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Vollautomatische Fließfertigung von Schienenfahrzeug-Drehgestellen

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Vollautomatische Fließfertigung von Schienenfahrzeug-Drehgestellen

Die Herstellung von über 2 000 Schienenfahrzeug-Drehgestellen im Jahr lässt sich nur mit neuesten Produktionstechnologien bewältigen. Einer ihrer Schwerpunkte ist die automatisierte Schweißung der Drehgestellkomponenten. Die Siemens SGP Verkehrstechnik in Graz hat dazu kürzlich eine Fließfertigung in Betrieb genommen, die durch ein automatisches Transportsystem manuelle Arbeitsplätze und Schweißroboter verknüpft.

Autor: Martin WohlgenanntE-Mail: martin.wohlgenannt@aon.at

Schienenfahrzeuge mit Drehgestellen der Siemens SGP Verkehrstechnik werden in naher Zukunft die 700 km der Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Madrid und Barcelona in zwei Stunden zurücklegen. Sie erreichen dabei also über 350 km/h. Andere Hochgeschwindigkeitszüge fahren – abhängig von der Streckenführung – mit Geschwindigkeiten bis zu 300 km/h.
Der Rahmen der Drehgestelle ist als Stahlkonstruktion in Kastenbauform ausgeführt. Bei seiner Fertigung werden modernste Technologien eingesetzt. Produziert wird seit Sommer 2002 in einer Fließfertigung mit Robotern (Tandemtechnik).
Der Prototyp jedes Drehgestellrahmens wird umfangreichen Belastungstests unterzogen. Mit 6 x 106 Lastwechseln wird zunächst ein 30-jähriger Betrieb simuliert. Während dieser Zeit darf sich am gesamten Rahmen kein einziger Riss bilden. Anschließend muss der Rahmen einen zweiten Test mit 20 % Überlast und zwei Millionen Lastwechseln bestehen und danach noch einen dritten Test mit ebenfalls zwei Millionen Lastwechseln, aber 40 % Überlast. Erst wenn der Prototyp alle Tests bestanden hat, erfolgt die Serienfreigabe durch den jeweiligen Kunden.
Bei der Realisierung der Anlage fungierte die Carl Cloos Schweißtechnik Entwicklung & Vertrieb Ges.mbH, Wiener Neudorf, ein 100%iges Tochterunternehmen von Cloos, als Generalunternehmer.
Die Schweißungen werden nach DIN 6700, Güteklasse C1 (Norm für die Fertigung von Schienenfahrzeugen) hergestellt. 80 % der Schweißungen sind HY-Nähte. Die restlichen 20 % sind HV-Nähte, Kehl- und Stumpfnähte mit definierter verbleibender oder keramischer Schweißbadsicherung. Als Schweißzusatzwerkstoff kommt Massiv- und Röhrchendraht mit 1,2 bis 1,6 mm Durchmesser zum Einsatz, als Schutzgas Corgon 18. Kardanisch bewegte Vorrichtungen bringen die Bauteile während der mehrlagigen Schweißungen laufend in die optimale Wannenlage. Nach einem statistischen Verfahren werden in allen Fertigungsschritten immer wieder Bauteile aus der Serie entnommen und zerstörend geprüft.
Abschmelzleistung von über 10 kg pro Stunde
Die in den Roboterzellen der neuen Fertigungsstraße integrierte MIG/MAG-Tandemtechnik erreicht Abschmelzleistungen von über zehn Kilogramm pro Stunde. Im Vergleich dazu kann der Roboter mit Eindrahtschweißung vier bis sechs Kilogramm pro Stunde verschweißen. Ein Handschweißer schafft etwa 0,5 kg pro Stunde.
Beim Tandemschweißen werden zwei separat geförderte Drähte in einem Lichtbogen abgeschmolzen. Im Unterschied zur herkömmlichen Zweidrahttechnik wird beim Tandemschweißen nicht ein gemeinsames Kontaktrohr für beide Drähte verwendet, sondern zwei von einander isolierte, separate Kontaktrohre. Dies ermöglicht für jeden Lichtbogen individuelle Parametereinstellungen. Mit der hohen Geräteleistung der Quinto-Impulsschweißtechnik sowie Drahtvorschubgeschwindigkeiten bis zu 30 m/min können so je nach Bauteil, Ma-terial, Blechdicke und Nahtgeometrie Schweißgeschwindigkeiten bis zu sechs Meter pro Minute erreicht werden. Das „Lichtbogengesteuerte Nahtsuchen“ gleicht Toleranzen auch bei diesen hohen Schweißgeschwindigkeiten während des Schweiß-prozesses automatisch aus.
Sechsachs-Roboter mit 6 x 2 x 1,5 m Arbeitsbereich
