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„Unsere Tradition ist die Basis für Fortschritt“

Dr. Dieter und Dr. Jochen Kress, Geschäftsführer Mapal Dr. Kress KG
„Unsere Tradition ist die Basis für Fortschritt“

Unter drei Generationen der Familie Kress wuchs der Präzisionswerkzeughersteller Mapal zu einem Unternehmen mit mittlerweile über 4500 Mitarbeitern. Die mav sprach mit Vater und Sohn, Dieter und Jochen Kress darüber, wie man über Generationen hinweg innovative Lösungen entwickelt.

Autor: Das Interview führte:

mav: Es wurde nicht großartig gefeiert, weil es für Sie, Herr Dr. Kress, nichts Besonderes war: 45 Jahre Firmenzugehörigkeit – seit beinahe einem halben Jahrhundert beeinflussen Sie die Geschicke bei Mapal. Worauf sind Sie besonders stolz?

Dieter Kress: Kurz nach meinem Eintritt bei Mapal 1969 haben wir uns entschieden, voll und ganz auf die Reibahle zu setzen. Dass wir damit die Herstellung von Gewindebohrern aufgegeben haben, war sicherlich prägend für die Firma. Der nächste entscheidende Schritt war, dass wir auf Basis der Einmesserreibahle Lösungen für und mit der Automobilindustrie entwickelt haben. Das Wesentliche dabei war, dass wir schon damals auf eine flexible Fertigung mit Bearbeitungszentren gesetzt haben. Diese wurden ab ungefähr 1970 im Prototypenbau eingeführt, und man ahnte so langsam, was damit möglich sein würde. Dafür haben wir damals zusätzlich begonnen, die Werkzeuge und auch schon zahlreiche Bearbeitungslösungen zu entwickeln. Dies, um zum Beispiel einen Zylinderkopf auf einem Zentrum mit der gleichen Präzision wie auf einer Transferstraße herstellen zu können. Da hat sich das Mapal-Führungsleisten-Prinzip sehr bewährt. Zudem war der Zukauf der Firma WWS mit ihren Produktprogramm Diamantwerkzeuge in den 90er Jahren eine wegweisende Entscheidung. Schließlich haben wir mit dem Beginn der Internationalisierung in den 90ern das Mapal Produktprogramm vollständig auf die Bearbeitung kubischer Werkstücke zugeschnitten.
mav: Sie waren auch der Vorsitzende in der Normenkommission bei der Einführung der HSK-Schnittstelle.
Dieter Kress: Ja, das war eine ganz wichtige Entwicklung. Mit dem Hohlschaftkegel wurde damals ein Weltstandard für die flexible Fertigung aus der Taufe gehoben. Ohne diese Entwicklung wäre die heutige Präzision auf den Zentren nicht möglich.
mav: Mit diesen Entwicklungen haben Sie Mapal entscheidend voran gebracht. Wie sieht es mit der aktuellen Firmenentwicklung aus?
Dieter Kress: Das Jahr 2014 entsprach exakt unseren Planungen und war für uns wirklich erfreulich. Wir sind parallel zur Branche, was Auftragseingang und Umsatzzuwachs angeht, um sechs Prozent gewachsen. Auch für dieses Jahr planen wir in der gleichen Größenordnung. Wobei wir wissen, dass die ganz großen Investitionen dieses Jahr etwas zurückhaltend getätigt werden. Aber die mittleren und kleinen Projekte laufen gut und die allgemeinen Fertigungszahlen sind weltweit hoch.
mav: Lassen Sie uns einen Blick in die Zukunft wagen. Was ist bei Mapal langfristig geplant?
Dieter Kress: Mapal wird sicherlich auch in Zukunft ein Familienunternehmen bleiben. Dabei ist für uns der entscheidende Vorteil die langfristige Planungssicherheit, gerade bei neuen Technologieentwicklungen.
Jochen Kress: Besonders deutlich wird dies zum Beispiel beim Thema Minimalmengenschmierung. In diesem Bereich haben wir in den 80er Jahren begonnen zu forschen, und jetzt tragen diese Entwicklungen Früchte. Mit derart langen Zeitspannen tut man sich leichter, wenn man eben keinen Fünf-Jahres-Vertrag hat.
mav: Aber woher kommen bei Mapal die Anregungen für neue Entwicklungen?
