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„Der Fokus der Grindtec liegt auf Spezialisierung“

Joachim Kalsdorf, Projektleiter Grindtec, und Prof. Dr.-Ing. Wilfried Saxler, Geschäftsführer FDPW
„Der Fokus der Grindtec liegt auf Spezialisierung“

Seit ihrem Debüt 1998 hat die Grindtec ein beeindruckendes Wachstum erfahren. Worin das Erfolgsrezept der Augsburger Fachmesse für Schleiftechnik besteht und wohin die technologische Entwicklung im Schleifen geht, erläutern Joachim Kalsdorf, Projektleiter Grindtec beim Messeveranstalter Afag, und Prof. Dr.-Ing. Wilfried Saxler, Geschäftsführer des fachlichen Trägers FDPW (Fachverband Deutscher Präzisions-Werkzeugschleifer e.V.). Das Interview führte: Dr. Frank-Michael Kieß

mav: Die Grindtec meldet stetig neue Rekordzahlen. Was ist das Erfolgsrezept?

Kalsdorf: Der Erfolg der Grindtec liegt in der Summe mehrerer Faktoren. Initiator war der FDPW. Er hatte den Wunsch, für seine Mitglieder, Werkzeugschleifereien in Deutschland, eine eigene Plattform zu schaffen. Das daraufhin von der Afag entwickelte Konzept dieser neuen Spezialmesse basierte im Kern auf den Fördermitgliedern des FDPW, den großen Maschinenherstellern. Das war der Startschuss für diese neue Fachmesse für Schleiftechnik. Für führende Hersteller in Baden-Württemberg, Bayern der Schweiz oder Norditalien liegt der Messeplatz Augsburg günstiger als andere und ist zudem deutlich preiswerter.
Ist das aktuelle Wachstum durch die neue Nomenklatur, sprich Öffnung für weitere Produktfelder getrieben? Was tun Sie, um das ursprüngliche Messekonzept nicht zu verwässern?
Kalsdorf: Die Grindtec ist weltweit die einzige Fachmesse für Schleiftechnik. Unser Ziel war von Anfang an die bestmögliche Angebotstiefe. Voraussetzung dafür ist das strikte Einhalten unserer Nomenklatur. Deshalb haben wir das Angebotsprofil vor zwei Jahren gestrafft und künftig Anbieter mit Neuwerkzeugen von der Grindtec ausgeschlossen. Dies entsprach auch dem Wunsch vieler Besucher nach einer Ausweitung in Richtung allgemeine Schleiftechnik. Hier herrscht beim Veranstalter Afag, dem fachlichen Träger FDPW und dem Messebeirat Konsens: Der Fokus liegt auf der Spezialisierung und der entsprechenden Angebotstiefe und nicht auf einer Angebotserweiterung.
Es sind ja praktisch alle relevanten Technologien inzwischen auf der Grindtec vertreten, mit Ausnahme von Kurbelwellen- und Verzahnungsschleifen. Woran liegt das beziehungsweise könnte das noch kommen?
Saxler: Die genannten Produkte haben wir explizit noch nicht in der Nomenklatur. Allerdings gibt es die Begriffe Außen- und Innen-Unrundschleifmaschinen. Bisher hatten wir nur zwei Firmen, die eine Nockenwellen-Schleifmaschine ausstellten. Und von ihnen kam keine Anfrage zur Erweiterung der Nomenklatur. Bei den Verzahnungsschleifmaschinen ist es ebenso. Bisher wollte noch kein Hersteller solcher Schleifmaschinen auf die Grindtec. Erst wenn wir angefragt werden, beschäftigen wir uns damit. Derzeit haben wir aufgrund des kontinuierlichen Wachstums der Grindtec eher ein Luxusproblem.
Wie groß ist noch der Anteil der eigentlichen Werkzeugschleifer an der Gesamtbesucherzahl?
Kalsdorf: Die repräsentativen Befragungen der letzten Veranstaltungen ergaben einen vergleichsweise stabilen Anteil zwischen 14 Prozent in 2014 und 18 Prozent in 2012 an Schneidwerkzeugmechanikern unter den Besuchern. In absoluten Zahlen sind das zwischen 2000 und 2500 Besucher, die diesem Handwerk zuzurechnen sind.
Ist die Grindtec 2016 schon ausgebucht?
Kalsdorf: Die Grindtec 2016 ist im Vergleich zur Veranstaltung vor zwei Jahren noch einmal deutlich gewachsen. Mit 575 Ausstellern werden knapp 11 Prozent mehr Unternehmen ihre Innovationen in der Messe Augsburg präsentieren, als 2014. Aktuell ist jeder verfügbare Quadratmeter belegt, auch der Ausstellerabend wurde in die WWK-Arena verlegt, um mehr Firmen eine Beteiligung zu ermöglichen.
Gibt es noch Platz für weiteres Wachstum?
