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Deutschland geht auf die Startup-Autobahn

Disruptive Trends erfordern ein Zusammenrücken von Forschung, Politik und Industrie
Deutschland geht auf die Startup-Autobahn

Deutschland geht auf die Startup-Autobahn
Auf dem Stuttgarter Forschungscampus Arena 2036 entwickeln Wissenschaftler und Unternehmen gemeinsam Zukunftsideen für die Automobilproduktion der Zukunft. Bild: Arena 2036
Die deutsche Industrie ist in ihren Domänen wie etwa dem Automobilbau weltweit erfolgreich. Doch um marktumwälzenden Veränderungen begegnen zu können, bedarf es der branchenübergreifenden Zusammenarbeit von Wissenschaft und Wirtschaft. Einrichtungen wie Fraunhofer agieren erfolgreich an der Schnittstelle von Forschung und Kommerzialisierung. Aber um ein Silicon Valley der Industrie in Deutschland zu schaffen, braucht es auch eine neue Startup-Kultur. Autor: Dr. Frank-Michael Kieß

Knapp 80 Milliarden Euro wurden 2013 für Forschung und Entwicklung (FuE) in Deutschland ausgegeben – so die aktuell verfügbaren Zahlen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Rund zwei Drittel davon finanzierte die inländische Wirtschaft. Laut BMBF ist dieser Wert im internationalen Vergleich sehr hoch und gilt als charakteristisches Kennzeichen des deutschen FuE-Systems. Wo die Schwerpunkte liegen, zeigt eine Studie von Strategy&, des globalen Strategieberatungs-Teams von PWC. Danach will allein der VW-Konzern im Fiskaljahr ab Juli 2016 rund 12,2 Milliarden Euro in FuE stecken – mehr als jedes andere Unternehmen in der Welt. In Relation zum Umsatz ist die Quote von 5,6 Prozent allerdings allenfalls ein Branchen-Spitzenwert. US-Unternehmen wie der Google-Konzern Alphabet (16,4 Prozent) oder der Chip-Riese Intel (21,9 Prozent) liegen deutlich darüber.

