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Additive Fertigung in der Automobilindustrie

3D-Metalldruck ergänzt klassische Fertigungsverfahren und erfordert neue Konstruktionsmethoden
Additive Fertigung in der Automobilindustrie

Mit Hilfe des 3D-Drucks lassen sich Konstruktionen umsetzen, die klassisch nicht gefertigt werden können. Dies erfordert vor allem neue Denkansätze. Als Engineeringpartner der Automobilindustrie setzt CSI unter anderem bei dem Projekt „3i-Print“ metallischen 3D-Druck intensiv ein. CSI-Leichtbauexperte Stefan Herrmann weiß um die vielfältigen Vorteile dieser neuen Technologie. Er ist aber auch davon überzeugt, dass sie mittelfristig primär klassische Fertigungsverfahren ergänzen und nicht ersetzen wird.

Additive Fertigung hat zahlreiche Vorteile. So kann der Anwender beispielsweise seinen Werkstoff sehr frei wählen. Ob Stahl, Aluminium, Titan oder andere Metalle – das Prinzip für die Herstellung und die einzusetzende Anlage bleiben weitgehend gleich. Zudem werden keine Werkzeuge benötigt, was Kosten für den ansonsten teuren Werkzeugbau entfallen lässt. In Konsequenz daraus kann die Fertigung sehr flexibel arbeiten. Stückzahl 1 ist kein Problem.

Als ebenso wichtig bezeichnet Stefan Herrmann, leitender Ingenieur beei CSI, die neuen, ästhetischen Freiheiten: „Wir können Bauteile ganz anders gestalten und neue Funktionen integrieren. So lassen sich etwa durch intelligente Konstruktionen thermische Wärmeleiteffekte nutzen, Luft- oder Flüssigkeitsleitungen integrieren oder eine Lastpfad- und Crash-optimierte Topologie anwenden.“ Da beim 3D-Druck keine Werkzeugtrennungen und Entformschrägen notwendig sind, erweitert sich die gestalterische Freiheit der Konstruktion zusätzlich.

Das Potenzial des 3D-Metalldrucks ist demnach sehr groß. Doch welche Verfahren werden das Rennen machen, in welchem Umfang wird die additive Fertigung zum Einsatz kommen, und wie lassen sich deren Vorteile am besten nutzen? CSI stellt sich diese Fragen schon seit Jahren und hat inzwischen einige Antworten parat.

Derzeit entwickelt sich laut dem Engineering-Unternehmen das pulverbettbasierte Laserschmelzverfahren besonders positiv. In Forschung und Entwicklung sind hier jedes Jahr große Entwicklungssprünge zu erkennen. Zwar werden der Baugeschwindigkeit dieser Maschinen immer physikalische Grenzen gesetzt bleiben, die Möglichkeiten der Individualisierung sind dafür enorm. Jedes Bauteil kann komplett anders aussehen, denn aus dem Pulverbett können vollkommen flexible Geometrien hergestellt werden. Doch auch alternative Verfahren wie etwa das Binder Jetting stehen bereits in den Startlöchern und finden weitere Verbreitung. Diese müssen sich allerdings noch weiter in der Praxis beweisen.

Intelligente Bauteilgestaltung ist entscheidend

Entscheidend ist primär die intelligente Bauteilgestaltung und Konstruktion. Es gilt beispielsweise, Stützstrukturen weitgehend zu vermeiden und an Stellen, wo das nicht möglich ist, die Strukturen so zu konstruieren, dass sie einen technischen Zweck erfüllen. Denn Stützstrukturen können generell vielfältige Funktionen übernehmen – sowohl für die Wärmeabfuhr im Bauprozess, als auch für das tatsächliche Stützen über Kopf hängender Bauteilstrukturen.

„Hier sind top geschulte und erfahrene Konstrukteure gefragt, die wissen, worauf es bei diesem Fertigungsverfahren ankommt“, berichtet Herrmann. „Sie sollten zum Beispiel in den Bahnen denken, die der Laser abfährt. Außerdem müssen sie berücksichtigen, wie sich der Werkstoff bei entsprechend hoher Wärmezufuhr verhält, damit sich die Bauteile dadurch möglichst wenig verziehen.“

Sehr interessant sind auch hybride Verfahren wie z. B. Laser Metal Deposition. Hierbei werden konventionell hergestellte Halbzeuge „umdruckt“. Für bestimmte Anwendungen kann dies hinsichtlich Geschwindigkeit und Kosten erhebliche Vorteile bringen. Denn klassische Fertigungsverfahren haben nach wie vor viele Vorzüge, die genutzt werden sollten. „Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass wir mittelfristig jedes Fahrzeug drucken“, stellt Herrmann klar. „Da gibt es klare physikalische Grenzen, und auch wirtschaftlich macht das keinen Sinn. Die Verfahrensentwicklung schreitet aber tatsächlich sehr schnell voran und wir wissen noch nicht mal annähernd wohin die Entwicklung führt.“

Insbesondere die Herstellung von sehr großen Bauteilen als kompletter 3D-Metalldruck aus dem Pulverbett heraus wäre viel zu teuer. Dafür bräuchte man riesige Fundamente, und den Abmaßen der Produkte entsprechend müsste der Bauraum komplett mit Pulvermaterial gefüllt sein. Das bindet enorm viel Kapital – insbesondere beim Einsatz teurer Materialien wie Titan. Nicht zu vergessen: Um das wertvolle Pulver wiederverwenden zu können, muss es aufwendig recycelt werden.

