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Der Tiger auf dem Sprung an die Weltspitze?

Maschinenbau aus Taiwan weiter im Kommen
Der Tiger auf dem Sprung an die Weltspitze?

Die Wirtschaft des ostasiatischen Inselstaats Taiwan zählt im Bereich der Halbleitertechnologie zu den weltweit führenden Nationen. Unter dem Label zahlreicher OEMs sind die Elektronik-Produkte von der schönen Insel, Formosa schon längst auch in Europa omnipräsent. Bei den Werkzeugmaschinen ist der wirtschaftliche Erfolg der Hersteller noch stark unterschiedlich. Die mav hat sich vor Ort bei den Maschinenbauern ein Bild gemacht.

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Überrascht von der wirtschaftlichen Entwicklung der süd-ostasiatischen Staaten Singapur, Südkorea, Hongkong und Taiwan, verlieh man diesen in den 80ziger Jahren mit der Bezeichnung Ti- gerstaaten auch sprachlich Kraft. Man war sich zu diesem Zeitpunkt einig, dass der wirtschaftliche Erfolg der Tiger von dem starken Einfluss aus Japan resultierte. Im Formationsflug sollen die wirtschaftlichen Emporkömmlinge der Leitgans Japan hinterhergeflogen sein, so die gängige Wirtschaftstheorie. Dass das bis zum Ende des 2. Weltkriegs japanisch besetzte Taiwan noch heute stark von der wirtschaftlichen Kraft Japans beeinflusst wird, ist keine Frage – aus dem Windschatten herausgetreten ist der Inselstaat aber schon lange.

