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Hydraulik schlägt den elektrischen Antrieb

Intelligente Lösungen für Nebenfunktionen in Werkzeugmaschinen
Hydraulik schlägt den elektrischen Antrieb

Hydraulikfreie Werkzeugmaschinen sollen die Nachteile herkömmlicher Lösungen wettmachen, arbeiten jedoch weniger effizient als diese. Intelligente Hydrauliksysteme sind dagegen in der Lage, ideale Betriebsbedingungen zu schaffen und Probleme wie Leckage zu vermeiden.

Axel Grigoleit, Key Market Manager Machine Tools, Hawe Hydraulik SE

Auf der AMB 2010 war es die Messeneuheit: die hydraulikfreie Werkzeugmaschine. In der Breite hat sich der Trend jedoch noch nicht durchgesetzt, obwohl der Ansatz interessant klingt. Die Probleme, die das Hydrauliksystem verursacht, sind mit einem Schlag beseitigt: keine Geräuschentwicklung, kein Öl- und Filterwechsel, verringerter Wärmeeintrag. Zudem noch geringere Kosten und eine Steigerung der Energieeffizienz.
Aber warum hat sich die hydraulikfreie Maschine trotzdem nicht durchgesetzt? Einige Hersteller haben zwischenzeitlich erkannt, dass ein intelligentes und an die Maschine angepasstes Hydrauliksystem Vorteile gegenüber der Elektrifizierung von Maschinen-Nebenfunktionen bietet. Folgende Funktionen werden in der Werkzeugmaschine üblicherweise hydraulisch betrieben:
  • das Spannen beziehungsweise das Lösen des Werkzeugs
  • die Klemmung von Achsen und Spindeln
  • der Werkzeugwechsler
  • der Palettenwechsler
  • die Werkstückspannung
  • die Betätigung von Türen und Klappen
Bei allen diesen Funktionen handelt es sich um Linearbewegungen, für die auf kleinem Raum über einen kurzen Weg viel Kraft aufzubringen ist.
Hoher Wartungsaufwand und Ölpfützen
Was sind nun die Nachteile der hydraulischen Antriebe für diese Funktionen? Das Hydrauliksystem erfordert Wartungsaufwand, verbraucht zusätzliche Energie und strahlt Wärme ab, die die Maschinengenauigkeit beeinflusst. Daneben finden sich häufig unschöne Ölpfützen an der Maschine, die durch externe Leckagen entstehen.
Diese Nachteile treten bei der Verwendung elektrischer Antriebe nicht auf. Daneben bieten elektrische Servoantriebe den Vorteil einer sehr genauen Regelung.
Die genannten Argumente berücksichtigen jedoch nicht, dass mit einer intelligenten Hydrauliklösung die Nachteile der Hydraulik gar nicht zum Tragen kommen. Unbestritten können alle aufgezählten Hydraulikfunktionen – mit Ausnahme des Spannfutters an der Drehmaschine – ohne eine systembedingte Leckage mit Hydrauliköl versorgt werden. Damit sind ideale Betriebsbedingungen für ein Hydraulikaggregat im Abschaltbetrieb gegeben. Die Umsetzung der hydraulischen Energie in eine mechanische Spann- oder Klemmkraft erfolgt durch ein sehr kompaktes und einfaches Bauteil, meist ein Kolben, der in ein Gehäuse integriert ist. Ist der Druck einmal aufgebaut, schließen die leckagefreien Sitzventile diese Hydraulikfunktion ab und es ist keine weitere Energiezufuhr erforderlich – das Aggregat kann abgeschaltet werden. Energie ist erst wieder notwendig, wenn eine neue Betätigung erfolgt. So erzeugt das Aggregat weder Wärme noch Geräusche und es benötigt keine Energie.
Wird dagegen elektrische Energie zum mechanischen Klemmen oder Spannen verwendet, ist immer ein Motor erforderlich – die elektrische Energie wird in magnetische und dann in mechanische gewandelt. Das ist mit einem Verlust an Effizienz verbunden und zeigt, dass die Energiedichte der Hydraulik kaum zu übertreffen ist.
Soll das elektrische Element zudem in einer belasteten Funktion verharren, muss die Energieversorgung aufrechterhalten werden. Das heißt, es wird weiterhin Energie verbraucht. Alternativ ist bestenfalls eine mechanische Klemmung oder die Selbsthemmung eines Gewindes möglich. Diese bietet jedoch nicht die Elastizität des Hydrauliköls, das kleinere Kraftänderungen am Bauteil etwa durch Wärmeausdehnung oder -schrumpfung ohne weiteres kompensiert. Sind größere Schwankungen zu erwarten, kann auch noch ein kleiner Hydraulikspeicher in die Arbeitsleitung gesetzt werden. Für eine mechanische Umsetzung dieser Flexibilität sind möglicherweise Federn notwendig, die zusätzlichen Bauraum beanspruchen. Darüber hinaus erfordert das Lösen einer mechanischen Klemmung immer einen zusätzlichen Kraft- und Energiebedarf.
