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Neue Zeiten für Präzisionswerkzeuge

Additives Fertigungsverfahren entfesselt Kreativitätsschub – Industrie 4.0 fordert neue Lösungen
Neue Zeiten für Präzisionswerkzeuge

Die immer kürzer werdenden Innovationszyklen der Produkte führen zu rasant fortschreitenden Veränderungen der Fertigungstechnik. In diesem Zusammenhang sind besonders kürzereProzesszeiten, Digitalisierung, Ressourceneffizienz, Leichtbau, neue Werkstoffe, Downsizing, Near-Net-Shape-Technologie oder auch prozesssichere Komplettbearbeitung zu nennen. Fast alle genannten Anforderungen können „auf einen Schlag“ durch das additive Fertigungsverfahren 3D-Druck erfüllt werden. Autor: Dr. Diethard Thomas, LMT Consultant

Doch damit nicht genug. Mit der 3D-Druck-Technologie können ganz neue Lösungen kreiert werden, die mit herkömmlichen Mitteln gar nicht machbar sind. Dazu gehören beispielsweise komplizierte Hinterschneidungen am Werkstück oder auch Freiformbohrungen für Kühlkanäle. Es kann quasi um die Ecke gebohrt werden, wie im Schaft für ein modulares Werkzeug dargestellt ist (Bild 1). Auf die Präzisionswerkzeuge kommen somit völlig neue Zeiten zu: Sie erfahren einen Kreativitätsschub, und das gleich aus zwei Richtungen. Zum einen durch die Initiative Industrie 4.0 mit der Smart Factory, die intelligente, also auch kreative Werkzeuge fordert. Zum anderen durch das additive Fertigungsverfahren 3D-Druck, mit dessen Technologie die Konstrukteure völlig neue Gestaltungsmöglichkeiten bekommen, deren Grenzen heute noch nicht absehbar sind.