Mit einer Fläche von 36 179 km2 ist Taiwan nur geringfügig größer als Baden-Württemberg, beherbergt aber auf dieser Fläche mit rund 23 Millionen Einwohnern mehr als doppelt so viele Menschen. Mit einem Pro-Kopf-Bruttoinnlandsprodukt von 20 930 US-Dollar liegt Taiwan laut Schätzungen des IWF für 2013 einen Platz vor Portugal auf dem 38. Rang. Ein wichtiges Standbein der aufstrebenden Wirtschaft ist der momentan aus deutscher Sicht stiefmütterlich beachtete, aufstrebende Maschinenbau.
Laut der Taiwan Association of Machinery Industry (TAMI) betrug 2012 der Gesamtwert der exportierten taiwanesischen Werkzeugmaschinen rund 3,2 Milliarden Euro. Dabei steht Deutschland als Handelspartner und Importeur der Maschinen seit 2011 auf dem fünften Rang. Für das laufende Jahr erwartet die taiwanesische Branche eine weitere noch unbezifferte Steigerung des Umsatzes in Deutschland. 2013 sei das Land bereits der weltweit viertgrößte Exporteur von Werkzeugmaschinenerzeugnissen gewesen, so der Verband.
Die taiwanesische Maschinenbauindustrie, insbesondere die Werkzeugmaschinenhersteller, geben dabei alles andere als ein einheitliches Bild ab. Herausragende internationale Firmen wie der Produzent hochwertiger Maschinen-Komponenten, insbesondere von Kugelrollspindeln und Linearführungen, Hiwin, oder der internationale Großkonzern Fair Friend Group (FFG) mit einem Umsatz von rund 2,5 Milliarden US-Dollar, dominieren sicherlich die internationale Wahrnehmung.
Spezialisten für Präzision
Die Erfolgsgeschichte von Hiwin ist dabei beachtlich: 1989 gegründet und heute bereits die weltweite Nummer zwei bei den Linearbewegungs-Systemen. Für das Unternehmen, welches ursprünglich einmal mit Kugelrollspindeln startete, ist Deutschland der größte Markt. „Um es einmal an ein paar Zahlen festzumachen, jeden Monat verlassen bei DMG 250 Maschinen und bei Heller weitere 100 Maschinen, ausgestattet mit Systemen aus dem Hause Hiwin, die Werkshallen“, sagt Sean Yang, Senior Executive Vice President bei Hiwin. Die Standardkomponenten werden dabei von den 3500 Mitarbeitern in Taiwan gefertigt. Für Klein- und Testserien hat Hiwin den Kugelrollspindel-Spezialist Holzer aus Offenburg gekauft und dort aus dem kleinen Betrieb ein Unternehmen mit rund 200 Mitarbeitern gemacht. Gegründet wurde der mittlerweile in rund 60 Ländern aktive Konzern von Eric Y.T. Chuo. Anders als in den meisten Technologie-Unternehmen hatte der Bänker keinen technischen Hintergrund, sondern gründete das Unternehmen mit großem technischen Verständnis und mit der Vision, einmal der größte Hersteller von Kugelrollspindeln zu sein.
Mittlerweile haben die Taiwaner neben Kugelrollspindeln und -antrieben auch Linearachsen, 6-Achs-Scara- und Delta-Roboter im Programm. „Unsere Roboterlösungen sind hauptsächlich für unsere Kunden in Taiwan und China“, sagt Yang. „Wir wollen für diesen Markt passende Automatisierungslösungen bieten. Diese unterscheiden sich deutlich von den Produkten klassischer Industrie-Roboteranbieter wie Fanuc oder Kuka.“
Gut für den deutschen Markt aufgestellt
Als Teil von FFG präsentiert sich der CNC-Werkzeugmaschinenhersteller Leadwell sehr zukunftsorientiert. Seit der Gründung im Jahr 1980 legten die Frässpezialisten eine steile Entwicklung hin. Begonnen als Firma für konventionelle Fräsmaschinen, wurden schon bald auch CNC-Maschinen entwickelt. Ein großer Sprung kam mit der Übernahme durch Jimmy Chu, dem Inhaber von FFG, der auch bis zur Übergabe an seinen Sohn als Geschäftsführer dort tätig war.
Der Maschinenhersteller machte 2013 rund 25 Millionen Euro Umsatz, hat aber laut Eric Chang, General Manager bei Leadwell CNC Machines MFG, noch Großes vor: „Gerade für den deutschen Markt und speziell für die Automobilbranche sind wir in der FFG-Group sehr gut aufgestellt. Ein nächster Schritt wird sicherlich sein, Turnkey-Solutions aus dem Gesamtportfolio anzubieten. Wie etwa kombinierte Lösungen aus Hesapp und Leadwell Maschinen.“
Auch gehe man in der Grundlagenforschung in der FFG-Gruppe bereits gemeinsame Wege. Aber die einzelnen Firmen werden mit ihrem speziellen Angebot weiterhin individuell ihre Kunden ansprechen. Leadwell verkauft derzeit über einen Vertriebspartner an die 60 Maschinen pro Jahr in Deutschland. Diese seien hauptsächlich für Lohnfertiger.
Innovatives Konzept
Der Hersteller von großen Brücken-Maschinen hauptsächlich für den Werkzeug- und Formenbau, Wele Mechatronic, hat seit seiner Gründung im Jahr 2007 mit seinen rund 550 Mitarbeitern bereits mehr als 60 Maschinen entwickelt. Die Maschinen in Brückenbauweise haben dabei Verfahrwege von 600 bis 16 000 mm in X-Richtung. Ebenso angeboten werden auch 5-Achs-Maschinen.
Der Präsident Yong-Chang Kuan ging dabei von Anfang an einen besonderen Weg: „Unsere Firma entstand als Spin-off-Unternehmen aus Forschungsinstituten und ist auch heute mit einem hohen Ingenieursanteil von beinahe 20 Prozent sehr innovativ. Eine weitere Besonderheit ist, dass ein Großteil der Firma den eigenen Mitarbeiten gehört.“