Jochen Kress: Da sind zum einen die sich ändernden Kunden-Anforderungen als Motor für neue Entwicklungen zu nennen. Zum anderen wandeln sich aber auch die Randbedingungen rund um die Werkzeugmaschine. So hält zum Beispiel der von meinem Vater beschriebene Trend, mehr und mehr Technologien auf flexible Bearbeitungszentren zu bringen, weiter an. Hier sind etwa das Honen oder der Einsatz von Schieberwerkzeugen auf flexiblen Zentren zu nennen. Weiterhin werden auch die Werkstoffe permanent weiterentwickelt. Man kann sich dies an der Motorentechnologie verdeutlichen: Waren vor Jahren die Mehrzahl der Motoren aus Grauguss, kommt heute im Pkw-Bereich beinahe ausschließlich Aluminium zum Einsatz. Diesen Veränderungen müssen wir mit unseren Werkzeugen und Lösungen schließlich Rechnung tragen. Wir befinden uns mit unseren Entwicklungen immer in einem Anforderungskreislauf: Zuerst muss ich die geforderte Qualität bringen, dann muss ich diese schneller ermöglichen und zum Schluss soll das ganze wirtschaftlicher möglich sein. Bin ich damit fertig, kommt hoffentlich das nächste Bauteil mit wieder höheren Qualitätsanforderungen.
mav: Können Sie uns denn hierfür ein konkretes Beispiel nennen?
Jochen Kress: Da gibt es bei uns sicherlich zahlreiche. Nehmen wir etwa die Entwicklung, dass in naher Zukunft die Mehrzahl aller Pkw-Motoren gespritzte Zylinderlaufflächen besitzen werden. Damit diese Beschichtung an der Zylinderwand haften kann, muss diese vorbereitet werden. Hierfür hat Mapal eine Lösung zur mechanischen Aktivierung der Oberfläche entwickelt. Das eingesetzte Werkzeug erzeugt dabei feine Hinterschnitte auf der Oberfläche, in die sich die Beschichtung verklammern kann. Entscheidend ist, dass dieses Verfahren taktzeitkonform auf einer Maschine möglich ist.
Dieter Kress: Neben der werkzeugtechnischen Seite, gab es bei diesem Verfahren auch ein patentrechtliches Problem. Denn die benötigte Oberflächentopografie ist durch ein anderes Unternehmen geschützt. Dabei ist es egal, wie diese entstanden ist. Es ist uns aber gelungen, ein exklusives Nutzungsrecht dieses Patents zu erwerben.
mav: Neuerdings kommt bei dem Schneidplattenbohrer QTD mit dem Lasersintern ja auch ein neues additives Verfahren in der Serienproduktion zum Einsatz. Welche Vorteile ergeben sich dadurch?
Jochen Kress: Wir setzen diese Technologie dort ein, wo es für uns Sinn macht. Bei dem angesprochenen Bohrer zum Beispiel können wir so Werkzeugdurchmesser von acht bis 13 Millimeter mit gewendelten Kühlkanälen realisieren. Mit der konventionellen Fertigungstechnologie waren bislang nur Durchmesser über 13 Millimeter möglich. Zudem ermöglicht die Anordnung und Ausgestaltung der Kühlkanäle einen um 100 Prozent gesteigerten Kühlmitteldurchfluss, speziell durch von der Kreisform abweichende Kühlkanalprofile.
mav: Werden die additiven Verfahren auch langfristig teurer bleiben als die spanenden Verfahren?
Jochen Kress: Das Lasersintern wird sicherlich in den nächsten Jahren produktiver werden, das ist Fakt. Aber die anderen Verfahren werden dies auch, und der Abstand zur konventionellen Fertigung ist heute noch gewaltig. Dass in Zukunft etwa das Lasersintern bei vorhandenen Bauteilgeometrien das billigere Verfahren sein wird, das sehen noch nicht einmal die betreffenden Lasersinteranlagenhersteller so. Zudem bekommt man in der Regel auch keine fertigen Teile von der Maschine.
Dieter Kress: Es gibt in bestimmten Branchen sicherlich extreme Beispiele, wo sich das vielleicht ändern könnte. In der Luftfahrtindustrie gibt es Bauteile aus Titan, bei denen nach Bearbeitung noch zehn Prozent des ursprünglichen Gewichts übrig sind. Da kann man sicherlich am ehesten fragen, ob sich ein additives Verfahren lohnt. Man muss sich aber generell von der alten Denkweise lösen und neue Möglichkeiten in Betracht ziehen. Es ist sicherlich falsch, ein Teil, das bisher gedreht, gefräst und geschliffen wurde, eins zu eins nun additiv herstellen zu wollen. Die Idee muss sein, was kann ich mit den neuen Verfahren an neuen Werkzeugen herstellen.
