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„Japan und Deutschland sind in der Mentalität sehr ähnlich!“

Yasushi Suzuki, Geschäftsführer OSG Deutschland
„Japan und Deutschland sind in der Mentalität sehr ähnlich!“

Die OSG Corporation mit fünf Produktionswerken und 3000 Mitarbeitern in Japan ist nach eigener Aussage der weltweit größte börsennotierte Hersteller von Schaftwerkzeugen. 2014 erzielte das Unternehmen mit insgesamt über 6000 Mitarbeitern einen Jahresumsatz von 1 Milliarde US-Dollar. Wir haben deshalb mit Yasushi Suzuki, Geschäftsführer OSG Deutschland, über die japanisch-deutschen Beziehungen gesprochen. Das Interview führte: Manfred Lerch

mav: Herr Suzuki, wie sieht OSG beziehungsweise Japan den deutschen Markt?

Suzuki: Wir sehen Deutschland als sehr interessanten Markt. Ich sage meinen Kollegen immer wieder, Deutschland ist für uns ein Traumland, denn wir haben hier noch geringe Marktanteile, die Mentalität ist durchweg fair und Deutschland akzeptiert gute Qualität. Im Gegensatz zu anderen Nationen wollen die Deutschen immer beste Qualität. Das heißt, man will immer mit den besten Produkten produzieren. Diese Mentalität mögen Japaner sehr gern.
Wo ist denn der Unterschied zwischen der deutschen und der japanischen Mentalität?
Suzuki: Für Japaner steht immer die höchste Qualität im Vordergrund, deshalb setzt man immer auf die beste Maschine, die besten Werkzeuge. Durch diese Einstellung achtet man weniger auf die Stückkosten. Das Ergebnis ist zwar gute Qualität, aber die Preise sind häufig zu hoch. Dieses Problem hatte OSG zu Beginn in Deutschland auch, denn im Gegensatz zu Japan ist man in Deutschland deutlich kritischer. Wir haben hier häufig gehört, eure Qualität ist gut aber für diesen Einsatz nicht notwendig. Das heißt, hier in Deutschland achtet man auf gute Qualität aber zum besten Preis. Dieses Preis-Leistungsverhältnis wägt man sehr genau ab.
Hat denn in den vergangenen Jahren der japanische Markt von uns Deutschen gelernt oder hat Deutschland japanische Erkenntnisse übernommen?
Suzuki: Dazu fallen mir zwei Stichwörter ein: Kaizen und just in time, dieser Austausch hat ja längst stattgefunden. Andererseits war es immer das japanische Ziel, den deutschen Qualitätsstandard zu erreichen, dieses Niveau haben wir mittlerweile. Wichtig ist aber noch, dass man in Japan mehr die wirtschaftliche Fertigung verinnerlicht.
Können Sie uns da bezogen auf die Werkzeuge ein konkretes Beispiel nennen?
Suzuki: Ein gutes Beispiel ist, dass OSG Japan jetzt Vollhartmetallfräser in Deutschland produziert. Wir exportieren die von hier aus weltweit. Die Zeichnungen dafür erhalten wir aber aus Japan. Nun steht in diesen Zeichnungen die Längentoleranz nach OSG-Norm. Dabei geht es um ein Hundertstel Millimeter nach dem Komma. Die DIN-Norm dagegen definiert das nur im Bereich von einem Zehntel Millimeter. Deshalb haben wir hinterfragt, ob wir diese enge Toleranz brauchen. Mittlerweile sehen auch wir die DIN-Norm als sehr praktisch und schließen uns dieser in Teilbereichen an.
Nun zählt OSG in Japan ja zu den absoluten Marktführern. Was macht OSG in Japan und woraus resultiert der Erfolg beziehungsweise wie halten Sie dieses Niveau?
Suzuki: Unser Vorteil ist natürlich, dass wir in Japan bereits seit 75 Jahren auf dem Markt sind, da vertraut man der Marke OSG und unserer Qualität. Deshalb erhält OSG hier auch meist die ersten Anfragen. Das ist in Deutschland leider noch nicht so. In Japan bieten wir Gewindewerkzeuge, Gewindelehren, Bohrer, Fräser, teilweise auch Messgeräte an. Wir arbeiten aber auch sehr eng mit den Maschinen- und Steuerungsherstellern zusammen. Mit diesen Partnerships konzentrieren wir uns gezielt auf bestimmte Projekte. Übertragen auf Deutschland haben solche Partnerschaften mit den Unternehmen Haimer oder auch Zoller und Schunk stattgefunden, die sich jetzt auch im japanischen Netzwerk von OSG wiederfinden.
Können Sie uns zu diesen Partnerschaften in Japan ein paar Namen nennen?
Suzuki: Bei den Maschinenherstellern haben wir sehr enge Kontakte mit Makino, Mori Seiki, Mazak oder auch Okuma. Mori Seiki und Mazak sind wie OSG Familienunternehmen, deshalb fruchtet hier die Zusammenarbeit sehr gut.