Überhaupt bleiben die USA in punkto Innovationskraft der Maßstab: 13 der 20 weltweit forschungsintensivsten Unternehmen haben laut Strategy& ihren Sitz in den Staaten. Zwar seien die FuE-Budgets in Deutschland im Vergleich zum Vorjahr deutlich gestiegen. Doch speziell bei der Digitalisierung bedürfe es weiterer Anstrengungen, um auch langfristig mit den USA Schritt zu halten.
Die Digitalisierung, im Rahmen der Hightech-Initiative der Bundesregierung vor rund fünf Jahren aufgegriffen, beherrscht unter dem Schlagwort „Industrie 4.0“ die Debatten in der fertigenden Wirtschaft. Allein in Deutschland eröffne sie ein Marktpotenzial von 135 Milliarden Euro in den kommenden fünf Jahren, so Steffen Wischmann von der VDI/VDE Innovation + Technik GmbH. Um dieses Potenzial zu erschließen, müssten allerdings zunächst 200 Milliarden Euro investiert werden.
Sicherheits-Strategien sind gefragt
Doch Investitionen allein werden nicht reichen – es braucht auch effektive Strategien, um das Knowhow der deutschen Industrie zu bewahren und zu verhindern, dass IT-Multis wie Google am Ende den ganzen Rahm abschöpfen. Rund 90 Prozent der deutschen Mittelständler stünden der Industrie 4.0 verhalten gegenüber aufgrund der Furcht, dass relevante Daten abfließen, erläutert Bundesforschungsministerin Johanna Wanka.
Verhindern soll dies das Projekt „Industrial Data Space“, das Wanka gemeinsam mit Fraunhofer-Präsident Prof. Reimund Neugebauer vorgestellt hat. Ziel ist eine Referenzarchitektur ohne einen zentralen Server, den ein Einzelner kontrolliert. Unternehmen sollen selbst entscheiden, welche Daten sie für Dritte freigeben. So könnten sie von Broker-Services und App-Stores profitieren, ohne zugleich ihr Daten-Tafelsilber aus der Hand geben zu müssen.
Die Digitalisierung ist nur einer der disruptiven Trends, deren Entwicklungstempo einzelne Mittelständler rasch überfordern können. Ein anderer sind die neuen Mobilitätskonzepte. Werden beispielsweise die Rahmenbedingungen im Automobilbereich durch die Politik zugunsten von Elektrofahrzeugen verändert, dann könnte das deutsche Zulieferer-Geflecht schneller als erwartet vor großen Herausforderungen stehen.
Um ihnen zu begegnen, bedarf es gemeinsamer Anstrengungen von Universitäten, Forschungsinstituten und Unternehmen. Ein Beispiel liefert Arena 2036. Das im Sommer 2014 als Forschungscampus der Universität Stuttgart gestartete Projekt bietet auf 10 000 Quadratmetern Fläche ein neuartiges Zentrum, an dem Partner aus Wissenschaft und Industrie die Automobilentwicklung und -produktion der Zukunft erforschen.
Einen Schwerpunkt bilden die Anwendung von Technologien der Industrie 4.0 sowie wandlungsfähige Produktionssysteme, die weit weniger als bisher von Förderbändern und Taktzeiten abhängen. Ein Kernelement des Forschungscampus ist die Forschungsfabrik, in der unter der Leitung des Fraunhofer IPA die Aktivitäten zahlreicher Wissenschaftler gebündelt werden.
Silicon Valley im Südwesten
Die Fraunhofer-Institute haben sich in den vergangenen Jahren als Schnittstelle zwischen Forschung und Kommerzialisierung etabliert – ein Modell, das auch international Beachtung findet. Ein Erfolgsbeispiel ist die Entwicklung des MP3-Kompressionsstandards für Audio-Dateien, dessen Lizenzerträge der Fraunhofer-Gesellschaft sich jährlich auf einen hohen zweistelligen Millionenbetrag summieren. Doch das große Geschäft mit Endgeräten, Online-Musikportalen etc. haben andere gemacht. Damit Arena 2036 wirklich zu einem Silicon Valley das Automobilbaus wird, wie es Geschäftsführer Peter Fröschle vorschwebt, bedarf es auch einer neuen Startup-Kultur.
Zu diesem Zweck haben die Daimler AG, der US-Startup-Investor Plug and Play, die Universität Stuttgart und Arena 2036 Mitte des Jahres eine gemeinsame Innovationsplattform auf den Weg gebracht. „Startup Autobahn“ soll als Beschleuniger-Programm im Stuttgarter Raum wirken, welches internationale und regionale Startups mit Hardware- und Software-Fokus im Bereich Mobility bündeln will. Ziel ist die Gründerkultur in der Region Stuttgart zu stärken, einen intensiven Austausch zu generieren und Partnerkompetenzen zu bündeln. „Im Gegensatz zu Silicon Valley mit Software-Fokus sollen bei Startup Autobahn nicht nur software-, sondern vor allem auch hardwareorientierte Projekte im Vordergrund stehen“, gibt Thomas Weber, Vorstandsmitglied der Daimler AG und verantwortlich für die Konzernforschung & Mercedes-Benz Cars, die Marschrichtung vor.
Dass dabei mehr als nur der x-te Hidden Champion in Deutschland gesucht wird, machten die US-Partner von Plug and Play schon einmal deutlich. „Im Silicon Valley und in Berlin können Sie leichter Geld verdienen“, sagt Chef Saeed Amidi. Doch gerade im Südwesten sieht der amerikanische Partner von Daimler großes, noch unerschlossenes Potenzial „Wir können hier das neue SAP schaffen“, so Amidi – und verweist damit auf die letzte weltweit bedeutsame Unternehmensgründung im Südwesten. Und die liegt immerhin schon mehr als vier Jahrzehnte zurück. ■

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