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Der Adler aus der Asche

Im Westen was Neues: Die Reindustrialisierung der US-Wirtschaft
Der Adler aus der Asche

Die USA erleben eine Erneuerung ihrer verarbeitenden Industrie – vor allem, weil Rohstoffe und elementare Wirtschaftsgüter kostengünstig zur Verfügung stehen. Bei Standortentscheidungen votieren daher immer mehr Geschäftsführer und Finanzvorstände für die kürzlich noch wankende Weltmacht. Wer die Stellhebel heute korrekt justiert, kann von der Wiederbelebung der amerikanischen Industrie profitieren.

Während der Obama-Amtszeit konnten die USA ihren Finanzcrash und die große Rezession überwinden. Mit der Stabilisierung der Wirtschaft kam auch das Vertrauen von Investoren zurück. Und tatsächlich spricht vieles für eine Wiederbelebung der Industriesektoren im großen Stil. Kostengünstige Energie und die Verfügbarkeit von qualifizierten Arbeitskräften beflügeln diesen Prozess. Denn niedrige Energiepreise, günstige Löhne, eine wachsende Bevölkerung, moderne Infrastruktur und ein umfassendes IT-Knowhow zählen zu den Schlüsselfaktoren für den Wiederaufstieg der US-Industrie. Vor allem der Kostenvorteil gegenüber anderen Industrienationen ist ausschlaggebend, zumal der amerikanische Binnenmarkt über ausreichend Potenzial verfügt, um sich dem internationalen Wettbewerb zu entziehen.