mav: Auf der Kundenseite drängt sich mehr und mehr auch das Thema Elektromobilität in den Vordergrund. Bei der Herstellung der E-Fahrzeuge wird der Anteil der zu zerspanenden Teile drastisch gesenkt werden. Wie sehen Sie diese Entwicklung?
Jochen Kress: Die E-Mobilität wird kommen, das steht für mich außer Frage. Aber die Umstellung wird niemals digital stattfinden, und zudem wird das absolute Volumen an Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren noch einige Jahre steigen. Bei den Hybridmodellen wird mehr zerspant als bei reinen Verbrennungsmotoren. Dennoch verfolgen wir die Entwicklung natürlich und haben uns auch schon breiter aufgestellt. So haben wir heute, aufgrund unseres Produktprogramms, ganz andere Möglichkeiten als vor zehn oder 20 Jahren. Etwa in der Luftfahrt oder in der Öl- und Gasindustrie. Was der Kunde schließlich produziert, das haben wir allerdings nie in der Hand.
Dieter Kress: Die großen Automobilhersteller haben gerade in den letzten Jahren große Investitionen in ihre Motorenfertigungen getätigt. Dies ist für uns ein Zeichen dafür, dass auch in den nächsten Jahren vermehrt Verbrennungsmotoren produziert werden sollen. Falls in den nächsten Jahren wirklich fünf Prozent E-Fahrzeuge gebaut werden sollten, dann gehen wir immer von einem weltweiten Gesamtvolumen von 95 Millionen Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor aus. Zudem benötigen auch die E-Autos Chassis und Bremsen. Sich darauf vorzubereiten, ist aber sicherlich richtig.
Jochen Kress: Was wir jetzt besprechen, betrifft wahrscheinlich die nächsten zehn Jahre. Und viel weiter kann man realistisch nicht vorausschauen.
mav: Mit der bald stattfindenden Hannover Messe gerät auch das Thema Industrie 4.0 als Megatrend in den Fokus. Was gibt es bei Ihnen hierzu Neues?
Jochen Kress: Wir beschäftigen uns sehr intensiv mit dem Thema Industrie 4.0. Zum Beispiel beim Thema Werkzeugmanagement auf Shopfloorebene. Hier interessiert uns die Verknüpfung von Einstellgerät, Ausgabesystem und Werkzeugdatenmanagement und zusätzlich die Anknüpfung an die verschiedenen einfache Systeme im Fertigungsumfeld. Da dies immer kundenspezifische Lösungen sind, hat man es hier immer mit unterschiedlichen Schnittstellen zu tun. Wir werden gerade zu diesem Thema schon sehr bald eine offene und vor allem durchgängige Lösung präsentieren. Damit wird das Werkzeugmanagement einfach und übersichtlich. Mit diesem System werden dann die bestehenden Systeme eingebunden werden können.
mav: Wird diese Lösung dann auch cloudbasiert sein?
Jochen Kress: Sicherlich nicht sofort, denn momentan sind die Anwender schon froh, wenn sie eine Datendurchgängigkeit erreichen. Und bei vielen Kunden ist es schon ein Thema, ein Einstellgerät an das Internet für einen Fernzugriff anzuschließen.
mav: Mit dem Thema Fachkräftemangel tun sich viele schon heute schwer. Bei Ihnen scheint das kein Problem zu sein: Sie haben zum zweiten Mal in Folge den landesbesten Zerspaner ausgebildet. Wie ermöglicht man eine so gute Ausbildung?
Dieter Kress: Es ist richtig, wir haben bis jetzt keinen Fachkräftemangel. Unsere seit Jahrzehnten sehr gute Ausbildung sichert uns eben eine große Anzahl an Facharbeitern. Hierfür haben wir unsere große Lehrwerkstatt weiter ausgebaut und dort auch die neuesten Maschinen aufgestellt. Somit ist nach der Ausbildung ein reibungsloser Übergang in die Produktion möglich. Von großem Interesse ist bei uns auch die Ausbildung von weiblichen Mitarbeitern. Unser großes Engagement auf diesem Gebiet beschert uns die weltweit über 300 Auszubildenden. Im Vergleich zur Gesamtbelegschaft haben wir so eine große Ausbildungsquote.
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