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Norbert Heßbrüggen, Geschäftsführer EMAG Maschinenfabrik

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Norbert Heßbrüggen, Geschäftsführer EMAG Maschinenfabrik

EMAG aus Salach hat 1992 zur METAV das Drehen auf den Kopf gestellt und als weltweit erster Hersteller eine vertikale Pick-up-Drehmaschine vorgestellt. Seitdem wurden von Emag 2 500 Maschinen dieser Bauart ausgeliefert. Weiteres rasantes Wachstum ist mit dem forcierten Bau von Mehr-Technologien-Maschinen geplant.

mav: Vertikale Pick-up-Drehmaschinen haben seit 1992 die spanende Bearbeitung von flanschförmigen runden Teilen revolutioniert. In dieser kurzen Zeitspanne hat sich diese selbst ladende Vertikal-Drehmaschine zum multifunktionalen Produktionszentrum entwickelt. Die mit diesem Fertigungssystem erzielbaren Kostenvorteile haben wesentlich dazu beigetragen, dass spanende Fertigung am Standort Deutschland gesichert und ausgebaut werden konnte. Unserer Ansicht nach ist deshalb im Werkzeugmaschinenbau die Vertikale Pick-up-Drehmaschine die “Maschine des Jahrzehnts”.

!Heßbrüggen: Dem stimme ich gern zu. Wir haben das Pickup-Prinzip zwar nicht erfunden, waren aber weltweit die Ersten, die eine Pick-up-Drehmaschine gebaut und auf der METAV 1992 vorgestellt haben.
mav: Die beeindruckende Erfolgsstory dieses Maschinentyps ist eng mit dem Namen EMAG verbunden, geht aber auf ein Patent der Firma J. G. Weisser Söhne zurück?
!Heßbrüggen: Als wir unsere Idee einer Pick-up-Maschine zum Patent anmelden wollten, ergab unsere Recherche, dass die Firma J. G. Weisser Söhne 1984 eine Maschine zum Patent angemeldet hatte, die dem Zeitgeist von damals entsprechend ein flexibles Bearbeitungszentrum darstellte, bei dem sich der Spindelstock über einen Ausleger das Teil holt und über einen Revolver mit Werkzeugwechsler zur Bearbeitung bringt. Dies war im Grunde die erste Pickup-Maschine, die allerdings nicht gebaut wurde.
mav: Das ist verwunderlich, denn bei der vertikalen Pick-up-Drehmaschine holt sich die Bearbeitungsspindel ebenfalls das Teil von einem Zuführband und legt es dort nach der Bearbeitung wieder ab – heute ein weltweit erfolgreiches Konzept und fast kein Unterschied zum Weisser-Patent?
!Heßbrüggen: In den 80er Jahren hatte die Fertigungsindustrie kein Interesse an diesem Bauprinzip. Unsere Entwicklung Anfang der 90er Jahre passte besser in die Zeit. Damals ging es gerade los mit Lean Production, Mr. Lopez ließ grüßen! Die ganze Welt schrie nach billigeren Maschinen. Auch unser damaliger Verbandspräsident, Dr. Berthold Leibinger, wies darauf hin, dass deutsche Werkzeugmaschinen ein Drittel zu teuer seien. Genau in dieses Umfeld haben wir damals unsere sich selbst ladende VSC Pick-up-Drehmaschine plazieren können. Erfindungen machen immer nur in einer bestimmten Zeit Sinn.
mav: Das wesentliche Merkmal der Pickup-Maschinen ist, dass dadurch teuere Be- und Entladeeinrichtungen entfallen. Also waren die Investitionsvorteile für den Erfolg der VSC-Baureihe ausschlaggebend?
!Heßbrüggen: Nicht nur. Die wirtschaftliche Umsetzung einer Erfindung erfordert nicht nur einen aufnahmebereiten Markt, sondern auch die Verfügbarkeit notwendiger Technik. Bei Pick-up-Maschinen wird die Arbeitsspindel in den Hauptachsen verfahren. Ohne CNC-Technologie und ohne Motorspindel würde das wirtschaftlich keinen Sinn machen. Der Bau unserer ersten Pick-up-Maschine war nur möglich, weil wir zuvor bereits zusammen mit Indramat eine leistungsstarke Motorspindel für unsere damaligen horizontalen Drehmaschinen entwickelt hatten. Mit dieser Motorspindel konnten wir eine Spindelstockeinheit bauen, die leicht genug war, um sich vernünftig schnell verfahren zu lassen. Nur so konnten wir das VSC-Konzept realisieren.
mav: Hatten Sie damals schon eine Vorstellung, was sich technologisch mit dem Pickup-Prinzip alles realisieren lassen würde?