Konzeptstudie bringt praktische Erfahrung

Wie kann also additive Fertigung sinnvoll genutzt werden? Für die richtige Antwort braucht der Konstrukteur praktische Erfahrung. Nicht zuletzt deshalb hat CSI im Oktober 2016 mit dem sogenannten 3i-Print-Projekt eine Konzeptstudie gestartet, die die Entwicklung des Karosseriebaus der Zukunft betrachtet. Im Rahmen dieses Projekts hat das Unternehmen gemeinsam mit namhaften Partnern den kompletten Vorderwagen eines VW Golf 1 Caddy für den 3D-Druck konstruiert, produziert und montiert. Den Vorderwagen hat CSI deshalb gewählt, weil er besonders viel Lernpotenzial bietet. Schließlich zählt er zu den komplexesten Umfängen des Rohbaus. Hierbei gilt es zahlreiche funktionale und geometrische Rahmenbedingungen aus dem Gesamtfahrzeug-Bereich zu beachten – wie Fußgängerschutz, Crash, Steifigkeit, Produzierbarkeit, etc.

Ebenso interessant: Durch eine intelligente Konstruktion lassen sich Probleme in punkto Package und Wärmeabfuhr lösen. Die Idee: ein „mitkühlender“ Rahmen. Dadurch ließe sich der eigentliche Kühler des Fahrzeugs verkleinern. Solche Ansätze zu nutzen, dürfte für Nischenfahrzeuge im Hochpreissegment schon bald interessant sein. Denn 3D-Metallteile haben laut Stefan Herrmann schon heute eine hohe und zuverlässig produzierbare Qualität.

„Additiv gefertigte Bauteile haben verschiedenste Freigaben im Bereich der Luftfahrt – aus Kunststoff und aus Metall“, so Herrmann. „Das beweist, dass der Prozess stabil ist. Wir werden diese Möglichkeiten auch für die Automobilindustrie nutzen. Dennoch bin ich absolut überzeugt, dass die generative Fertigung in absehbarer Zeit ein zusätzlicher Baustein in der Auswahl verfügbarer Fertigungsverfahren sein wird. Und die Gewichtung wird sich zunehmend in Richtung 3D-Druck verschieben. Wie schnell das geht, hängt jedoch nicht zuletzt von Entwicklung der Wirtschaftlichkeit der Verfahren und der verwendeten Materialien an.“

CSI Entwicklungstechnik GmbH
www.csi-online.de


Entwicklungspartner der Automobilindustrie

Die CSI Entwicklungstechnik GmbH ist Entwicklungspartner der Automobilindustrie, beschäftigt rund 600 Mitarbeiter und hat ihren Hauptsitz in Neckarsulm. Weitere Niederlassungen befinden sich in Ingolstadt, Sindelfingen, München, Wolfsburg, Zwickau, Weissach und Winterberg (Alu-Car). Bedeutende Automobilhersteller und zahlreiche Systemlieferanten vertrauen auf das Know-how von CSI bei der Entwicklung kompletter Module für Oberflächen (Strak), Karosserie und Interieur. Spezialisiert auf den Produktentstehungsprozess der Automobilbranche, unterstützen die CSI-Teams ihre Kunden auch durch Beratungsdienstleistungen, einem Aus- und Weiterbildungsangebot an der CSI Akademie und im Projektmanagement, mit dem Ziel ständige Transparenz zu gewährleisten – über alle Bauphasen hinweg.


„Wir wollen Additive Fertigung mit unserer Karosserie-Kompetenz verbinden“

Stefan Herrmann, leitender Ingenieur bei CSI, einem Engineeringpartner der Automobilindustrie, hat das Projekt „3i-Print“ im Oktober 2016 ins Leben gerufen. 3i steht für individualize, integrate, innovate und Print für 3D-Metalldruck. Kern des Projekts ist demnach die additive Fertigung. Sie wurde am Beispiel eines VW Golf 1 Caddy in die Praxis umgesetzt. Entscheidend für den Erfolg war die Kooperation mehrerer namhafter Partner.

Wie kam CSI auf das innovative 3D-Druck-Projekt?

Herrmann: Basis dafür war ein Zukunftsworkshop, den unser Innovationsteam „Mission Findus“ initiiert hat und der den Prinzipien des nutzerorientierten Designs folgt. Im Rahmen des eigens entwickelten Vorgehensmodells generierten und validierten dann alle Beteiligten gemeinsam Ideen, aus denen erste Skizzen und eine Struktur entstanden. Auf dieser Basis suchten wir anschließend nach Partnern für die Umsetzung.

