzlich ging alles ganz schnell: Ein Partner mit ZIM-Erfahrung, dazu ein Partner der thematisch entscheidend wichtig ist, und es konnte losgehen. Hier kommen Kooperation und Innovation plus Förderung zusammen. Das ist die ideale Konstellation, die ganz bewusst auch vom BMWI gefördert wird. Ohne die Kooperation im Verein wäre die Umsetzung der Innovation für uns nicht möglich gewesen …
… und um was geht es da konkret?
Zierer: Bei dem Projekt Jet Bush geht es um eine strömungsoptimierte Adapterbuchse zur Werkzeugspannung für den Einsatz unter Minimalmengenschmierung. Hierzu arbeiten wir als Werkzeug- und Spannspezialisten mit den MMS-Experten von HPM und den Forschern der Hochschule Tuttlingen zusammen. Es geht bei dem Projekt um die gezielte Zuführung des bei der MMS eingesetzten Luft-Öl-Gemisches (Aerosol). Das Aerosol muss durch die Maschinenspindel und das Werkzeug bis zur Wirkstelle transportiert werden. Besonders beim Einsatz kleiner beziehungsweise filigraner Werkzeuge unterhalb von drei Millimeter gibt es hierbei noch ungelöste Herausforderungen. Denn bei den ohnehin durch die Zerspankräfte vergleichsweise hochbelasteten Werkzeugen muss noch zusätzlich ein Kanal zur Zuführung des Aerosols eingebracht werden. Das Problem dabei ist, dass die auftretenden Torsionskräfte nicht mehr von dem querschnittreduzierten Werkzeugkern aufgenommen werden können. Die zusätzliche Schwächung führt zu hochsensiblen und im Prozess nicht mehr handhabbaren Werkzeugen und schließlich zum Werkzeugbruch.
Die Adapterbuchse Jet Bush soll für Fräser und Bohrer mit einem Schaftdurchmesser kleiner zehn Millimeter bis hin zu Kleinwerkzeugen mit einem Schaftdurchmesser von 0,1 Millimeter sein. Prozesssicher ausgelegt wird das Funktionsprinzip bis zu einer maximalen Drehzahl von 20 000 Umdrehungen in der Minute. Die Technologie soll als Gesamtpaket bestehend aus Werkzeugspannsystem, Informationstechnologie MMS-4.0 und MMS-Aggregat angeboten werden. Das angestrebte zentrale technologische Entwicklungsergebnis umfasst das Produkt Adapterbuchse (Jet Bush) als Schnittstelle zwischen Werkzeugaufnahme und Werkzeug für die Minimalmengenschmierung.
Befasst sich der Verein auch mit Grundlagenforschung, und wenn ja, welche Vorteile ergeben sich daraus für die Forschung?
Schmalzried: Für mich als Lehrer und Forscher ist die Kooperation mit den Unternehmen von großer Bedeutung. Manchmal müssen wir Professoren einfach wieder auf den Boden der Tatsachen geholt werden. Will heißen: die schönste Forschungsidee hilft nichts, wenn für die Ergebnisse kein Markt existiert. Das geht dann bis in den Bereich der Grundlagenforschung hinein. Auch hier ist die richtige Richtung und der Bezug zur Industrie ganz wichtig. Gleiches gilt für die Lehre. Um innovative Ingenieure ausbilden zu können, muss der Professor wissen, welche Themen in der Industrie jetzt und zukünftig gefragt sind.
Welchen Stellenwert haben die Forschungsergebnisse bei den Mitgliedern?
Fees: Angesichts der aktuellen Arbeitsgruppen und der ZIM-Projekte haben diese einen hohen fachlichen Stellenwert. Neue Technologien können aus Sicht der KMUs in kürzester Zeit mit Entscheidern aus großen Anwenderunternehmen diskutiert werden, dies ist ein einmaliger Austausch und fördert Innovationen. Der Verein spart seinen Mitgliedern die aufwendige Zeit des Technologiescreenings. Neueste Lösungen kann man aus erster Hand erfahren und dies von den Personen, die sie geschaffen haben. Zudem kann in einer entspannten Atmosphäre, außerhalb der Lieferanten-Kundenbeziehung, ein fachlicher Austausch stattfinden. Dies schafft Vertrauen und vieles kann außerhalb des Protokolls ausgetauscht werden.
Ist der Verein ein Zukunftsmodell?
Fees: Ja, denn durch ein geschlossenes Auftreten nach außen und im Verbund in einem starken Netzwerk können, um Wissen aufzubauen, Partnerschaften verstärkt werden sowie eine schlagkräftige Interessenvertretung in Politik und Gesellschaft und bei Verbänden und Gremien geschaffen werden. Um noch schlagkräftiger zu werden, suchen wir momentan noch weitere Anwender aus dem Bereich der spanenden Fertigung. ■
„Hier kommen Kooperation und Innovation plus Förderung zusammen.“

Zukunftsideen in Serie

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Wie die Zukunft der Zerspanung aussehen kann, präsentieren die Mitglieder des Vereins für Zukunftsorientierte Zerspanung e.V. in einer exklusiven Serie in der mav.
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