Häufig ist zu hören, dass elektrische Antriebe weniger Energie verbrauchen. Als Vergleich dienen allerdings Hydrauliksysteme, die interne Leckagen aufweisen und die auch dann in Betrieb sind, wenn keine hydraulische Energie erforderlich ist. Wie am Beispiel Spannen und Klemmen gezeigt, tritt auf der Verbraucherseite des Hydrauliksystems keine Leckage auf.
Wird außerdem für die Druckölversorgung ein Aggregat mit leckagefreier Sitzventiltechnik eingesetzt, ist der beschriebene Abschaltbetrieb möglich. Diese Betriebsart bedeutet, dass sich die tatsächliche Laufzeit des Aggregats auf höchstens ein Viertel der Maschinenbetriebszeit beschränkt. Daraus resultiert nicht nur ein geringerer Energiebedarf, sondern auch ein reduzierter Aufwand für die Wartung durch den Maschinenbediener.
Eine andere Situation findet sich am Spannfutter der Drehmaschine: Die systembedingte Leckage an der Drehdurchführung des Spannfutters lässt sich bis heute nicht vollständig vermeiden, auch wenn neuere Modelle schon erhebliche Verbesserungen bringen. Die Anforderung an den Hersteller des Hydrauliksystems besteht nun darin, die Leistung des Aggregats an den aktuellen Volumenstrom-Bedarf des Spannfutters anzupassen und so die Energieverluste zu minimieren.
Ein detaillierter, unabhängiger Vergleich des Energieverbrauchs durch ein elektrisches oder ein hydraulisches Spannfutter steht noch aus. Unabhängig davon steht jedoch ein Hydrauliksystem hier wieder für den Vorteil des geringeren Bauraums und der deutlich günstigeren Anschaffungskosten. Darüber hinaus ist für diese Spannfunktion, deren Sicherheit auch das Gefährdungspotenzial für den Maschinenbediener minimiert, die bewährte Zuverlässigkeit der Hydraulik ein wichtiges Argument.
Daneben bieten hydraulische Antriebe viele Möglichkeiten, mit einfachen Bauteilen die Bewegung des Aktuators zu beeinflussen: Dank Stromventilen lässt sich die Geschwindigkeit einfach einstellen, Druckregelventile können die Kraft begrenzen, mit einer einfachen Regenerativschaltung lässt sich die Energie am ausfahrenden Zylinder zurückgewinnen. Zudem sorgt die geeignete Auswahl der Wirkflächen für eine einfache Kraftverteilung auf mehrere Zylinder.
Bei einer weiteren wichtigen Funktion in der Werkzeugmaschine ist die Hydraulik unschlagbar: In einem hydraulischen Gewichtsausgleichssystem kompensiert ein Hydraulikzylinder die Last einer Vertikalachse. Wird die Achse auf- oder abwärts bewegt, gleicht ein vorgespannter Hydraulikspeicher das Volumen aus. Das verringert die erforderliche Bewegungsenergie für die Achse deutlich.
Elektrik braucht mehr Bauraum
Zusammengefasst sind die Nachteile der elektrischen Antriebe von Spann- und Klemmfunktionen deutlich: Mehr Bedarf an Bauraum und Energie, Mehrkosten und -aufwand für die Montage der Betätigungselemente und zusätzlicher Aufwand für einfache Steuer- und Regelaufgaben.
Und was ist mit den Ölpfützen an der Werkzeugmaschine? Sie sind leider gelegentlich zu sehen, jedoch kein systematischer Fehler der Hydraulik. Sorgfalt bei der Montage und die Auswahl geeigneter Verrohrungskomponenten vermeiden diese externen Leckagen. Sicherheitskritische Hydrauliksysteme in Flugzeugen sind ein Beispiel, dass eine tropffreie Hydraulikinstallation ohne weiteres möglich ist.
Natürlich gibt es Bereiche, in denen elektrische Antriebe der Hydraulik überlegen sind: Wenn es um hochgenaue Reglungen geht oder um µ-genaue Positionierungen, dann kommen die Vorteile der elektrischen Antriebe zum Tragen. Aus diesem Grund sind heute nur noch selten hydraulische Achsen zu finden. Bei den Nebenfunktionen in Werkzeugmaschinen übertreffen jedoch die Vorteile eines intelligenten Hydrauliksystems bis heute die elektrischen Antriebe.
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