!Heßbrüggen: Wir haben damals gedacht, das Prinzip lässt sich nur für kleine Teile anwenden. Wir befürchteten, es würde furchtbare Schwingungen mit dem obenliegenden Kreuzschlitten geben. Als wir dann aber erlebt haben, wie ruhig die Maschine lief, sind wir immer mutiger geworden und haben die Baugrößen immer weiter nach oben getrieben. Aus der ersten 130er Maschine wurde eine 160er, dann eine 250er, 315er, 400er, 500er, 600er und schließlich gar eine 630er. Wahrscheinlich wird es auch noch eine 800er geben, dann allerdings meinen wir, ist dieses System ausgereizt.
mav: Wie geht es mit der VSC weiter?
!Heßbrüggen: Ich sehe unsere Zukunft in der Mehr-Technologien-Maschine. Das Tolle an der VSC-Maschine ist ja, dass wir die Bewegungen in das Teil legen. Wir positionieren, bewegen und drehen das Teil in zwei oder drei Achsen. Wenn man das genau und steif kann, ist eine Maschine geboren, die natürlicherweise geeignet ist, multifunktional zu arbeiten. Egal ob es gilt, ein Loch zu bohren, an einen Schleifstift heranzufahren oder Drehoperationen ausführen – das Teil führt die Bewegungen aus. Wenn dann das Werkzeug je nach eingesetzter Technologie sich auch noch bewegt, ergeben sich kinematisch fast unbegrenzte Möglichkeiten. Diese Fähigkeit der Maschine ist eigentlich auch der Erfolg dieser Fertigungslösung.
mav: Welche Technologie erschließt sich für die VSC-Maschine durch die jüngst erfolgte Übernahme der Firma Kopp in Ulm ?
!Heßbrüggen: Das muss man im Zusammenhang sehen. Wir haben ja Reinecker, Karstens und jetzt Kopp in unseren Verbund aufgenommen, um im Schleifen von mittleren und großen Serien eine Rolle zu spielen. Wir drehen, fräsen, bohren auf unserer VSC flanschförmige runde Teile und können diese anschließend hartdrehen und/oder schleifen. Kopp hat gute Erfahrungen in der Bearbeitung von wellenförmigen Werkstücken und da insbesondere bei unrunden Wellen, sprich Nockenwellen und bei flanschförmigen Teilen, die Kurvenform haben. Insofern können wir einmal das klassische Karstens-Produkt für das Außenschleifen mit dem Kopp-Produkt verbinden. Ebenso können wir unsere VSC, die wir bei Reinecker inzwischen 80-mal als kombinierte Dreh-/Schleifmaschine verkauft haben, sehr gut bei der Bearbeitung von Futterteilen, die Kurven aufweisen, für Kopop nutzen.
mav: Welche Technologien fehlen für die Multifunktionsbearbeitung der VSC-Familie noch?
!Heßbrüggen: Wir haben das Ziel, alle Technologien für das runde Teil zu beherrschen. Da fehlt uns beispielsweise das Honen, das Superfinishen und das Kaltwalzen. Wir werden dieses Wissen entweder selbst entwickeln, mit jemand kooperieren oder einen Spezialisten übernehmen. Wir wollen aber nur durch vernünftige Synergien wachsen, die sich technologisch und im Vertrieb ergänzen. Wenn wir jemanden dazukaufen, muss es möglich sein, dessen Produkt mit unserer VSC einen Zugewinn zu geben. Reinecker beispielsweise hat durch die VSC einen phantastischen Zugewinn im Umsatz bekommen und ist für mich ein Paradebeispiel, wie klassische und neuere Technologien verbunden sein können.
mav: Wie sieht es aus mit Laseranwendungen im VSC-Produktionszentrum?
!Heßbrüggen: Wir bauen gerade die erste Maschine für uns selbst, in der wir laserhärten und wir haben eine Anlage in Auftrag, in der wir Wellen für ein Automatikgetriebe produzieren, wo wir laserschweißen. Hierbei werden drei Blechteile nacheinander vom Band gepickt und mit der Welle verschweißt. Zwischendurch müssen wir an der Welle Befestigungsflächen für die Bleche andrehen. Die Technologie der Kombination Drehen, Fügen und Lasern in der VSC wird dieses Jahr bei uns erprobt.
mav: Wie hat sich das gemeinsame Kind der VL-Maschine mit Hardinge entwickelt?
!Heßbrüggen: Das Geschäft mit unseren amerikanischen Partnern ist sehr erfreulich angelaufen. Wir haben Mitte Januar 2001 die hundertste VL-Maschine, wobei L fürLean steht, ausgeliefert. Angefangen haben wir damit letztes Jahr im Juli.
mav: Wie stehen Sie zum Thema Fremd- und Eigenfertigung?