Kalsdorf: 2016 belegen wir über 40 000 Quadratmeter Ausstellungsfläche im Messezentrum Augsburg. Für 2018 planen wir eine zusätzliche professionelle temporäre Halle im Freigelände, die durch einen Übergang von Halle 3 optimal in den Rundgang eingebunden wird. Diese Flächenerweiterung haben wir bereits mit großem Erfolg auf der Weltleitmesse Interlift durchgeführt. Darüber hinaus finden zurzeit Planungen für den Neubau einer vergrößerten Halle 2 statt. Das Messezentrum Augsburg ist für weiteres Wachstum gerüstet.
Welche aktuellen Technologietrends sehen Sie im Schleifbereich, die sich auf der Messe widerspiegeln?
Saxler: Die Weiterentwicklung von Verfahrenskombinationen in Schleif-Dreh-Zentren – hier spreche ich bewusst nicht von Dreh-Schleif-Zentren – ist ein Dauerthema. Besonders durch die Individualisierung werden die zu fertigenden Losgrößen immer kleiner. Aber auch die großen Werkstückgeometrien, wie sie etwa vom Energiesektor benötigt werden, fordern die Fertigung in einer Aufspannung. Neue Materialien oder auch die vermehrte Verwendung von Aluminiumlegierungen fordern den Einsatz von PKD-Werkzeugen. Dies sind besondere Aufgabenstellungen für die Schleiftechnik, da der Schneidstoff Diamant mit Diamantschleifscheiben bearbeitet wird. Hierbei kommen aber auch abtragende Verfahren wie das Erodieren und die Laserbearbeitung alternativ oder in Kombination zum Einsatz.
Wächst der Anteil von Substitutionstechniken?
Saxler: Die reinen Hartbearbeitungsverfahren wie das Hartfräsen oder Hartdrehen machen uns weniger Sorgen. Diese Verfahren haben sich schon seit Jahren etabliert und ihren Platz gefunden. ‚Gott sei Dank‘ lässt sich auch heute noch nicht alles hartbearbeiten. Das Schleifen wird als Fein- und Endbearbeitungsverfahren noch lange seine Stellung halten. Aber auch die generativen Fertigungsverfahren stellen die Schleiftechnik vor neue Herausforderungen. Durch selektives Lasersintern von Metallen können Bauteile mit hoher Geometriekomplexität gefertigt werden. Zwar sind die Fertigungszeiten dieser Verfahren noch nicht wirtschaftlich, dennoch stehen sie in naher Zukunft im Wettbewerb mit konventionellen Verfahren. Im Werkzeugsektor wird dies zu spüren sein. So werden im Werkzeug- und Formenbau künftig weniger Zerspanwerkzeuge benötigt. Da Schaftwerkzeuge schleiftechnisch hergestellt werden, wird sich dies auf den Werkzeugschleifsektor auswirken.
Mit dem Themenpark Schleiftechnik 4.0 greifen Sie das Thema Digitalisierung auf. Wo liegen für Sie die größten Potenziale?
Saxler: In der Fertigungsprozesskette ist die Schleiftechnik meist die letzte Operation. Das Werkstück hat also bereits eine hohe Wertschöpfung. Um nun den „letzten Schliff“ zu erledigen, benötigt man auch immer eine Menge Informationen neben den üblichen Angaben wie Maß-, Form- und Lagetoleranzen sowie Oberflächengüte. Deshalb ist es wichtig, dass man im Unternehmen Zugriff auf die individuellen Werkstückinformationen hat. Aber auch die Erfassung und Bereitstellung von Maschinen- und Betriebsdaten, die dem individuellen Werkstück oder dem Prozess zugeordnet werden können, sind wichtig. Dies ist eine gute Basis für effiziente Prozessgestaltung mit dem Ziel, optimale Qualität zu produzieren. Ein wichtiger Punkt ist aber auch die mehrfache Eingabe von gleichgearteten Werkstückdaten an unterschiedlichen Produktions- und Messsystemen – wie beispielsweise Geometrieinformationen – zu vermeiden. Dies birgt immer ein großes Fehlerpotenzial. Hier spielt das Thema der Standardisierung von Systemschnittstellen eine wichtige Rolle und bietet gleichzeitig großes Potenzial zur Effizienzsteigerung.
Aus Unternehmersicht wird durch die Einführung von digitalen Technologien ein Betrieb zwar immer gläserner, aber auf der anderen Seite speichert man so das Wissen und Knowhow der Mitarbeiter mit ab. Denn der Abfluss von Wissen durch das Ausscheiden eines Mitarbeiters tut immer weh. Und hier steckt sicherlich der größte Gewinn in der Digitalisierung. Daher muss digitale Unterstützung „intelligent“, also lernfähig und „adaptiv“ also anpassungsfähig sein, damit ein Unternehmen seine Innovationskraft beibehält. Deshalb freue ich mich, dass es gelungen ist, den Themenpark unter dem Motto „Schleiftechnik 4.0“ auf der Grindtec zu positionieren. ■
„Das Schleifen wird als Fein- und Endbearbeitungsverfahren noch lange seine Stellung halten.“
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