Was ist die Idee hinter 3i-Print?

Herrmann: Wir wollen Additive Fertigungsverfahren mit unserer Karosserie-Kompetenz in Verbindung bringen. Und zwar nicht – wie es häufig gemacht wurde und wird – Gussknoten durch 3D-gedruckte Knoten ersetzen. Unser Ziel ist es vielmehr, ganz anders zu konstruieren und zu berechnen, um die Vorteile der additiven Fertigung nutzen zu können.Mit diesem Projekt zeigen wir, wie man die Vorteile der additiven Fertigung durch entsprechende Parameterwahl, Erfahrung, Expertise und gute Partner in den Griff bekommt. Genau dafür sind wir als Engineering-Dienstleister da. Und wir müssen vorbereitet sein, wenn unsere OEM-Partner sich entscheiden, Projekte mit solchen Technologien umzusetzen. Wenn wir uns dann erst damit beschäftigen, ist es zu spät.

Sie konnten innerhalb kurzer Zeit für jede einzelne Phase des Projekts namhafte Partner gewinnen. Wer war für Sie am Anfang besonders wichtig?

Herrmann: Das möchte ich nicht gewichten, denn letztlich haben alle Partner gleich große Bedeutung. Am Anfang unseres Prozesses stehen die Produkte von Altair. Die Tools dieser Firma setzen wir bei CSI bereits seit einiger Zeit für die methodische Auslegung und Optimierung von Leichtbaustrukturen ein. Dank der inzwischen sehr engen Partnerschaft mit Altair lernen wir auf Basis diverser Expertisen viel für unsere eigenen Prozesse und können dadurch nicht zuletzt auch im Hinblick auf die additive Fertigung zielgerichteter konstruieren.

Welches Pulver setzen Sie für den Print ein?

Herrmann: Hier handelt es sich um ein hochlegiertes Scalmalloy Aluminium-Pulver von Heraeus, dem Weltmarktführer im Bereich der Pulverherstellung. Einen besseren Partner kann man sich an dieser Stelle nicht wünschen.

Mit welchem System wurden die einzelnen Rahmenteile gedruckt?

Herrmann: Für die Fertigung der Einzelteile des Rahmens von unserem Projektfahrzeug stellte uns EOS eine M400 zur Verfügung. Dieses ultraschnelle Laser-System eignete sich mit seinem Bauvolumen von 400 x 400 x 400 mm und einer 1000 Watt Laserleistung ideal für unsere hohen Anforderungen. Neben der Maschine stellt uns EOS zudem erfahrene Mitarbeiter zur Seite, die uns wichtige Hinweise im Hinblick auf die Parameterwahl geben. Inzwischen wurden übrigens zahlreiche CSI-Konstrukteure über das EOS-Tochterunternehmen Additive Minds diesbezüglich geschult.

Den Druck des Rahmens haben Sie aber nicht selbst durchgeführt?

Herrmann: Nein, das hat mit AP Works eine Tochter der Airbus Group übernommen. Durch diese Zusammenarbeit bekamen wir darüber hinaus Zugriff auf den hochfesten Aluminiumwerkstoff Scalmalloy. Gemeinsam mit AP Works haben wir an der Qualifizierung des Materials gearbeitet sowie Materialkarten erstellt. Das ist insofern sehr wichtig, weil man ja heute keinen Werkstoff mehr für Fahrzeuge verwenden darf, der nicht komplett in der Simulation virtuell abgebildet werden kann.

Wer hat letzten Endes die einzelnen Teile zusammengesetzt?

Herrmann: An dieser Stelle bekamen wir Unterstützung von der Firma Gerg. Die erfahrenen Prototypenbauer haben den Rahmen aus den einzelnen Elementen geschweißt und sozusagen unsere Gedanken „materialisiert“. Hierzu ist sehr viel Erfahrung notwendig, da ein solcher Rahmen als Baugruppe extrem geringe Fertigungstoleranzen hat. Das ist insofern noch anspruchsvoller, weil etwaige Schweißverzüge schnell das komplette Ergebnis ruinieren können. Die Prozesskette ist an dieser Stelle besonders fragil, denn wir hatten am Ende für den kompletten Rahmen nur einen einzigen Versuch.

Es durfte also auch beim Einbau des geschweißten Rahmens in den von Ihnen restaurierten Golf 1 Caddy nichts schief gehen?

Herrmann: Richtig. Diese Aufgabe haben dann übrigens unsere Experten der CSI Konzeptwerkstatt erledigt, ebenso wie die gesamte Fahrzeugaufbereitung.

Stefan Herrmann zeichnet bei csi für das 3i-Print-Projekt verantwortlich. Im Mittelpunkt des Projekts steht der 3D-Metalldruck, er wird am Beispiel des Vorderwagens eines VW Golf 1 Caddy in die Praxis umgesetzt. Bild: CSI

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