Die jeweils zwei Längsträger und der Querträger des Drehgestellrahmens entstehen in zwei parallelen Fließstraßen und werden dann zum kompletten Drehgestellrahmen zusammengeschweißt. In jeder der beiden Fließstraßen befinden sich zwei Roboterschweißzellen, jeweils bestückt mit einem Industrieroboter des Typs Romat 310, sowie zehn manuelle Arbeitsplätze, an denen beispielsweise Bauteile gefügt, geheftet und kontrolliert werden. Die sechsachsigen Roboter sind in Überkopfposition an einer dreiachsigen Höhenverfahreinheit montiert. Damit haben sie einen Arbeitsbereich von sechs Metern in der Länge, zwei Metern in Querrichtung und 1,5 m im Höhenbereich. Mit dem dreiachsigen Werkstückmanipulator (max. Gewichtsbelastung fünf Tonnen) sind also zwölf Achsen synchron im Schweißprozess integriert und ermöglichen Schweißungen vorzugsweise in der vorteilhaften Wannenlage.
Die Roboter arbeiten mit Steuerungen des Typs Rotrol II und einem integrierten Lichtbogensensor. Die Steuerung ermöglicht die Interpolation, Verwaltung und Programmierung von bis zu 18 Achsen. Die Zusatzsoftware „Carola EDI“ verwaltet die Programme und generiert die anwendungsorientierten Funktionen für die Schweißung. Während das Robotersystem produziert, werden zum Beispiel Ablaufprogramme erstellt und auf Fehlerfreiheit überprüft. Die Robotersteuerung erhält die Informationen über das zu schweißende Werkstück jeweils vom ankommenden Transportwagen. In der Fließfertigung der Längsträger befinden sich außer der Ein- und Ausschleusstation sowie den Schweißstationen ein Umlaufpuffer mit sechs Pufferplätzen, drei einfache Pufferplätze sowie eine Palettenwartungsstation, die in Sonderfällen auch als Ausschleusstation dienen kann. Mit diesem Organisationskonzept erreicht die Fertigungslinie große Flexibilität und höchstmögliche Ausnutzung. Für jede Komponente ist der Fertigungsablauf im System gespeichert.
Mit dem vollautomatischen Brennerwechselsystem können die Roboter innerhalb von zehn Sekunden von Eindrahttechno-logie auf MAG-Tandemschweißung wechseln.
Die Schweißdatenüberwachung zur Qualitätssicherung des Produktes ist in der rechnergesteuerten Impulsschweißtechnik GLC 503 QUINTO SD integriert. Der zentrale Rechner der Fließfertigung komplettiert die laufend registrierten Parameter mit den Arbeitsabläufen zu einem Bericht, mit dem die Produktion jedes Teils noch nach Jahren nachvollziehbar ist. Somit werden alle verfahrens- und ablauftechnischen Daten über ein Netzwerk mit einem zentralen Rechner ausgetauscht.
Bauteiltransport über 70 m Schienensystem
Die Fließfertigung der Längsträger, von denen je zwei für ein Drehgestell erforderlich sind, ist voll automatisiert und durch ein Transportsystem verbunden, während in der Querträger-Fließfertigung die einzelnen Arbeitsstationen durch Gabelstapler und Kran mit den Werkstücken beschickt werden. Der Transportwagen in der Längsträger-Fließstraße fährt mit einer Geschwindigkeit von einem Meter pro Sekunde auf einem im Boden versenkten, 70 m langen Schienensystem. Er ist mit einem Querwagen ausgerüstet, der die Bauteile jeweils in die einzelnen Arbeitsstationen befördert.
Am Beginn der Fließfertigung, in der Einschleusstation, werden die Grundkörper, aus Gurten und Stegen in der Schweißvorrichtung gefügt und von Hand geheftet. Die Schweißvorrichtung ist dabei bereits auf einer Aufnahmevorrichtung für das Transportsystem aufgesetzt, die speziell für die Schweißung per Roboter die präzise Positionierung der einzelnen Teile sicherstellt. In der Einschleusstation erhält jedes Bauteil eine Seriennummer, über deren Kennung es wäh-rend der gesamten Fertigung identifizierbar ist. Das Pufferlager der Längsträgerfertigung speichert bis zu sechs Bauteile auf zwei Etagen. Damit lassen sich unterschiedliche Taktzeiten der einzelnen Arbeitsstationen ausgleichen oder Bauteile für eine mannlose Schicht speichern.
Carl CloosSchweißtechnik GmbHTel. 02773/85-0, Fax -275
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