!Heßbrüggen: Wir sind eindeutig der Meinung, die wesentlichen Kernteile selber zu machen und haben dafür vor 6 Jahren die WEMA in Zerbst übernommen. Seither haben wir dieses ehemalige Großdrehmaschinenwerk völlig umstrukturiert. Zunächst zu einem Teile- und Baugruppenlieferwerk und heute zum zentralen Hersteller der VSC-Grundmaschinen. Jegliche Produktion rund um die VSC erfolgt dort mit hoher Fertigungstiefe. Für kurze Wege haben wir notwendige Zulieferer direkt auf unserem Gelände angesiedelt. Im Herbst letzten Jahres wurde auch die komplette Mineralbetonfertigung von Salach nach Zerbst verlagert, so dass alle Fertigungsschritte, die notwendig sind, um eine Maschine zu bauen, jetzt dort erfolgen. Wir bauen in einer dreischichtigen Fertigung und einer zweischichtigen Montage ca. 20 Grundmaschinen pro Woche. In Salach und in unseren Marktunternehmen, die z. B. in Frankreich oder Amerika vor Ort jeweils Partner unserer Kunden sind, werden die Maschinen dann entsprechend den Kundenteilen nur noch komplettiert. Die Mitarbeiter in Salach und bei den anderen Marktunternehmen müssen so nicht mehr Maschinenfehlteilen hinterherlaufen sondern können sich darauf konzentrieren, die Fertigungsprobleme an den Teilen unserer Kunden zu lösen.
mav: Nach ihren Vorstellungen soll EMAG auch weiterhin rasant wachsen. Warum?
!Heßbrüggen: Erstens weil wir glauben, dass wir jungen Mitarbeitern nur dann eine Perspektive bieten können, wenn wir weiterkommen. Zweitens, weil wir glauben, dass ein 20- oder 30-Mio.-Unternehmen im globalen Markt heute nicht mehr agieren kann und drittens sind wir der Meinung, nur wenn es aufwärts geht, hat man den Dampf, neue Technologien voran zu bringen. Stagnation ist meiner Meinung Stillstand für alles.
Dann sind Maschinen mit unten angeordneter Spindel wieder gefragt. In diesen Größen gibt es dann auch keine Stückzahlen von Teilen mehr, die eine Pickup Maschine rechtfertigen würden.
Das macht nur Sinn in mittleren und großen Serien., wobei dieser Begriff dehnbar ist, denn die Umrüstbarkeit einer solchen Maschine ist erfreulich gut. Mittlere Serie sehen wir deshalb auch schon bei unter Hundert Stück (große Teile)
Die ersten drei MasCHinen hatten noch die Pickup Station vorn, dies ging nur bei kleinen Teilen, Wir haben dann sehr schnell umgestellt und die Pickup-Station nach hinten verlegt.
mav: Wieviel VSC-Maschinen gibt es bis jetzt im Markt?
!Heßbrüggen: . Im Bereich der VSC sind wir ja heute nicht nur Drehmaschinenhersteller, sonder wir nennen den zusätzlichen Bereich multifunktional, weil wir dort andere Technologien integriert haben . Wir sind heute mit einem Drittel der Produktion im multifunktionalen Bereich, nicht mehr im reinen Drehbereich.
Auch alle Schläuche, die Kugelrollspindeln usw. Da kommt normalerweise ja kein Dreck hin, wenn man mal von der Gußzerspanung absieht, da muß man halt absaugen. Eine Schleifscheibenspindel kann man mit Labyrinte so abdecken, daß da kein Schmutz eindringt.
Wir haben kein Problem beim Hartdrehen oder Schleifen mit Dreck im Arbeitsraum
Muß man beispielsweise Bohrungen schleifen, dann muß man den Schleifstift fast nach jedem Bohrungsschleifvorgang abrichten. In der Kombination mit hart Ausdrehen bis auf wenige hundertstel mm Schleifaufmaß hat hat der Schleifstift eine längere Standzeit, weil nur noch sehr wenig Abtrag zu leisten ist.
mav: Also Drehen, Fügen, Schweißen und Bürsten in einer 2500 VSC-Maschinen hat die Emag Gruppe davon seither gebaut und ausgeliefert und dabei letztes Jahr 380 Mio DM Umsatz gemacht
mav: Schleifen in der Drehmaschine – statt Späne Schleifschlamm, der sich überall festsetzt – macht das keine Probleme?
!Heßbrüggen: Gerade hierfür ist die vertikale Maschine ja bestens geeignet. Das Tolle ist ja, daß wir einen Arbeitsraum haben, in dem es im Grunde keine bewegten Teile gibt, die irgend eine Abdeckung brauchen, weil sie undicht werden könnten. Es gibt auch keinerlei Verschleiß von Führungen, denn die sind ja bei der vertikalen Maschine alle wunderschön oben angeordnet. Für das Naßschleifen ist die VSC-Maschine deshalb optimal geeignet. Anders sieht es mit dem Trockenschleifen aus, da gibt es noch Probleme mit den Schleifscheiben, weil die Standzeiten noch nicht befriedigen. Eine interessante Technologie ist aber die Kombination von Hartdrehen und Trockenschleifen.
Das können wir jederzeit auch vor Ort machen , das können wir auch in Frankreich oder Amerika tun. Wir wollen immer vor Ort ein Marktunternehmen haben, n.
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