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„Maschinenhersteller bauen vermehrt IT-Kompetenz auf“

Dr. Wilfried Schäfer, Geschäftsführer VDW (Verein Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken)
„Maschinenhersteller bauen vermehrt IT-Kompetenz auf“

„Maschinenhersteller bauen vermehrt IT-Kompetenz auf“
In wenigen Wochen öffnet die EMO Hannover 2017 ihre Tore. Welche großen Trends das wichtigste Branchenevent des Jahres prägen werden und was die digitale Fertigungszukunft bringen wird, erläutert Dr. Wilfried Schäfer, Geschäftsführer des EMO-Veranstalters VDW, im Interview mit mav. Das Interview führte: Dr. Frank-Michael Kieß

mav: Welche Erwartungen haben Sie für die EMO Hannover 2017?

Schäfer: Die EMO Hannover ist der wichtigste Branchentreff weltweit. Wir gehen auch in diesem Jahr davon aus, dass sich Fachbesucher aus allen Kundensegmenten über die neuesten Entwicklungen und Trends in der Metallbearbeitung informieren werden – insbesondere, um ihre Investitionen zu planen.

Was werden die heißesten Trends sein?

Schäfer: Industrie 4.0 ist und bleibt der Megatrend in der Produktionstechnik – und das sicher noch über viele Jahre hinweg. Eine entsprechende Rolle spielt dieses Thema auf der EMO Hannover. Das haben wir bereits mit dem Messemotto „Connecting systems for intelligent production“ herausgestellt. Es geht dabei weniger um die physische Vernetzung von Maschinen, als vielmehr um eine neue Qualität der Kommunikation in der Produktion und um die Datennutzung. Dabei zeichnen sich zusätzliche technische Funktionen und neue Geschäftsmodelle ab.

Ein weiterer Trend bleibt Additive Manufacturing. Was auf der EMO Hannover 2013 noch weitgehend auf die Prototypenfertigung beschränkt war, wird als Prozess zunehmend Bestandteil der industriellen Produktion. Und gerade bei dieser relativ jungen Fertigungstechnik besteht noch viel Raum für Entwicklung.

Nicht zu vergessen sind schließlich die konventionellen Bereiche der Produktionstechnik. Auch wenn deren Reifegrad in der Werkzeugmaschinenindustrie sehr hoch ist, gelingt es den Herstellern immer wieder, die Messlatte weiter nach oben zu schieben. Die EMO Hannover widmet diesem Thema daher mit dem WGP-Symposium „Production for Tomorrow“ einen eigenen Schwerpunkt. Nicht nur dort zeigen Aussteller neue Lösungen für mehr Produktivität, Genauigkeit und Flexibilität.

Erwarten Sie neue Rekordzahlen bei Ausstellern, Besuchern, Internationalität?

Schäfer: Rund 2200 Aussteller haben sich für die EMO Hannover angemeldet, was unsere Erwartungen übertroffen hat. Natürlich freuen wir uns über die weiterhin große Aufmerksamkeit, die die Messe international auch 2017 wieder erzielt. Entsprechend erwarten wir ein großes Besucherinteresse, aus dem Ausland wie aus dem Inland. Schließlich findet die EMO in diesem Jahr in einem hervorragenden wirtschaftlichen Umfeld statt, gerade für die Werkzeugmaschinenindustrie.

Wie wirken sich die aktuellen politischen Unsicherheiten auf die Branche aus? Wie stark ist die Sorge vor Export-Beschränkungen, namentlich in den USA, und wie reagiert man darauf?

Schäfer: Auf diese protektionistischen Bestrebungen blicken wir natürlich mit einiger Sorge. Andererseits muss man bei aller Verunsicherung auch sehen: Ankündigungen von konkreten Handelsbeschränkungen hat es bisher noch nicht gegeben. Derzeit herrscht beispielsweise in der deutschen Werkzeugmaschinenindustrie ein verhaltener Optimismus, wenn es um das Nordamerikageschäft geht. Unsere Exporte in die USA sind im ersten Quartal 2017 um 16 Prozent gestiegen – wenn auch getrieben von Sondereffekten aus dem Vorjahr. Klar bleibt jedenfalls: Nach derzeitigem Stand wären die USA nicht in der Lage, ihren Bedarf aus eigener Produktion vollständig zu bedienen – bei weitem nicht.

Mit der Sonderschau industrie 4.0 area (siehe auch Seite 20) haben Sie die Digitalisierung/Vernetzung zum Fokusthema gemacht. Welche Idee steht hinter dem Themenpark?

Schäfer: Das Thema Vernetzung wird seit einigen Jahren unter dem Schlagwort Industrie 4.0 diskutiert. Verlief diese Diskussion in der Vergangenheit zunächst auf theoretischer Ebene und aus dem Blickwinkel der Informationstechnologie, finden sich nun zunehmend Beispiele für die konkrete Umsetzung in der industriellen Produktion. Die industrie 4.0 area soll Fachbesuchern einen konzentrierten Überblick über entsprechende Lösungen verschaffen, von der Werkzeugmaschine bis in die Cloud. Die beteiligten Forschungsinstitute bieten darüber hinaus einen Blick darauf, was die Industrie-4.0-Zukunft noch bereithält.