Mini-Lösung der Smart Factory
Das additive Fertigungsverfahren zur Bauteilherstellung mittels 3D-Druck stellt quasi eine Mini-Lösung der Smart Factory dar, weil sich der Prozess selbst cyber-physikalisch steuert. Dabei werden dreidimensionale Werkstücke schichtweise aus pulverförmigem Material aufgebaut und durch selektives Laserschmelzen verfestigt. Der Prozess beginnt dabei bereits vor der CAD-Konstruktion mit der Prozessdefinition. Das betrifft vor allem die Festlegung der Schichtorientierung und die Überlegungen zur Positionierung gegebenenfalls erforderlicher Spann- und Referenzkonturen für die spätere Finish-Bearbeitung. Beim Slicen wird das CAD-Modell computergesteuert in Schichten aufgeteilt. Im weiteren Prozessablauf folgen die Fertigungsschritte additive Fertigung, Materialprüfung, Wärmebehandlung, mechanische Finish-Bearbeitung und Qualitätssicherung (Bild 2).
Nutzen und Grenzen
Hinsichtlich des Nutzens des 3D-Drucks für die Werkzeugtechnik kommen zunächst einmal die generellen Vorteile zum Tragen. Zum Beispiel die Schnelligkeit beim Fertigen von Werkzeugmustern sowie von voll funktionsfähigen Komponenten oder kompletten Sonderwerkzeugen aufgrund der Einsparung klassischer Arbeitsgänge. Einzelne Teile können quasi „on demand“ customized erzeugt werden. Das gilt auch besonders für komplizierte Geometrien, die bisher sehr aufwändig oder gar nicht herstellbar waren. Ferner ist erhebliche Gewichtseinsparung durch Implementierung von Hohlräumen möglich, sofern die Steifigkeit nicht beeinträchtigt wird. Hiervon profitiert besonders der Trend zum Leichtbau und zur Ressourceneffizienz. Interessant für die Werkzeugentwicklung ist darüber hinaus die Möglichkeit, Funktionen direkt zu integrieren, beispielsweise die bereits genannten Kühlkanäle.
Für die Massenfertigung unwirtschaftlich
Allerdings besteht beim 3D-Druck gegenwärtig auch noch Entwicklungsbedarf. So sind die Druckzeiten noch zu lang und für die Massenfertigung unwirtschaftlich. Ferner reicht die erzeugte Qualität von funktionalen Werkstückoberflächen noch nicht aus und es bedarf einer spanenden Finishbearbeitung (Bild 2). Spanabhebende Schlicht- bzw. Feinbearbeitungswerkzeuge zur Erzeugung der Endkontur werden von daher zukünftig eine noch größere Bedeutung gewinnen. Dagegen wird das Schruppen als klassisches Verfahren zur Werkstückvorbearbeitung beim 3D-Druck deutlich an Bedeutung verlieren. Diese Entwicklung ist allerdings nicht neu und schon seit längerem unter dem Schlagwort „Near-Net-Shape“ bekannt.
Die Palette der verfügbaren Materialien ist schon relativ groß und reicht von Kunststoffen über Aluminium, Stahl einschließlich Vergütungsstahl bis zu Titan. Eine permanente auch an den Anwenderanforderungen orientierte Werkstoffentwicklung findet gegenwärtig auf diesem Gebiet statt. Gerade für die Präzisionswerkzeugtechnik fehlen bisher noch die wichtigen Materialien, die als Schneidstoffe dienen, wie PM-Schnellstahl und vor allem auch Hartmetall.
Kundenindividuelle Lösungen
LMT Tools nutzt die Individualisierung von Bauteilen dort, wo customized Produkte in kleinen Stückzahlen benötigt werden. Begonnen wurde bei LMT Fette mit dem Druck von Rollkopfhaltern für die maschinenspezifische Anbindung von Gewinderollköpfen. Bild 3 zeigt prinzipiell die Gestaltungsstufen eines Rollkopfhalters beim 3D-Druck vom ursprünglichen konventionellen Design über die Topologieoptimierung und die funktionsgerechte 3D-Modellierung bis zum fertig gedruckten und voll funktionsfähigen Halter aus Stahl mit integrierter Kühlmittelzufuhr. Das Gewicht eines Rollkopfhalters konnte dabei um 43 % reduziert werden.
Auf der Messe AMB wurde ein weiterer Schritt zur Effizienzsteigerung bei der spanlosen Gewindefertigung präsentiert: das Konzept CT-line (Customized Tangentialrollköpfe). „Customized“ bedeutet die kundenindividuelle Problemlösung durch modifizierte Standardrollköpfe. Die Vorteile dieses Konzepts sind eine noch höhere, maßgeschneiderte Fertigungsleistung zu kürzeren Lieferzeiten und geringeren Kosten der Werkzeuge, verglichen mit klassischen Sonderlösungen. Dabei werden die kundenspezifischen Anforderungen an das Bauteil, an die Werkzeugmaschine und an den Bearbeitungsprozess sowie an die individuellen Kundenziele fokussiert und abgestimmt. Bereits kleinere Änderungen in den Werkzeugbaumaßen, der Werkzeugstabilität oder der Kühlmittelzufuhr können die Effizienz der Rollköpfe signifikant steigern oder gegenüber Standardlösungen überhaupt erst möglich machen.
Mit dem 3D-Druck können auch sehr schnell Funktionsmuster erzeugt werden, die dem Kunden nicht nur einen visuellen Eindruck vom Werkzeug vermitteln, sondern auch die realisierbaren Baumaße in seiner Maschine überprüfen lassen. In Bild 4 ist als Beispiel ein Tangential-Gewinderollkopf mit Halter von LMT Fette dargestellt. Das transparente Oberscharnier mit integrierter Kühlmittelzufuhr entstand im 3D-Drucker.
Aber auch bei Fräswerkzeugen mit Wendeplatten, zum Beispiel bei Eckfräsern, kommt das additive Fertigungsverfahren zum Tragen, wie in der transparenten Darstellung mit Kühlmittelkanälen gezeigt wird (Bild 5). Der Vektor der Kühlmittelzuführung ist dabei direkt auf die Schneiden der Wendeplatten gerichtet.
Auswirkungen auf das Umfeld
Die digitale Transformation mittels 3D-Druck wird nicht nur die Gestaltungsmöglichkeiten des Produktes selbst erweitern, sondern auch massive Auswirkungen auf das Umfeld haben. Konstruktion, Produktion und Distribution werden sich grundlegend wandeln. Neue Geometrien, die mit herkömmlichen Mitteln nicht machbar sind, werden die Konstruktionsprinzipien radikal verändern. Der Konstrukteur muss umdenken und die Möglichkeiten des 3D-Drucks kennen, um sie umsetzen zu können. Er benötigt quasi eine „3D-Druck-Brille“, um die Vorteile effizient nutzen zu können. Zusätzliche Kreativität und restriktionsfreies Denken sind in besonderem Maße gefordert. Der klassische Konstruktionskatalog ist in vielen Bereichen nicht mehr aktuell. Stattdessen wird sich spezielle Konstruktionssoftware weiter entwickeln, auch im Hinblick auf Bionik und Topologie. Die Mitarbeiter müssen entsprechend ausgebildet und qualifiziert werden.
Das gilt auch für die Fertigungstechnologen. 3D-Druck beeinflusst die gesamte Fertigungskette und hat Auswirkungen auf die vor- und nachgelagerten Arbeitsgänge. Damit wird auch die Produktion individualisiert und kann in Zukunft dezentraler werden. Produkte lassen sich dort herstellen, wo sie gebraucht werden, in kleineren Fertigungseinheiten. Das spart Transport- und Lagerkosten sowie Energiebedarf. Insgesamt führen alle genannten Auswirkungen zu gesteigerter Materialeffizienz und zu den erwarteten Kostenvorteilen. ■
LMT Tool Systems GmbH www.lmt-tools.de

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