Die Europäische Weltraumorganisation ESA möchte mittels einer effizienten Trägerraketentechnik eine starke und unabhängige Position im Weltraumverkehr einnehmen. Um dies zu erreichen, wurde Ariane Group, ein Gemeinschaftsunternehmen der Airbus Group und des französischen Konzerns Safran, mit dem Bau der Ariane 6 beauftragt. Ariane ist eine Serie von europäischen Trägerraketen, mit denen schwere Nutzlasten in die Erdumlaufbahn befördert werden können, so zum Beispiel Kommunikationssatelliten.
Ab 2025 soll Ariane 6 die heutige Version 5 ablösen und Europa den Zugang zum All zu einem wettbewerbsfähigen Preis sichern. Die Kostenreduktion ist durch den Verzicht auf öffentliche Geldzuschüsse das gesetzte Ziel bei diesem Projekt. Der Fokus liegt auf dem Oberstufentriebwerk der Rakete, das den Antrieb nach Verlassen des Orbits übernimmt.
In einem Raketentriebwerk wirken enorm hohe Kräfte unter extremen Bedingungen. Dafür ist ein Höchstmaß an Zuverlässigkeit und Präzision bei geringer Baugröße gefragt. Der Einspritzkopf ist eines der zentralen Elemente des Triebwerks, da er das Treibstoffgemisch in den Brennraum einbringt. Konventionell hergestellt besteht er aus 248 Bauteilen, die in verschiedenen Fertigungsschritten produziert und montiert werden. Durch die Bearbeitungsschritte wie Gießen, Löten, Schweißen und Bohren entstehen Schwachstellen, die bei extremen Belastungen ein Risiko darstellen können.
Darüber hinaus sind die vielen Schritte zeitaufwendig und komplex. Bei konventioneller Fertigung werden im Bereich der Einspritzelemente über 8000 Querbohrungen in Kupferhülsen gebohrt, die anschließend mit den 122 Einspritzelementen präzise verschraubt werden, um den durchströmenden Wasserstoff mit dem Sauerstoff im Element zu vermischen.
Ein Blick auf solche Zahlen macht deutlich, dass aus Sicht des Risikomanagements ein funktionsintegriertes Bauteil, das alle Komponenten in sich vereint, das ehrgeizige Ziel sein muss. Wenn damit zusätzlich Bearbeitungsschritte und Produktionszeit eingespart werden, setzt das enorme wirtschaftliche Potenziale frei, insbesondere für ein Bauteil der Klasse 1.
Funktionsintegration durch additive Fertigung
Die Lösung für diese Herausforderungen liefert die additive Fertigung des Einspritzkopfs. „Allein die additive Fertigung kann Funktionsintegration, Leichtbau, Designvereinfachung und die Reduzierung der Durchlaufzeiten in einem einzigen Bauteil zusammenbringen“, erklärt Dr.-Ing. Steffen Beyer, Leiter Produktionstechnologie – Werkstoffe & Prozesse bei Ariane Group, den Entschluss für den industriellen 3D-Druck. Als Material setzte das Projektteam weiterhin auf eine hitze- und korrosionsbeständige Nickelbasislegierung (EOS Nickel-Alloy IN718). Diese zeichnet sich durch sehr gute Zug-, Dauer-, Kriech- und Bruchfestigkeit bei erhöhten Temperaturen aus und sollte auch bei der neuen Fertigungstechnologie eingesetzt werden.
„Nach der erfolgreichen Entwicklung des Bauteils durch uns lag der Fokus auf der Wirtschaftlichkeit“, berichtet Dr.-Ing. Fabian Riß, Produktionstechnologie – Werkstoffe & Prozesse. Die zentrale Vorgabe seitens Ariane Group war es, die Durchlaufzeiten und Stückkosten zu senken. In einem stufenweisen Prozess wurde die Fertigung zunächst auf der EOS M 290 durchgeführt. Nach erfolgreichen Piloten erfolgte die Skalierung auf das größere System EOS M 400-4. Mittels der 4-Laser-Technologie konnte das Triebwerksteil so in bis zu vierfacher Geschwindigkeit hergestellt werden.
„Die Skalierung des Bauprozesses auf das hoch- produktive EOS M 400-4 System war für uns ein wichtiger Schritt, um die Industrialisierung und Wettbewerbsfähigkeit des Ariane 6-Projekts voranzutreiben“, ergänzt Bayer. „Dank der Erfahrung und des Branchenwissens der EOS-Kollegen verlief die Zusammenarbeit sehr effizient. Das Ergebnis spricht für sich und beweist die tolle Teamleistung.“
3D-Druck in Metall ermöglicht All-in-One-Design
Die Ergebnisse des neuen, additiv gefertigten Einspritzkopfs überzeugen auf ganzer Linie: Statt aus 248 Bauteilen besteht er nun nur noch aus einem einzigen Teil – bei gleichem Funktionsumfang und maximal reduziertem Zeitaufwand.
Durch die pulverbettbasierte, industrielle 3D-Druck-Technologie von EOS gelang es unter anderem, die 122 Einspritzdüsen, die Grund- und Frontplatte sowie den Verteilerdom mit den entsprechenden Zuleitungsstutzen für die Treibstoffe Wasserstoff und Sauerstoff als integrales Bauteil zu drucken. Die Formulierung „aus einem Guss“ muss damit der Aussage „aus einem Druck“ weichen. Durch die deutlich höhere Produktivität des EOS M 400-4 Multi-Laser-Systems im Vergleich zu Single-Laser-Systemen konnten, am Beispiel des All-in-One-(AiO-)Einspritzkopfs, die Bauzeit um den Faktor 3 reduziert und die Kosten um 50 Prozent reduziert werden.
Das Projektteam konnte eine Reihe weiterer Erfolge für sich verbuchen. Durch die Vereinfachung des Designs und dank der verbesserten Werkstoffeigenschaften im Vergleich zur Gussqualität konnte mittels der additiven Technologie die Wandstärke deutlich verringert werden – und das bei gleichbleibender Robustheit. Eine Reduktion um 25 Prozent in puncto Gewicht bedeutet auch eine Reduktion der Aufbauzeit und natürlich Kosten.
Nicht zuletzt lassen sich über additive Fertigungsverfahren Innovationszyklen deutlich beschleunigen. Bauliche Optimierungen, Designänderungen sowie die Herstellung von Testbauteilen in der Entwicklungsphase können im Vergleich z. B. zum Gießverfahren ohne zeitlich aufwendige Werkzeugherstellung direkt aus den CAD-Daten in die Fertigung gebracht werden. Damit ermöglicht der industrielle 3D-Druck einen zeitlichen Quantensprung. Halbjahresrhythmen für Iterationsstufen waren die Regel, jetzt sind es nur noch wenige Tage. Hinzu kommt, dass die komplette Produktionskette direkt bei Ariane Group vor Ort ist.
EOS GmbHwww.eos.info
Ariane Grouphttps://www.ariane.group/de/
Web-Tipp
Über die Funktionsweise der Vier-Laser-Technologie von EOS informiert ein Video unter www.youtube.com/watch?v=gIIdzKZEWKE
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