Welche Rolle spielen Kooperationen mit Forschungspartnern für die Werkzeugmaschinenhersteller?

Schäfer: Sie spielen eine große Rolle. Unternehmen können auf eine etablierte Forschungslandschaft zurückgreifen, von der vorwettbewerblichen Gemeinschaftsforschung, in der beispielsweise das VDW-Forschungsinstitut sehr aktiv ist, bis hin zu bilateralen Kooperationen einzelner Hersteller mit wissenschaftlichen Einrichtungen. Solche Netzwerke und Beziehungen bieten Unternehmen die Möglichkeit, schnell auf neue technologische Anforderungen zu reagieren, wissenschaftliche Erkenntnisse rasch zu adaptieren und die eigenen Entwicklungskapazitäten temporär zu erweitern.

Wird das Thema Industrie 4.0 auch neue Akteure anlocken, die bislang nicht auf einer EMO vertreten waren, zum Beispiel aus der IT-Branche?

Schäfer: Das ist mit Sicherheit der Fall. Viele IT-Unternehmen versuchen, sich mit Anwendungen in der industriellen Produktion zu etablieren. Die EMO Hannover bietet ihnen ein hochattraktives Zielpublikum. Auf der diesjährigen Messe sind diese Firmen erst vereinzelt vertreten. Wir erwarten allerdings für die Folgeveranstaltung 2019 bereits einen deutlichen Zuwachs. Eine ganz andere Entwicklung greift ebenfalls um sich: Werkzeugmaschinenhersteller bauen selbst vermehrt IT-Kompetenz auf.

Wie fortgeschritten ist die Werkzeugmaschinenbranche aus Ihrer Sicht beim Thema Industrie 4.0? Wo ist man bereits weit, wo hinkt man hinterher?

Schäfer: Digitalisierung ist nichts Neues für die Werkzeugmaschinenindustrie. Spätestens seit Einführung der CNC-Steuerung sind Werkzeugmaschinen digital. Die Weiterentwicklung im Hinblick auf Industrie 4.0 orientiert sich grundsätzlich an den Anforderungen der Kunden. Motivation ist also immer der Mehrwert für den Anwender, zum Beispiel mehr Effizienz. Voraussetzung ist allerdings auch, dass der Kunde gewillt ist, den Zugang zu seinen Daten zu ermöglichen.

Wie steht die deutsche Werkzeugmaschinenindustrie bezüglich Digitalisierung im internationalen Vergleich da, etwa mit Japan?

Schäfer: Alle nationalen Werkzeugmaschinenindustrien arbeiten an Industrie-4.0-Lösungen. Den einen Ansatz, der für alle Kunden passt, gibt es nicht, da sich die Anforderungen verschiedener Anwenderbranchen, aber auch einzelner Unternehmen einer Branche stark unterscheiden. Entsprechend summieren sich unter dem Industrie-4.0-Dach eine Vielzahl technischer Lösungen. Ob am Ende eine Herstellernation den Königsweg finden kann und welcher das sein wird, lässt sich heute noch nicht beantworten. Auf jeden Fall besteht derzeit eine große technologische Heterogenität zwischen den verschiedenen geografischen Regionen. Zwar wird im eigenen Umfeld, so in Deutschland und auch in den USA, eine Standardisierung vorangetrieben. International ist es jedoch noch ein langer Prozess zu einer technologischen Harmonisierung.

Was sind für die Werkzeugmaschinenhersteller die wichtigsten Aspekte von Industrie 4.0?

Schäfer: So vielfältig wie die Unternehmen der Branche sind auch die Industrie-4.0-Lösungen. Grundsätzlich steht immer die Frage nach dem wirtschaftlichen Nutzen im Raum. Sicherlich sind Systeme zur Wartung, Simulation und Prozessanalyse einzelner Maschinen Ansätze, die vergleichsweise einfach zu implementieren sind und für fast alle Anwender einen Nutzen bieten. Das volle Potenzial von Industrie 4.0 wird sich aber erst mit einer vollständigen, intelligenten Vernetzung durch die gesamte Wertschöpfungskette erschließen lassen, und das über die Produktion und selbst die Unternehmensgrenzen hinaus. Gefragt sind also Konzepte zum intelligenten Austausch großer Datenmengen – vertikal von der Produktion in die Cloud wie auch horizontal entsprechend dem Auftragsdurchlauf.

Inwieweit sehen Sie neue Geschäftsmodelle auf die Branche zukommen? Sind solche bereits in der Planung oder Umsetzung?

Schäfer: Neue Geschäftsmodelle werden sich entwickeln, beispielsweise Pay-per-Use oder Software as a Service. Sehr viel größere Bedeutung hat aber aktuell die Verbesserung bestehender Leistungen und Produkte. Allen voran wird Industrie 4.0 die Effizienz und Qualität der Produktionsprozesse auf ein ganz neues Niveau heben können.