Welche Marktanteile hat OSG in Japan?
Suzuki: Nun unser Original sind natürlich die Gewindebohrer, deshalb haben wir in diesem Bereich aktuell 55 Prozent Marktanteil. Davon nutzen 95 Prozent der japanischen Automobilhersteller wie Honda, Toyota, Mazda, Nissan oder auch Mitsubishi inklusive der Lkw-Hersteller unsere Gewindebohrer.
Es gibt ja in Deutschland bekannte Sprichwörter, was zu berücksichtigen ist, wenn man gemeinsam Geschäfte macht. Beispiel: eine Hand wäscht die andere oder auch leben und leben lassen. Welche „Weisheiten“ zählen in Japan zu den wichtigsten?
Suzuki: Oh, da gibt es in Japan viele. Mir gefällt beispielsweise, dass Erfolg nur mit entsprechenden Investitionen in eine Mannschaft gelingt. Bei OSG ist diese Familienzugehörigkeit jedes einzelnen ganz entscheidend. Ein zentraler Begriff aber ist Geduld, die man braucht, um hohe Ziele erfolgreich zu erreichen.
Mit dieser Antwort bringen Sie mich zu einem interessanten Thema. Sie sind jetzt seit 2003 in Deutschland und haben seither ja sehr viel Geduld gehabt. Mittlerweile nimmt man OSG in Deutschland wahr, die Akzeptanz und Umsätze in der Automobilindustrie wie im Werkzeug- und Formenbau gehen nach oben. Wir wird das in Japan aufgenommen?
Suzuki: Nun, unser Headquarter in Japan ist direkt neben Honda, Yamaha, Suzuki oder auch Mori Seiki, Mazak und Okuma. Die Wirtschaftskraft ist in Japan zudem enorm gewachsen, damit sind aber auch die Anforderungen von Kundenseite kontinuierlich gestiegen. Unser Wettbewerb, die großen Konzerne in Japan, haben Subventionen für die Entwicklung von Spitzentechnologien der japanischen Regierung in Anspruch genommen. Die Ergebnisse waren aber weder zeitnah noch wirtschaftlich umzusetzen. Wir dagegen haben immer innerhalb sehr kurzer Zeit reagiert, Verbesserungen entwickelt. Ein Beispiel sind da Hybrid-Fahrzeuge mit neuen Werkstoffen. Ein vergleichbares Projekt hat auch hier in Deutschland für einen der führenden Automobilhersteller stattgefunden. Hier haben wir das Tieflochbohren bis 60 x D mit einem spiralisierten Bohrer realisiert oder auch Fräser für spezielle Nickelverbindungen entwickelt. Das heißt, wir konzentrieren uns mehr auf die Anforderungen unserer Kunden. Die zunehmende Akzeptanz in Deutschland ist deshalb für uns eine Bestätigung, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Solche Projekte basieren zwar auf Grundideen von OSG, sind aber nur gemeinsam mit unseren Kunden durchzuführen.
Diese individuelle Optimierung an Kundenanforderungen findet aber doch nach wie vor in Japan statt?
Suzuki: Nicht immer. Aber in Japan haben wir mit mehr Forschungs- und Entwicklungslaboratorien mehr Möglichkeiten. Ein Beispiel, OSG hat in Japan aktuell 180 000 Euro in ein Messgerät von Alicona investiert. In Deutschland stehen uns für so etwas 80 000 Euro zur Verfügung. Das reicht für unsere Produktion, aber damit hat man in Japan einfach mehr Möglichkeiten.
Wie wichtig ist für Japan beziehungsweise für Sie das derzeit zentrale Thema in Deutschland, Industrie 4.0?
Suzuki: Dieses Thema halten wir für sehr attraktiv. Aber um Industrie 4.0 zu erreichen, müssen alle Schnittstellen klar definiert sein. Wir haben beispielsweise dieses Jahr die ISO 13399 eingeführt. Das ist eine internationale Norm für die computer-interpretierbare Darstellung und den Austausch von industriellen Produktdaten. Deutschland dagegen möchte die DIN 4000 einführen. Diese Normen werden bislang sehr unterschiedlich ausgelegt. Wären hier weltweit die Zeichnungsregeln identisch, könnte man die Vergleiche eins zu eins anstellen.
Wie sieht denn künftig die globale Ausrichtung von OSG aus?
Suzuki: OSG Japan verfügt aktuell über ein großes globales Technologiecenter. Hier stehen uns 26 Bearbeitungszentren zur Verfügung. Deshalb haben wir in der Vergangenheit viele deutsche Kunden nach Japan eingeladen. Jetzt haben wir hier in Göppingen, wie auch in Mexiko City oder Chicago ein Technologiezentrum vor Ort gebaut. Göppingen wird aber für ganz Europa zentrale Anlaufstelle sein. Das heißt, inzwischen sind es weltweit fünf Technologiecenter, die für die lokalen Industrien stehen. ■
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