Game Changer Erdgas
Innerhalb weniger Jahre erschloss sich das Land durch Fracking enorme Energiereserven – das war die Basis für die niedrigen Energiepreise heute. Seit 2008 ist der Preis für Erdgas fast um ein Drittel zurückgegangen, während konkurrierende Länder einen Preisanstieg verkraften mussten. So bezahlten deutsche Industrieabnehmer im Juli 2015 für Erdgas 10,81 US-Dollar pro Gigajoule, dreimal mehr als amerikanische Industriebetriebe.
Motiviert vom hohen Preis der vergangenen Jahre, haben Unternehmen in die Erschließung neuer Öl- und Gasfelder investiert. Möglich macht das vor allem die Förderung unkonventioneller Erdgasvorkommen durch Fracking. Seitdem diese Fördertechnik im Jahr 2005 aus dem Trinkwasserschutzgesetz herausgenommen wurde, ist die Schiefergasproduktion in die Höhe geschnellt: von vormals vier Prozent auf inzwischen rund ein Viertel der gesamten US-Gasförderung – mit drastischen Folgen für den Energiemarkt. Der Erdgaspreis sank im selben Zeitraum um durchschnittlich 24 Prozent, und das Jahr für Jahr. Diese nun bereitstehende Überkapazität wird auf den Markt geworfen, denn die Lager sind brechend voll. Es ist auch nicht anzunehmen, dass die Regulierung internationaler Märkte einen Ausgleich ermöglicht.
In den USA wird mit Abstand mehr Erdgas als in jedem anderen Industrieland gefördert, vergangenes Jahr rund 767 Milliarden Kubikmeter. Abgesehen von Russland haben andere Industriestaaten den Anschluss beim Erdgas bereits längst verloren.
Der Transport von Gas mit Schiffen aus den USA, beispielsweise nach China, ist einfach zu aufwändig und zu teuer. Damit ist der US-Gasmarkt gegenüber anderen Weltmarktpreisen hervorragend immunisiert, und die niedrigen Energiepreise werden zum „Game-Changer“ der amerikanischen Industrie, sie führen einen Paradigmenwechsel herbei.
Man könnte annehmen, dass der Energievorteil der US-Industrie zulasten etablierter europäischer Volkswirtschaften mit einer hohen Fertigungstiefe geht. Doch so pauschal trifft das nicht zu. Die europäischen Industriestaaten können vom neuen amerikanischen Aufschwung profitieren, sofern sie bereits heute die Chancen erkennen und die notwendigen Erfolgsschrauben justieren.
Was diese These untermauert, ist der zwangsläufige Wiederaufbau und die damit einhergehende Modernisierung der amerikanischen Produktionsstätten. In erster Linie werden Maschinen und Anlagen, Ingenieurdienstleistungen sowie Bauteile benötigt. Exakt in diesen Bereichen sind deutsche Unternehmen international sehr breit aufgestellt. Experten der deutschen Wirtschaftsförderungsgesellschaft Germany Trade & Invest (GTAI) gehen davon aus, dass die deutschen Exporte zukünftig wieder steigen, um den Innovationsdurst der produzierenden US-Industrie zu stillen.
Durchschlagende Effekte
Ein weiterer Indikator für die Genesung der amerikanischen Industrie ist der Bau- und Konsumindex – und beide Sektoren boomen derzeit. Die Bauindustrie erfreut sich zunehmender Nachfrage, expandiert, und die Immobilienpreise steigen wieder kontinuierlich. Die amerikanische Konsumgesellschaft kauft wieder guten Gewissens ein, so dass Geld in Umlauf kommt. 2015 wurden 17,5 Millionen Autos gekauft, die Arbeitslosigkeit sank im Landesdurchschnitt auf rund fünf Prozent und in den vergangenen sechs Jahren wurden kontinuierlich neue Stellen geschaffen und besetzt. Die amerikanischen Unternehmen investieren wieder. Rund um den Globus prognostizieren Ökonomen der US-Wirtschaft ein Wachstum von rund 2,5 Prozent. Die USA erstarken gemächlich aber stetig wieder zum Weltwirtschaftsmotor.
Deutsche Industrie wirkt als Katalysator
Wenn man all diese Einflussfaktoren betrachtet, kann man sagen: Die Reindustrialisierung der US-Wirtschaft steht unter guten Vorzeichen. Gleichzeitig kommt die Frage auf, wer am Aufschwung der Vereinigten Staaten partizipiert? Russland steckt in der Rezession und Schwellenländer wie Brasilien hinken den Erwartungen hinterher. Europa rückt ins Scheinwerferlicht. Bereits 2015 haben die USA Frankreich verdrängt von seinem Spitzenplatz als bevorzugter Handelspartner Deutschlands.
Satte 97 Prozent der deutschen Niederlassungen auf amerikanischem Boden erwarten für dieses Jahr ein weiteres Wirtschaftswachstum, teilt die Deutsch-Amerikanische Handelskammer mit. Die Befürchtung, der Aufstieg der amerikanischen Industrie gehe zulasten etablierter Volkswirtschaften mit hoher Fertigungstiefe, bestätigt sich somit nicht. Es sind gerade die europäischen Industriestaaten, die vom neuen amerikanischen Aufschwung profitieren können, wenn sie die Gelegenheit gekonnt beim Schopf packen.
Diese Entwicklung machen sich deutsche Unternehmen zunutze. Demnach wollen 75 Prozent der deutschstämmigen Firmen neue Stellen in den USA schaffen und 41 Prozent sogar Niederlassungen und Fabriken ausbauen. Die Nachfrage nach deutschen Importen erreichte in einer ersten Welle zunächst Branchen mit langen Vorlaufzeiten wie etwa den Anlagenbau und seine Zulieferer. Laut dem Verband der Maschinen- und Anlagenbauer machten sich bereits Ende 2014 die ersten Exportschübe bemerkbar. In einem global schwierigen Umfeld konnten die deutschen Maschinenbauer im ersten Quartal 2014 ihre Exporte in die USA im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 6,6 Prozent steigern. Wesentlich rasanter hingegen stieg die Nachfrage nach Automatisierungstechnik „Made in Germany“. Dieses Segment wächst in den USA bereits seit 2013 zweistellig.
Dabei sind neben den bereits genannten Vorteilen bei Rohstoffen vor allem die Gesamtproduktionskosten ein weiteres Entscheidungskriterium für europäische Unternehmen, ihre Produktionsstätten in den USA zu erweitern. Niedrige Lohnnebenkosten und ein geringes Lohnniveau machen den US-Standort zusätzlich wettbewerbsfähig. Selbst einen Vergleich mit der weit entwickelten chinesischen Küstenregion brauchen vor allem die Südstaaten und Mexiko nicht zu scheuen. Während die Löhne in China stark gestiegen sind, blieben sie in den USA konstant, so dass sich der lange und teure Transport von Erzeugnissen rund um den Globus nicht mehr lohnt. Konkret liegen die Lohnstückkosten in den USA im Durchschnitt ein Drittel unter denen in Deutschland. Am EU-Durchschnitt gemessen, fällt das Lohngefüge noch deutlicher aus.
„Reshoring“ als neuer Trend
Die US-Beratungsgesellschaft Boston Consulting Group hat in einer aktuellen Studie amerikanische Großindustrie-Manager befragt, wo sie in den kommenden fünf Jahren zum Ausbau der Produktion und Fertigung Investitionen planen, um Produkte für den amerikanischen Markt herzustellen. Das Ergebnis erstaunt: 31 Prozent der Manager wollen neue Werke in den USA eröffnen. Das ist mehr als in jedem anderen Land und ein signifikanter Trend. Zum Vergleich: Vor zwei Jahren lag China noch an der Spitze der Expansionsziele, heute wollen nur noch 20 Prozent der US-Manager dort investieren. Die Produktion rückt wieder näher an den Kunden. „Reshoring“ heißt die Devise – Produktion und Arbeitsplätze werden aus dem Ausland ins Inland zurückverlagert. Dieser Trend und der Wandel in den Köpfen der Entscheider sind der jüngste Beweis, dass die Reindustrialisierung Amerikas begonnen hat. ■
S.D.L. Süddeutsche Leasing AGwww.sueddeutsche-leasing.de

Der Autor

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Christopher Keller ist Chief Marketing Officer bei der S.D.L. Süddeutschen Leasing AG in Elchingen.

Bei Erdgas die Nummer 1

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