Welche Rolle werden künstliche Intelligenz und Machine Learning im Werkzeugmaschinenbereich spielen?

Schäfer: In der Wunschvorstellung soll die intelligente Maschine ihre eigenen Prozesse analysieren, optimieren und ein stückweit selbst bewerten können. Allerdings sprechen wir hier von hochkomplexen Prozessen, die noch lange auf das Erfahrungswissen von Menschen zurückgreifen werden. Beim Machine Learning in der Produktion bestehen Hindernisse, für die sich bisher noch keine Lösungen abzeichnen. Oder anders formuliert: Wie „Big“ ist Big Data? Bei den Werkzeugmaschinen, die vielfach individuell angepasst werden, ist der verfügbare Datenbestand vergleichsweise klein. Im Lebenszyklus der Maschine treten längst nicht alle theoretisch denkbaren Ereignisse ein, aus denen gelernt werden könnte. Nicht einmal bei allen Maschinen einer Produktreihe, wenn die Einsatzbedingungen überhaupt übertragbar wären. Zudem kann die Maschine nur aus Daten lernen, die ihr digital zur Verfügung stehen. Hier spielt wieder der Mensch eine große Rolle: Wenn der Anwender mit seinem Erfindergeist Veränderungen vornimmt, die sich außerhalb der vordefinierten Zugänglichkeit für die Maschine bewegen, kann es keinen Lerneffekt geben.

Wann wird es die „intelligente“ Werkzeugmaschine geben, die sich selbst optimiert und dabei Erfahrungen über Netz und Cloud austauscht?

Schäfer: Im Ansatz gibt es solche Systeme bereits. Predictive Maintenance geht ja beispielsweise in diese Richtung. Doch angesichts der bereits genannten Probleme erscheint diese Zukunft noch zu weit entfernt, um darüber zu spekulieren.

Wie unterstützt der VDW Hersteller beim digitalen Transformationsprozess?

Schäfer: Der VDW engagiert sich seit vielen Jahrzehnten in der industriellen Forschung und Entwicklung, ob in eigenen Arbeitskreisen, in Forschungsnetzwerken, Verbandskooperationen oder öffentlichen Projekten. Allen voran ist hier das VDW-Forschungsinstitut aktiv. Dort greifen wir im Dialog mit den Mitgliedern aktuelle Fragestellung auf.

EMO Hannover 2017
www.emo-hannover.de


Weltleitmesse der Metallbearbeitung in den Startlöchern

Nach vierjähriger Pause öffnet die Weltleitmesse für die Metallbearbeitung ihre Tore wieder in Hannover, vom 18. bis 23. September 2017. Mit dem Motto „Connecting systems for intelligent production“ rückt die EMO Hannover 2017 die Themen Digitalisierung und Vernetzung für die Produktion in den
Fokus.

Bereits Anfang Juni hatten sich über 2050 Firmen aus 45 Ländern angemeldet. Allein aus Europa waren es über 1400 Aussteller. Der Anteil asiatischer Teilnehmer hat sich von 21 auf 25 Prozent erhöht. „Damit liegt der aktuelle Anmeldestand deutlich über dem Vergleichsergebnis der Vorveranstaltung“, erläuterte Welcker anlässlich einer EMO-Preview-Veranstaltung am 21. Juni 2017 in Hannover. Vieles spreche dafür, dass die EMO Hannover 2017 wieder auf eine Rekordbeteiligung zusteuert. Zum Vergleich: Die letzte EMO Hannover 2013 hatte über 2130 Aussteller und rund 143 000 Fachbesucher aus über 100 Ländern angezogen.

Ein besonderes Highlight wird heuer die feierliche Eröffnung durch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. „Wir freuen uns ganz außerordentlich, dass unser Staatsoberhaupt der EMO Hannover die Ehre gibt und damit auch ein klares Zeichen für den hohen Stellenwert der Industrie in Deutschland setzt“, sagt Welcker.

Als Innovationsforum und Trendsetter präsentiert die EMO Hannover 2017 auch ein breites Rahmenprogramm zu wirtschaftlichen und technischen Themen. Stichworte sind Industrie 4.0, die Produktion von morgen, additive Fertigungsverfahren, Zerspanung in der Luft- und Raumfahrtindustrie, Sicherheit von Werkzeugmaschinen, die Entwicklung der Märkte USA, Mexiko, Indien, Start-ups für die intelligente Produktion und Nachwuchswerbung.

Erwarten eine erfolgreiche Messe (v. li.): Dr. Wilfried Schäfer, Geschäftsführer des EMO-Veranstalters VDW (Verein Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken), Carl Martin Welcker, Generalkommissar der EMO Hannover, und Dr. Jochen Köckler, Vorsitzender des Vorstandes der Deutschen Messe, Hannover. Bild: Deutsche Messe

Dr, Wilfried Schäfer, Geschäftsführer VDW: „Digitalisierung ist nichts Neues für die Werkzeugmaschinenindustrie. Spätestens seit Einführung der CNC-Steuerung sind Werkzeugmaschinen digital.“ Bild: VDW

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