Die großen Maschinen sind dabei im Besonderen für Formen für Karosseriebauteile. Im Jahr 2013 hat Wele mit dem Dreh-Fräszentrum Modell MT-16 in Brückenbauweise den Supreme Excellence-Preis der Taiwan Machine Tools Industry gewonnen. Schon seit Jahren ist der Maschinenbauer einer der strategischen Allianzpartner von Toyoda. Unter diesem Namen werden die Maschinen auch in Deutschland vertrieben.
Retrofit als weiteres Geschäftsmodell
Das 1954 gegründete Unternehmen Victor produziert mit 890 Angestellten bis zu 150 CNC-Bearbeitungsmaschinen im Monat. Dabei gehen rund 40 Prozent der Maschinen an den heimischen Markt und weitere 30 Prozent nach China. Die verbleibenden 30 Prozent gehen in den „Over-sea-market“. Wobei Europa und im speziellen die Niederlande, Deutschland und England die Hauptabnehmer sind. Der türkische Markt gewinne aber an Bedeutung. „Das Besondere an unseren Produkten ist die hohe Fertigungstiefe“, erklärt D. C. Liao, Vice President von Victor Taichung Maschinery Works. „Annähernd 75 Prozent aller relevanten Teile werden bei Victor gefertigt. Mit dieser hohen Fertigungskompetenz sind wir auch in der Lage, unsere Maschinen nach 20 bis 30 Dienstjahren wieder fit zu machen für die nächsten 20 Jahre. Daher sind unsere Maschinen auch auf dem Gebrauchtmarkt sehr begehrt.“
Der Vertrieb in Deutschland erfolgt über ein Sales- and Service-Center. Der direkte Kundenkontakt liefere dabei wichtige Bedarfsinformationen aus dem Markt für das 90-köpfige Entwicklerteam in Taiwan. Nach Deutschland verkaufe man hauptsächlich Maschinen für Automobilzulieferer und Luftfahrtbetriebe. Gefragt seien hier insbesondere automatisierte Turnkey-Solutions.
Fertigungstiefe von 70 Prozent
„Der professionellste Werkzeugmaschinenproduzent in Taiwan“, mit diesem markigen Slogan beschreibt David Chuang, General Manager von Dah Lih sein Unternehmen. 1960 mit einer einfachen Drehbank begonnen, produzieren die heutigen Frässpezialisten vertikal/horizontal Dopppelständer- und 5-Achs-Bearbeitungszentren. Bedient werden damit alle Märkte von Automobil bis zum allgemeinen Maschinenbau, wobei die kleineren Bearbeitungszentren mit 41 Prozent den Löwenanteil an der Produktion ausmachen. Mit einer Fertigungstiefe von 70 Prozent erwirtschafteten die Frässpezialisten im Jahr 2013 einen Umsatz von 47 Millionen US-Dollar. Angeboten werden dabei auch Turnkey-Solutions mit integrierter Automation, wie zum Beispiel Lösungen mit angeschlossenem Palettenspeicher. Diese wurden auch auf dem eigenen Stand während der EMO 2013 vorgestellt. Seit diesem Jahr gibt es ebenso Lösungen zur Hartbearbeitung und smarte Maschinenkonzepte mit Energiesparlösungen für eine Komplettbearbeitung auf 5-Achs-Maschinen.
Vertriebspartner gesucht
Die reinen Frässpezialisten bieten traditionelle Fräsmaschinen und moderne vertikale/horizontale Doppelständer- und Bearbeitungszentren in Brückenbauweise an. Die 1968 gegründete Unternehmung produziert heute im Schnitt jeden Tag eine Maschine. Dabei spielt die Qualität eine hervorgehobene Rolle. So werden zum Beispiel die Spindeln in der eigenen Forschungs- und Entwicklungsabteilung konzipiert und schließlich in der eigenen Fertigung montiert. Um auf dem deutschen Markt Fuß fassen zu können, sucht der Fräsmaschinenhersteller Vertriebspartner in Deutschland.
Vervierfachung des Umsatzes angestrebt
Mit einem breiten Angebot an vertikalen/horizontalen Fräsmaschinen und Bett-/Knie-Fräsmaschinen ist Millstar in den USA, Japan, Italien, Russland und China präsent. Gerade auf dem deutschen Markt will der Hersteller sich noch stärker engagieren. Die 110 Mitarbeiter arbeiten dabei an vier Standorten in Taiwan und China. Die neueste Entwicklung ist die horizontale Fräsmaschine mit zwei Spindeln LMV40-2S. Der Maschinenhersteller will bis 2020 von momentan 13 Millionen auf 50 Millionen US-Dollar Umsatz wachsen.

Firmen vor Ort
Dah Lih Machinery Industry
Hiwin Technologies Corp.
Kao Fong Machinery
Leadwell CNC Machines
Millstar Jiuh-Yeh Precision Machinery
Shieh Yih Machinery Industry
Victor Taichung Machinery Works
Wele Mechatronic

Taiwan und China
Der Staat Taiwan, offiziell die Republik China, wurde 1912 gegründet. Nach der Niederlage im Bürgerkrieg gegen Maos Kommunisten, mussten sich Präsident Chiang Kai-Shek und sein Führungskader 1949 samt dem Rest des Militärs auf die Insel Taiwan zurückziehen. Insgesamt waren dies über 1 Million Menschen. Die Bewohner der Insel hatten aufgrund der japanischen Besetzung bis zum Ende des 2. Weltkriegs keine Bindung zum Festland. Taiwan ist heute eine Demokratie, aber aufgrund der Ein-China-Politik international nur von wenigen Staaten anerkannt.
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